Kost und Logis: Fair und kapriziös
Karin Hoffsten über ihr ethisch korrektes Handy
Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, da rief ich froh: «Judihui, bald kommt mein neues Fairphone!», worauf Kollege F. fragte: «Glaubst du das etwa?» Er meinte nicht die Lieferzeit, sondern meine naive Zuversicht, im Kapitalismus könne überhaupt irgendwas «fair» produziert werden. Doch was heisst glauben? Ich hoffte! Dass nämlich die kleine Firma mit Sitz in Amsterdam ihre Smartphones wirklich unter Bedingungen produzieren lässt, die als «fair» gelten können – zumindest im Vergleich mit jenen der Elektronikgiganten. Ich wollte ein neues Handy und hatte mir «das Fair- phone 2 – ethisch korrekt, offen und langlebig» bestellt.
Doch es kam weder im November noch zu Weihnachten – wer eines verschenken wollte, erhielt eine Schokoladenversion für unter den Baum – und auch nicht im Januar: Bei einzelnen Bestandteilen hatte es Lieferengpässe gegeben. Aber als es im Februar wirklich eintraf, war es wunderbar: Sein Display glänzte, die Rückseite schimmerte, wie gewünscht, «blau halbdurchsichtig», und ich machte mich voller Eifer daran, das Androidsystem zu erkunden. Mit der Zeit lernten wir uns kennen, ich probierte begeistert unzählige Klingeltöne aus und wählte schliesslich einen meiner Lieblingsklänge: die jaulende Gitarre.
Doch irgendwas lief schief. Als ich, des Jaulens etwas müde, den Klingelton nach einer Woche ändern wollte, hatte ich keinen Zugriff mehr auf die Wahlmöglichkeiten. Sämtliche Androidkundigen, die ich um Hilfe bat, gaben mir mein Telefon nach zehn Minuten Gefummel schulterzuckend zurück. Selbst der Fairphone-Spezialist mailte mir schliesslich, er wisse «schlicht auch nicht weiter». Ich trat diversen Foren bei, schilderte mein Problem und bebilderte es mit Screenshots – vergebens. Die Gitarre jaulte weiter.
Sie verstummte erst, als mein Fairphone Mitte Juni den Dienst ganz einstellte. Ich konnte weder anrufen, noch war ich erreichbar, stattdessen erhielt ich ab und zu ein SMS, ich hätte wieder ein paar Anrufe verpasst. Meine SMS gingen mal raus, mal liessen sie es bleiben, begleitet vom Hinweis: «Mobilfunknetz nicht verfügbar».
Bei der Hotline des Mobilfunkanbieters sprach ich nacheinander mit Marco, Natascha, Michael, Justin, Sascha, Christina und einigen anderen, mit manchen auch mehrfach; ich erhielt zweimal eine neue SIM-Karte, bis wir zum Schluss kamen, es müsse an der Hardware liegen. In Amsterdam erreichte ich dann niemanden, weil man überlastet war, ich war erschöpft. In die Sommerferien nahm ich mein Uralthandy mit, das schon immer nur telefonieren und simsen konnte, das aber zuverlässig.
Im August las ich in den einschlägigen Foren, dass nicht nur mein Fairphone 2 an derlei Unpässlichkeiten litt. Ich bat um Ersatz, der anstandslos eintraf, und bis jetzt kommen das neue und ich sehr gut miteinander aus.
Und als Klingelton dient mir jetzt eine eher kontemplative Gitarre.
Karin Hoffsten ist nach wie vor der Überzeugung, dass faire Arbeitsbedingungen wichtiger sind als alles andere, und hofft aufrichtig, dass ihr Fairphone jetzt gesund bleibt.