Deutschland: Bibeltreu statt selbstbestimmt

Nr. 6 –

Zwei Wochen ist es her, dass US-Präsident Donald Trump FrauenrechtlerInnen brüskierte, weil er die Zuschüsse für Organisationen strich, die im Ausland über Schwangerschaftsabbrüche informieren oder diese anbieten. Trump realisierte damit eines seiner Wahlversprechen, zur Freude der reaktionären «Pro Life»-Bewegung. Aber nicht nur in den USA werden erkämpfte Rechte plötzlich wieder infrage gestellt: Im norddeutschen Dannenberg erregte ein Chefarzt diese Woche Aufsehen, weil er Abtreibungen in der von ihm geleiteten Abteilung für Gynäkologie untersagte – und zwar aus Glaubensgründen.

Bei seiner Entscheidung berief sich Chefarzt Thomas Börner von der niedersächsischen Privatklinik Capio Elbe-Jeetzel nämlich auf die Bibel. «Ich habe nach der Maxime des Nicht-Tötungsgebotes auch schon nach meinem Abitur Zivildienst gemacht, statt zur Bundeswehr zu gehen«, sagte Börner dem Norddeutschen Rundfunk. Auch die Leitung des Spitals unterstützte die Haltung des Mediziners. Klinikchef Markus Fröhling begründete dies gegenüber der Nachrichtenagentur DPA juristisch: «Laut Gesetz kann kein Arzt zu einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtet werden.» Allerdings entschied Chefarzt Börner nicht nur für sich alleine, sondern auch für die anderen MedizinerInnen, die in seiner Abteilung arbeiten.

Entsprechend entsetzt äusserte sich Uta Engelhardt von der Organisation Pro Familia, einem Verbund von Beratungsstellen zur Familienplanung: «Diese Entscheidung der Klinik geht gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.»

Am Dienstagabend schaltete sich schliesslich die Leitung des Capio-Konzerns, der bundesweit Spitäler betreibt, in die Kontroverse ein. Als weltanschaulich neutrale Einrichtungen würden die Kliniken des Unternehmens Frauen weiterhin Abtreibungen nach der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung ermöglichen, hiess es in einer Mitteilung. Was das konkret für den frömmelnden Mediziner in Dannenberg und die von ihm geführte Abteilung bedeutet, muss allerdings noch geklärt werden.