Kost und Logis: Kochen und Putzen? So trivial!

Nr. 9 –

Bettina Dyttrich verachtete Care-Arbeit früher auch

Ich war ja selber einmal so. Darum verstehe ich genau, wie die Abwertung funktioniert. Ich war zwölf und mit existenziellen Fragen beschäftigt, dem Ende der Welt und so. Warum sollte ich mich für Kochen, Waschen und Putzen interessieren? Wie konnten Frauen ihr Leben so trivialem Zeug widmen? Und ich hatte ja recht. Das Hausfrauenmodell, in meiner Kindheit in der katholischen Kleinstadt noch Standard, konnte es wirklich nicht sein. Im Sommer zuvor hatte ich eine Zwölfjährige getroffen, die meinte, eine lange Berufsbildung lohne sich für ein Mädchen nicht. Sie heirate ja sowieso. Ich bezog das nicht auf mich. Ich hatte Wichtigeres zu tun.

Mit fünfzehn schleppte ich Heukörbe auf einem Tessiner Maiensäss. In den Sommerferien. Die Arbeit gefiel mir, auch weil sie streng war. Trivial fand ich sie nicht, obwohl auch sie am Ende mit Lebensmitteln, also mit Kochen zu tun hatte. Ist Landwirtschaft ein Teil der Care-Arbeit? Ich weiss es bis heute nicht. Abgewertet wird sie inzwischen auch. Sie rentiert ja genauso wenig wie die Hausarbeit. Jedenfalls lernte ich damals, mit fünfzehn, gutes Essen zu schätzen. Die Eintöpfe, die wir im Tessin kochten, oder die Kürbissuppe in der Winterthurer Genossenschaftsbeiz Widder. Gutes Essen tat meiner immer noch von existenziellen Fragen strapazierten Seele gut. Es war nicht trivial.

Irgendwann war ich erwachsen, ging viel an Demos und las vom Begriff «Care-Arbeit». Das Flugblatt, das ein paar Frauen an der Demo gegen das Weltwirtschaftsforum verteilten, war ziemlich klug: Es fragte nach den Frauen, die den Wef-TeilnehmerInnen die Hotelzimmer putzten. Und es gab dieses schöne «Nieder mit dem Homo oeconomicus»-Transparent: «Women: Don’t feed him! Cook him!»

Aber langsam begann ich zu verstehen, was mich störte: Warum sollten sich ausgerechnet die Frauen, die jahrhundertelang im Haushalt und für Gotteslohn in Spitälern geschuftet und sich jetzt endlich andere berufliche Perspektiven erkämpft hatten, wieder mit Hausarbeit, Pflegen und Sorgen beschäftigen? Warum sollten sie auch noch ihre Seminararbeiten und Zeitungsartikel darüber schreiben?

Weil es die Männer immer noch viel zu wenig tun. Weil diese Arbeit nicht verschwindet, sondern an schlecht bezahlte Frauen aus anderen Ländern ausgelagert wird. Weil nur die Analyse der Care-Arbeit verständlich macht, warum die Lebensqualität heute trotz unglaublicher materieller Verschwendung abnimmt: Es wird bei den Grundlagen des guten Lebens gespart. Und weil vielleicht die beste politische Strategie genau durch diese belasteten Arbeitsbereiche in eine bessere Gesellschaft führt – eine Gesellschaft, in der Bedürfnisse, nicht Profit im Zentrum stehen und in der das Sorgeprinzip für die ganze Wirtschaft gilt. Die deutsche Feministin Gabriele Winker nennt es «Care-Revolution».

Aber erst muss mal klar sein: Trivial ist an diesen Arbeiten gar nichts. Das behaupten nur arrogante Männer und Zwölfjährige.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.