Nordkorea: Machts wie Clinton!
Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un betreibt mit einer scharfen Rhetorik sowie Raketen- und Nukleartests eine zunehmend aggressive Aussenpolitik. Doch diese dient nicht der Abwehr realer oder vermeintlicher Bedrohungen, die dem Land vonseiten der USA oder anderer Staaten drohten. Dazu wäre Nordkorea selbst dann nicht in der Lage, wenn die Tests der vergangenen Jahre, wie von Pjöngjangs Propaganda behauptet, tatsächlich allesamt erfolgreich verlaufen wären. Die aggressive Politik des Diktators soll in erster Linie seine Macht im Innern sichern, von Armut, Hunger und Perspektivlosigkeit ablenken.
Ein derart motiviertes Verhalten einer Diktatur lässt sich durch Druck von aussen oder militärische Drohungen – wie aktuell etwa die Stationierung eines amerikanischen Raketensystems in Südkorea – kaum beeinflussen. Das hat die Vergangenheit deutlich gezeigt. Im Januar 2002 erklärte US-Präsident George W. Bush Nordkorea wie den Irak und den Iran zu einer «Achse des Bösen», reklamierte für die USA das Recht auf präventive Militärschläge gegen diese drei Staaten und beauftragte das Pentagon, entsprechende Angriffsszenarien auszuarbeiten, die auch den Einsatz atomarer Waffen beinhalteten. Damit kündigte Bush die Nichtangriffsgarantie auf, die sein Vorgänger Bill Clinton dem Regime in Pjöngjang in einem im Oktober 1994 in Genf vereinbarten Abkommen gegeben hatte.
In diesem hatte sich Nordkorea zur Einstellung seines militärischen Nuklearprogramms und zur Einhaltung aller Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) verpflichtet. Bis zur Rede von Bush hielt sich Pjöngjang an das Genfer Abkommen. Erst in Reaktion auf Bushs Äusserungen suspendierte das Land 2003 seine Mitgliedschaft im NPT-Vertrag und nahm das militärische Nuklearprogramm wieder auf.
Deswegen hat China recht, wenn es nun die USA und Nordkorea auffordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und damit zum erfolgreichen Ansatz des Abkommens von 1994. Anders lässt sich eine Deeskalation des Konflikts nicht erreichen. Und ohne diese ist auch eine innenpolitische Erosion der Diktatur Kim Jong Uns nicht absehbar.
Die grosse Frage ist, ob US-Präsident Trump zu diesem Schritt bereit ist. Möglich, dass er am Ende gar den Konflikt samt allen Risiken, die bis zu einer militärischen Konfrontation mit China reichen könnten, suchen wird, um von absehbaren wirtschafts- und innenpolitischen Misserfolgen abzulenken.