Kino-Film «Staatenlos – Klaus Rózsa, Fotograf»: Wachsam in der Grauzone

Nr. 14 –

Wie immer in solchen Situationen griff Klaus Rózsa auch an diesem Abend des Jahres 1982 zur Kamera. Jugendliche protestierten nach dem Abbruch des Autonomen Jugendzentrums auf dem Zürcher Carparkplatz und prügelten sich mit der Polizei. Dieser war Rózsa als radikaler Aktivist und wachsamer Beobachter von Polizeigewalt bereits damals bekannt. Als er im Auto nach Hause fuhr, verfolgten ihn zahlreiche PolizistInnen, stoppten sein Auto an einem Lichtsignal und schlugen ihn auf der Strasse bewusstlos.

Mit einer Nachstellung dieser Szene beginnt «Staatenlos», ein biografischer Dokumentarfilm über Rózsa. Regisseur Erich Schmid («Meier 19») kehrt immer wieder mit Rózsa an Orte zurück, wo dieser Polizeigewalt erlebte. Und das geschah ziemlich oft. Weil er mit seinen Bildern in einer Grauzone des Rechtsstaats herumstocherte, in der GesetzeshüterInnen selber Gesetze und Grundrechte verletzten, galt er der Zürcher Polizei als eine Art Staatsfeind.

So könnte man das Wort «staatenlos» auch verstehen, doch es ist zunächst ganz wörtlich gemeint. Der Film erzählt Rózsas Leben von der frühen Kindheit in Ungarn an, von wo er während der sowjetischen Invasion 1956 mit seiner Familie – seine Eltern waren Juden, der Vater hatte Auschwitz überlebt – in die Schweiz flüchtete. Bei der Ausreise verloren sie ihre ungarische Staatsbürgerschaft.

Rózsa wurde 1968 politisiert und hat sich seither immer wieder an vorderster Front in politischen Bewegungen engagiert. Das rächte sich: Dreimal wurde sein Einbürgerungsgesuch als direkte Folge davon abgelehnt, zuletzt 1991. Unterschrieben hatte den Antrag auf Ablehnung sein Parteigenosse, der damalige SP-Stadtpräsident Josef Estermann.

Interessant ist der Film vor allem dort, wo Rózsas Biografie sich in verschiedene unrühmliche Kapitel der Schweizer Geschichte einfügt. Einmal besucht Rózsa in Budapest eine riesige Gedenkveranstaltung für den Schweizer Diplomaten Carl Lutz, der im Zweiten Weltkrieg 62 000 ungarischen JüdInnen das Leben gerettet hatte. Während Lutz in der Schweiz erst 1995 «rehabilitiert» wurde, ist er in Ungarn längst ein Volksheld mit nach ihm benannter Uferpromenade in Budapest.

Ab 6. April 2017 im Kino.

Staatenlos – Klaus Rózsa, Fotograf. Regie: Erich Schmid. Schweiz 2016