Verkehrspolitik: Je reicher, desto mobiler

Nr. 21 –

25 000 Kilometer pro Jahr oder 68 Kilometer pro Tag legten in der Schweiz lebende Personen 2015 auf Strassen, Schienen und in der Luft durchschnittlich zurück. Davon entfielen pro Kopf und Tag 37,7 Kilometer aufs Inland, wo das Auto als Verkehrsmittel dominiert, und 30,3 Kilometer aufs Ausland, dort primär auf Flugzeuge. Massiv zugenommen hat der Schweizer Verkehrskonsum seit 2010 ins und im Ausland (plus 61 Prozent) – begünstigt durch Ökodumping und tiefe Preise im Luftverkehr –, während er im Inland nahezu stabil blieb (plus 1 Prozent pro Kopf bei 6 Prozent Bevölkerungszunahme). Das zeigt der jüngste Bericht über das Verkehrsverhalten (Mikrozensus 2015).

Von Belang sind nicht nur die obigen Mittelwerte, sondern auch die Abweichungen davon je nach Geschlecht, Alter, bewohnter Region und Einkommen. Das zeigt die weit hinten publizierte Tabelle über die «Jahresmobilität» nach Bevölkerungsgruppen. Am deutlichsten sind die Differenzen zwischen Reichen und Armen: Personen aus Haushalten mit einem Monatseinkommen von mehr als 12 000 Franken legen pro Jahr 41 300 Kilometer zurück, 65 Prozent mehr als der eingangs erwähnte Durchschnitt. Personen aus Haushalten mit weniger als 4000 Franken müssen sich hingegen mit einer «Jahresmobilität» von 12 800 Kilometern bescheiden, also mit weniger als einem Drittel der reichsten Gruppe.

Das ist nicht nur sozial-, sondern auch umweltpolitisch relevant. Weil die VerursacherInnen die direkten sowie die ökologischen Kosten des Verkehrs bei weitem nicht decken, werden die reichen und mobileren VerkehrsteilnehmerInnen von der Allgemeinheit stärker subventioniert als die Armen. Umgekehrt könnten die Armen profitieren, wenn der Staat Lenkungsabgaben auf Energie und/oder Verkehr einführte, um die ungedeckten Kosten den VerursacherInnen gerecht anzulasten, und den Ertrag pro Kopf an die Bevölkerung zurückverteilte (wie das die zweite Etappe der Energiestrategie vorsieht). Denn so bekämen Leute mit unterdurchschnittlichem Verkehrskonsum und in der Regel tieferem Einkommen unter dem Strich Geld zurück. Was beweist: Ökologische Lenkungsabgaben führen zu einer sozial erwünschten Umverteilung von oben nach unten. Darum haben die bürgerlichen Parteien solche Abgaben bislang stets verhindert.