Unternehmenssteuerreform: Für einen progressiven Pflock
SVP-Finanzminister Ueli Maurers Neuauflage der Unternehmenssteuerreform führt eine Steuerpolitik fort, die längst an ihre Grenze stösst. Die Schweiz braucht endlich eine Strategie für eine progressive Wirtschaftspolitik.
Die Bürgerlichen schlagen ihre Pflöcke derzeit derart weit rechts ein, dass sie ihre Politik am Ende mit ein paar wenigen Abstrichen als gemässigten Kompromiss präsentieren können. Jüngstes Beispiel: die Unternehmenssteuerreform III, die die Stimmbevölkerung Anfang des Jahres mit 59 Prozent versenkt hat. Nachdem die Rechte jedes erdenkliche Steuerprivileg in die erste Reform gepackt hatte, konnte SVP-Finanzminister Ueli Maurer letzte Woche die neue, abgespeckte Vorlage seines Steuerungsorgans als «ausgewogene Steuervorlage» verkaufen.
Zur Erinnerung: Die Schweiz ist einer der steuerlich lukrativsten Orte der Welt. Weniger als in Nidwalden, Luzern oder Schaffhausen zahlen Firmen laut dem Forschungsinstitut BAK Basel einzig in Hongkong. Neben den tiefen Steuersätzen bietet die Schweiz zusätzlich Privilegien etwa für Holdings. Während die Schweiz damit unzählige internationale Firmen angelockt hat, verlieren andere Länder dadurch Milliarden an Steuereinnahmen. Auf internationalen Druck hin will die Schweiz nun deshalb mit einer Steuerreform unter anderem die Privilegien für Holdings abschaffen.
Ein Zückerchen für die Bevölkerung
Die an der Urne versenkte Unternehmenssteuerreform sah gleichzeitig vor, die alten Privilegien mit neuen zu kompensieren – und lud noch einige weitere drauf. Eine «Patentbox» sollte vor allem der Pharma erlauben, geistiges Eigentum tiefer zu versteuern; Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollten zu 150 Prozent von den Steuern abgezogen werden können; Firmen hätten auf einen Teil ihres Eigenkapitals einen fiktiven Zins abziehen können; zudem sollte der Bund den Kantonen 1,1 Milliarden Franken zahlen, damit sie in der Lage wären, ihre Steuersätze weiter zu senken. Gemäss Schätzungen der Kantone hätte all dies weit über drei Milliarden Franken gekostet.
Die Reform markiert eine Zäsur: Lange hatte die Schweiz mit ihrer Tiefsteuerpolitik genügend Firmen angelockt, damit alle im Land davon profitierten. Nun drohte es mit den Steuereinnahmen erstmals abwärtszugehen.
Mit Bürgerlichen konfrontiert, die ihren Pflock am äussersten rechten Rand einschlugen, hat sich die Linke im Abstimmungskampf gegen die Unternehmenssteuerreform III zur Fürsprecherin der bisherigen Steuerpolitik gemacht. Sie schwieg über die Schäden des globalen Steuerwettbewerbs, sorgte sich einzig um den hiesigen «Mittelstand» und machte die ursprüngliche Vorlage von BDP-Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf zu ihrer eigenen. Eine Steilvorlage für Finanzminister Maurer, dessen Steuerungsgruppe ihr weitgehend folgt – auch wenn sich SP-Parteipräsident Christian Levrat noch unzufrieden zeigt. Neben der Einschränkung von Patentbox und Forschungsabzügen will sie auf den Abzug auf Eigenkapital verzichten. Zudem sollen die Ausfälle etwas kompensiert werden, indem Grossaktionäre ihre Dividenden zu 70 Prozent versteuern müssten statt wie heute zu rund 50 Prozent. Als Zückerchen an die Bevölkerung sollen die Familienzulagen um dreissig Franken steigen.
Die Schweiz klammert sich damit weiterhin an ihrer bisherigen Tiefsteuerpolitik fest: Neben der Einführung der Patentbox und zusätzlichen Forschungsabzügen soll der Bund auch in der neuen Reform die Kantone mit 1,1 Milliarden Franken subventionieren, damit sie ihre Steuern weiter senken können. Diese Steuerpolitik ist nicht nur schlecht für die Welt, die in Schulden versinkt. Es ist offensichtlich, dass die Politik auch für die Schweiz längst an eine Grenze stösst: Die gesamtschweizerischen Steuereinnahmen aus Firmen stagnieren seit Jahren, in gewissen Kantonen sind sie regelrecht eingebrochen.
Raus aus der Abhängigkeit
Das ist wenig erstaunlich: Während viele Länder versuchen, im Steuerwettbewerb mitzuhalten, ist auch die Schweiz gezwungen, ihre Steuern immer weiter zu senken, um die Firmen für sich zu gewinnen. Zudem haben die Schulden, die der Steuerwettbewerb mitverursacht, die Welt 2008 in eine Wirtschaftskrise gestürzt, die auch die Schweizer Wirtschaft bis heute in Mitleidenschaft zieht und auf die hiesigen Steuereinnahmen drückt. Und nun soll die neue Steuerreform weitere Ausfälle in Milliardenhöhe bringen.
Die Schweiz braucht endlich eine Strategie, um sich aus den Fängen des Steuerwettbewerbs zu befreien: Statt den globalen Wettbewerb weiter anzuheizen, muss sie sich auf dem diplomatischen Parkett für internationale Steuerregeln einsetzen. Statt dass der Bund den Kantonen weitere Steuersenkungen subventioniert, braucht es eine interkantonale Harmonisierung der Steuern. Und schliesslich ist eine Strategie gefragt, die die Schweiz langfristig aus ihrer Abhängigkeit von internationalen Konzernen befreit. Kurz: Es ist Zeit, dass die progressiven Kräfte in diesem Land ihren eigenen Pflock einschlagen.