Steuervorlage 17: Fröhliches Steuerdumping

Nr. 13 –

Finanzminister Ueli Maurers Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III kommt moderat daher, treibt aber den internationalen Steuerwettbewerb unvermindert voran. Die Linke muss in die Offensive.

Ueli Maurer hatte offenbar gute BeraterInnen. Als er am 21. März vor die Medien trat und die Neuauflage der Unternehmenssteuerreform III präsentierte, war seine Botschaft klar: Nicht nur der neue Name – Steuervorlage 17 – sollte den Eindruck erwecken, das hier habe nichts mit der alten Reform zu tun, die die Stimmbevölkerung im Februar letzten Jahres mit fast sechzig Prozent Nein-Stimmen verworfen hatte. Die ganze Kommunikation des Finanzministers zielte darauf ab: Der Magistrat rechnete vor, wie viel Mehreinnahmen die Reform langfristig dank «dynamischer Effekte» bringen würde. Er betonte die Ausgeglichenheit der neuen Vorlage und drohte: «Es wäre sehr schlimm, würde diese Vorlage nun wieder abgelehnt.»

Unmittelbar nach der Pressekonferenz des Finanzministers meldete sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zu Wort. Die Medienmitteilung macht deutlich, wer im Finanzdepartement des SVP-Bundesrats den Kurs bestimmt: «Steuerpolitische Einigung ist möglich, wichtig und dringend. Die Berechnungen der von Ueli Maurer verabschiedeten Botschaft zur Steuervorlage 17 belegen, dass der zügige Abschluss einer wirksamen Steuerreform im Interesse aller ist. Das Parlament muss bis spätestens im Herbst eine politische Lösung finden.»

Keine Kursänderung

Die Strategie der ReformbefürworterInnen ist leicht zu durchschauen: Man will mit allen Mitteln verhindern, noch einmal in die gleichen Fallen zu tappen, die zur Ablehnung der Unternehmenssteuerreform III (USR III) führten. Dass sie scheiterte, hat zum einen mit der schamlosen Überfrachtung der Vorlage durch das rechte Parlament zu tun. Mindestens so wichtig für das Nein war das Debakel um die USR II: Bevor diese 2008 äusserst knapp von den StimmbürgerInnen angenommen wurde, hatte Maurers Vorgänger Hans-Rudolf Merz Steuerausfälle von achtzig Millionen Franken prognostiziert. Was sich später als krasse Fehleinschätzung erwies: Gemäss Berechnungen des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) gingen der öffentlichen Hand durch die Reform neun bis dreizehn Milliarden Franken verloren.

Maurer und seine Gehilfen wollen deshalb mit allen Mitteln suggerieren, die Auswirkungen der neuen Vorlage seien nicht nur kalkulierbar, sondern langfristig positiv. «Das ist irrsinnig», sagt SGB-Ökonom Daniel Lampart. «Die Reform zielt darauf ab, die Gewinnsteuern in den Kantonen grundsätzlich zu senken. Wenn man das tut, hat das ganz einfach weniger Einnahmen zur Folge. Das zeigt der Kanton Luzern. Auf die starke Steuersenkung folgt nun Sparpaket auf Sparpaket. Weil die Steuern bei den meisten Firmen für den Standortentscheid kaum eine Rolle spielen.»

Die USR III wurde nötig, weil die Schweiz international nicht mehr akzeptierte Steuerprivilegien für mobile Firmen abschaffen muss. Die Strategie, die Firmen durch neue Privilegien zu halten, bleibt mit der Steuervorlage 17 dieselbe. Maurer verzichtet in seiner Botschaft lediglich auf das Instrument, das der Steuerreform III am meisten Kritik einbrachte: die zinsbereinigte Gewinnsteuer, die den Unternehmen einen fiktiven Zinsabzug auf überschüssiges Eigenkapital ermöglicht hätte. Im Unterschied zur ersten Vorlage soll zudem die Entlastungsmöglichkeit durch Patentboxen beschränkt werden (die Firmen müssten mindestens dreissig statt zwanzig Prozent besteuern).

Als Zückerchen für die Linke will Maurer die Dividendenbesteuerung auf mindestens siebzig Prozent erhöhen (die linken Parteien fordern hundert Prozent) und die Kinderzulagen um 30 auf mindestens 230 Franken. Die CVP hat Maurer mit der geplanten Abschaffung der «Heiratsstrafe» ins Boot geholt: eine Massnahme, die zeigen soll, dass man nicht nur an die Firmen, sondern auch an die DurchschnittssteuerzahlerInnen denkt. Tatsächlich jedoch privilegiert sie die oberen zehn Prozent und benachteiligt unverheiratete Paare mit Kindern.

Überhaupt sind die Ausgleichsmassnahmen und der Verzicht auf einige Privilegien eine Finte: Maurer treibt das Steuerdumping unvermindert voran. Zahlreiche kleinere Reformprojekte, die das Kapital weiter entlasten, sind in der Pipeline des Finanzdepartements. Dazu kommen Vorlagen, Beschlüsse und Anträge in den parlamentarischen Kommissionen, etwa die Abschaffung der Stempelsteuer. Was die rechte Mehrheit mit der Unternehmenssteuerreform III geballt bringen wollte, kommt nun scheibchenweise.

Unverständnis im Ausland

Formell nicht in Maurers Vorlage enthalten ist der Teil mit den grössten Auswirkungen: Der Bund subventioniert mit der Reform generelle Unternehmenssteuersenkungen der Kantone. Diese sollen mehr Geld aus der direkten Bundessteuer erhalten (21,2 statt 17 Prozent) – und damit Spielraum für Steuersenkungen. Gemäss ersten Angaben wollen die Kantone ihre Unternehmenssteuern von heute durchschnittlich 19,6 auf 14,5 Prozent senken. «Ich frage mich, wie lange sich das die Nachbarländer noch gefallen lassen», sagt Regula Rytz, Nationalrätin und Präsidentin der Grünen. «Die Schweiz gräbt das Steuersubstrat der anderen Länder ab – obwohl in der EU längst Bestrebungen laufen, gegen den Steuerwettbewerb vorzugehen. Wenn ich mit Vertretern von umliegenden Ländern rede, stelle ich ein wachsendes Unverständnis fest.»

Rytz fordert eine grundlegende Debatte: «Wir dürfen bei der Unternehmenssteuerreform nicht nur über technische Details diskutieren, sondern müssen auch unsere Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt thematisieren.» SP-Präsident Christian Levrat hat Kompromissbereitschaft signalisiert: Er fordert dafür allerdings mehr sozialen Ausgleich und eine deutlich höhere Gegenfinanzierung durch die Unternehmen selbst, vor allem in Form einer Erhöhung der Dividendenbesteuerung. Gegen den interkantonalen Steuerwettbewerb werde die SP in den Beratungen ihre Forderungen stellen, letztlich werde man aber wegen der föderalistischen Steuerautonomie nur auf Verfassungsebene vorgehen können, argumentiert er. Dazu brauche es eine Initiative. «Und was die Steuerprivilegien für die internationalen Holdings angeht: Da hat sich die Schweiz in eine Abhängigkeit manövriert, aus der man sich geordnet wieder lösen muss. Dazu müssen wir die entsprechenden Initiativen und Bemühungen der OECD aktiv unterstützen, Gespräche weiterführen und Verschärfungen mittragen.»

Das sei die Logik des dritten Weges, sagt Dominik Gross, Verantwortlicher für internationale Finanz- und Steuerpolitik bei Alliance Sud. «Die Linke trägt die neoliberale Wirtschaftspolitik für ein bisschen Umverteilung mit. Aus globaler Sicht aber ist die Schweizer Steuerpolitik nicht nachhaltig. Und irgendwann sind die Steuersätze so tief, dass niemand mehr profitieren wird.» Auch Levrats Vertrauen in die Verhandlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert Gross: Die Schweiz sei schliesslich nicht einfach ein Wägelchen im Zug des Steuerwettbewerbs. «Wir sind seit Jahrzehnten eine der Lokomotiven. Zudem stoppen die OECD-Reformen das Steuerdumping der Konzerne in den Ländern des Globalen Südens nicht.* Deshalb ist es scheinheilig, wenn wir einfach ein bisschen mitreden und gleichzeitig immer neue Instrumente einführen. Wir müssten stattdessen einen echten Paradigmenwechsel anstreben.»

Gross wirft einem Teil der Linken vorauseilenden Gehorsam vor: «SP, Grüne und Gewerkschaften haben sechzig Prozent der Stimmberechtigten im Rücken. Man könnte sich für einmal kompromisslos zeigen und wegen des massiven Drucks aus der EU und der OECD einfach auf die Abschaffung der alten Steuerprivilegien Ende Jahr warten und über alles Weitere später verhandeln. So käme man aus der Defensive.»

* Korrigendum vom 29. März 2018: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion fehlt im folgenden Zitat von Dominik Gross (Alliance Sud) das letzte Wort: «Zudem stoppen die OECD-Reformen das Steuerdumping der Konzerne in den Ländern des Globalen Südens nicht