Peter Spinatsch (1945–2017): Mission des Erinnerns

Nr. 26 –

Wir hätten mehr über Religiöses reden sollen. Doch wenn Peter Spinatsch anrief, dann fanden wir keine Zeit für Gespräche, dann verfolgte er nämlich ein Anliegen, und zwar ein wichtiges, und er redete so lange auf mich ein, bis er überzeugt war, dass es nichts nützte, oder bis ich ihm Unterstützung versprach.

Letzten Montag wurde Peter Spinatsch beerdigt, in einer wunderbar ergreifenden, katholischen Abdankung, in der es ein Priester schaffte, aus dem Begriff der Auferstehung einen Aufstand, ja eine Serie von Aufständen zu machen und aus der Theologie keine Kirche, sondern Befreiung.

Peter Spinatsch, geboren 1945 in Bern, war selber Theologe und Seelsorger, aber nicht Priester. Wir begegneten uns während der grossen Vergangenheitsdebatte der neunziger Jahre, als über die zweifelhafte Rolle der Schweiz im Nationalsozialismus gestritten wurde. Spinatschs Anliegen war damals der Schweizer Hitler-Attentäter Maurice Bavaud, ein katholischer Neuenburger Student, der 1938 dem deutschen Diktator mit einer Pistole hinterhergereist war, fest entschlossen, ihn zu erschiessen. Maurice Bavaud wurde 1941 in Berlin-Plötzensee enthauptet, die Schweizer Diplomatie schämte sich für die entsetzlichen Absichten dieses Bürgers, sie rührte keinen Finger für ihn. Erst vierzig Jahre später begann man, sich an den jungen Mann wieder zu erinnern und an das Glück, das Europa gehabt hätte, wenn ihm sein Attentat, wozu nicht viel gefehlt hätte, damals gelungen wäre.

Peter Spinatschs Verdienst war es, die Erinnerung stets vorangetrieben zu haben. Ihm ging es um die Anerkennung von Bavauds Taten, die für ihn eine demokratische, aber eben auch eine religiöse Logik hatten. Mit den noch lebenden Geschwistern des Hingerichteten und einigen Freunden gründete er 1998 ein Komitee, das sich für Bavaud einsetzte. Als 2008 der Bundesrat endlich – auf Anfrage Paul Rechsteiners und dank Spinatschs Zähigkeit – dem Attentäter seinen Respekt aussprach, war diese Mission des Erinnerns keineswegs zu Ende. Sie ist auch jetzt nicht zu Ende, da Spinatsch nicht mehr anruft.

Martin Steinacher: «Maurice Bavaud – verhinderter Hitler-Attentäter im Zeichen des katholischen Glaubens?» LIT Verlag. Berlin 2015. 138 Seiten. 44 Franken.