Fussball und andere Randsportarten: Haut euch doch aufs Grossmaul!

Nr. 27 –

Etrit Hasler über den «grössten Event in der Geschichte» des Kampfsports

Am 26. August wird in Las Vegas der erfolgreichste Profiboxer, der bisher ungeschlagene Floyd «Money» Mayweather, gegen den erfolgreichsten MMA-Kämpfer, «The Notorious» Conor McGregor, in den Ring steigen (MMA = Mixed Martial Arts). Die Veranstalter kündigen das als den «grössten Event in der Geschichte des Kampfes» (sic!) an und haben einen fünfminütigen Trailer produziert, der die beiden Protagonisten in «Rocky»-Manier zu den Klängen von Coolios «Gangsta’s Paradise» zu Giganten stilisiert.

Zugegeben: Beide Athleten sind Ausnahmekönner. Mayweather hat 49 Kämpfe absolviert, die 1,3 Milliarden Dollar an Umsatz generierten, und keinen einzigen davon verloren. Im Ring ist er der treffsicherste Boxer seit Einführung der computerunterstützten Trefferzählung. Neben dem Ring ist er ein superreiches Grossmaul, das seine potenziellen und vermeintlichen Gegner beleidigt. Zumindest, wenn er nicht gerade vor Gericht steht, weil er Frauen verprügelt oder sich mit Türstehern angelegt hat. Er ist, wenn man so will, die Zwergenversion von Mike Tyson mit besserem Geschäftssinn. Ein Arschloch sondergleichen, aber Herrgott, was für ein Boxer.

Sein Gegner steht ihm in wenig nach: Conor McGregor war der erste MMA-Athlet, der es auf die Forbes-Liste der erfolgreichsten SportlerInnen schaffte – auf der aktuellen Liste steht er auf Platz 24 mit 34 Millionen Dollar, die er im letzten Jahr verdient hat. Für eine Sportart in der Schmuddelecke ein enormer Betrag, kein Wunder, kann er es sich leisten, pro Woche 27 000 Dollar für Kleider auszugeben. Obwohl genauso ein Grossmaul wie Mayweather, ist McGregor nicht bekannt dafür, ausserhalb des Rings auf Menschen loszugehen, egal ob Frauen oder Männer. Doch die wenigen Sympathien, die er gewann, als er sich für die Einführung der Ehe für alle in Irland starkmachte, verspielte er gleich wieder, als er wenige Tage danach betonte, dass er seine Kämpfe mit seinen «gigantischen Eiern» gewinne, aus denen er seine Schlagkraft beziehe.

Die Idee, verschiedene Kampfsportarten gegeneinanderzustellen, ist nun nicht gerade neu – und die Resultate sind meist unbefriedigend. Als bekanntestes Beispiel gilt der Kampf 1976 zwischen Muhammad Ali und dem damaligen japanischen Wrestlerkönig Antonio Inoki – Inoki trat fünfzehn Minuten lang nach den Beinen des herumtänzelnden Ali, und der Fight gilt als eine der bizarrsten Begebenheiten in Alis bunter Karriere. Dennoch wird er häufig als Gründerkampf der modernen MMA sowie der japanischen Kickboxliga K-1 (in der sich ebenfalls Fighter mit verschiedensten Stilen messen) angesehen.

Noch peinlicher war höchstens der Kurzausflug des legendären Sumo-Yokozuna Akebono Taro in die MMA-Szene: Sein Debüt gegen Royce Gracie bestand darin, dass er zu Beginn mit seinem ganzen Gewicht auf seinen Gegner fiel – worauf ihn dieser in einen Schwitzkasten nahm, bis er nach zwei Minuten aufgab.

Das Problem an solchen Kämpfen ist immer Folgendes: Als Zuschauende haben wir ein von Filmen geprägtes Bild im Kopf, dass es reizvoll sein könnte, einen à la Bruce Lee herumspringenden Kung-Fu-Kämpfer gegen einen Bären von Mann à la Wladimir Klitschko kämpfen zu sehen. Doch wie die Realität der meisten MMA-Kämpfe zeigt, ist der Unterschied zwischen Kampfsport und einem echten Kampf eben der, dass er in einem hoch ritualisierten Umfeld stattfindet. Ein echter Kampf ist ruchlos, brutal und hässlich. Kein Wunder, bestehen die meisten MMA-Kämpfe daraus, dass sich die KontrahentInnen am Boden wälzen und sich gegenseitig auf die Rübe hauen, bis eineR aufgibt.

Dass wir uns richtig verstehen: Ich stehe auf Kampfsport. Und ich kann mir eine gewisse Befriedigung vorstellen beim Zusehen, wie sich zwei Grossmäuler aufs Maul hauen. Aber wenn ich am 26. August einen guten Kampf sehen will, dann ziehe ich mir wohl besser einen Film rein.

Etrit Hasler empfiehlt «Way of the Dragon» (deutsch «Die Todeskralle schlägt wieder zu») von 1972. Darin duellieren sich Bruce Lee und Chuck Norris – ein grösserer Event in der Geschichte des Kampfsports als irgendeine Balgerei in Las Vegas.