Von oben herab: Grünfront

Nr. 27 –

Stefan Gärtner über Hotdogs, die fast zehn Stutz kosten

Man soll ja Äpfel nicht mit Hotdogs vergleichen, aber mit den Äpfeln verhält es sich in der freien Welt so, wie es der Sänger der deutschen Band Die Türen einmal formuliert hat: Wenn es in einer Gesellschaft gute und nicht so gute Äpfel gibt, und die guten Äpfel sind den Reichen vorbehalten und die nicht so guten den nicht so Reichen, dann kann mit der Gesellschaft etwas nicht stimmen.

Drei Berner Badibeizen haben neuerdings öko-faire Speisekarten, was einmal bedeutet, dass es jetzt Hummus und Baba Ghanoush gibt, und zweitens, dass die Schale Pommes sieben Stutz kostet und der Hotdog fast zehn. «Nicht jeder kann sich so eine Mahlzeit leisten», merkte da nicht nur der «Bund» an, der in der Hauptstadt eines dieser Länder erscheint, in denen die guten Äpfel für die Reichen da sind. Schwieriges Thema, das: «Der Vorwurf, dass das Angebot in den Badibeizen Weyerli, Wyler und Ka-We-De viel zu teuer sei für einkommensschwache Leute, sei ein schwieriges Thema, findet Arci Friede von der Badi Beizli GmbH. ‹Wir werden keinen Hotdog für 4.50 Franken anbieten›, sagt er. Für so einen Hotdog könne man kein frisches Brot, müsse Senf und Ketchup aus industrieller Produktion und Fleisch aus dem Ausland verwenden – das wollen die Betreiber aus Überzeugung nicht tun. Er verstehe zwar, wenn Familien nicht 7 Franken für eine Portion Pommes frites oder 9.50 Franken für einen Hotdog ausgeben könnten oder wollten, sagt Friede. ‹Aber wir können es nicht allen recht machen, auch wenn das in einem öffentlichen Bad die Erwartungshaltung ist.›»

Ob in einer Badibeiz wirklich frisches Brot nottut; ob Profanitäten wie Senf und Ketchup, wie in unseren Hipster- und Retroquartieren üblich, tatsächlich aus der Senf- und Ketchupmanufaktur kommen müssen; ob letztlich eine Erwartungshaltung etwas anderes ist als die gute alte Erwartung, sei hier gar nicht entschieden. Unübersehbar aber ist, dass Nahrung und ihre Aufnahme längst Teil einer Klassenauseinandersetzung sind, die im Alltag über die bekannten kleinen Unterschiede ausgetragen wird. In einem älteren Kinderbuch kriegt Lindgrens Lotta noch ganz selbstverständlich Limonade; heut wärs wahrscheinlich Apfelschorle, denn heute gehört (Industrie-)Zucker, neben Fett und Fernsehen, zu Dingen, die in gehobenen Bürgerhaushalten verpönt, mindestens reglementiert sind, und seis ganz arglos aus Sorge um die «gute Entwicklung» von Kindern, also einer, aus der später die Statistik wird, nach der Leute mit Geld und Bildung elf Jahre älter werden als die Blödis. Dass nebenbei das eigene Kind lernt, dass es mindestens zwei Universen gibt: ein paralleles, in dem die Kinder beim Fernsehen Chipstüten leeren dürfen, und das eigene, höhere, ist ein schöner Nebeneffekt.

Es ist nicht egal, wo Essen herkommt, gerade dann nicht, wenn es von Tieren stammt. Aber wer im Schlechten gut sein will, macht die Welt mitunter nicht nur besser. Richtig ist, dass der ungebremste Konsum, der die Massen bei Laune hält, die Kosten des Klassenstaats an Mutter Erde weiterreicht und dass Produkte kosten müssen, was sie wirklich, ohne Raubbau kosten. Sich aber hinstellen und mit den Achseln zucken, weil Essen nun mal seinen Preis habe, ist das Eingeständnis, dass die öko-faire Überzeugung nicht sowohl eine linke als eine grüne ist, die es bekanntlich bloss den Leuten recht macht, denen ohnehin alles recht gemacht wird.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.