Pop: Oben ist unten ist oben
Immer wieder droht die zittrige Melodie während dieser ersten Minute den Anschluss an den Rhythmus zu verlieren. Dann aber, als sich der Bass einschlauft und die beiden festzurrt, nimmt diese Musik plötzlich Fahrt auf und mündet schon bald in das, was man als veritable Hommage an den britischen Postpunk der achtziger Jahre bezeichnen könnte: Schlagzeug und Bass, die sich unbeirrt ihren Weg bahnen durch einen Nebel aus rückkoppelnden Gitarren und ächzenden Synthesizern. «Four Years and One Day» ist der (kurze) Auftakt zu «Love What Survives», dem dritten Album von Mount Kimbie, einer Formation, die mit Gitarrenmusik eigentlich sehr wenig am Hut hat.
Ein knappes Jahrzehnt lang belieferte das Londoner Produzentenduo Dominic Maker und Kai Campos geneigte ClubgängerInnen mit wuseliger Elektronik. Die ausgefransten, weitgehend instrumentalen Klangcollagen haben sie zu zwei Alben, «Crooks & Lovers» (2010) und «Cold Spring Fault Less Youth» (2013), und einer Handvoll EPs zusammengefasst, wobei die Stücke mäandern zwischen Ambient und avantgardistischem Dubstep.
In Anbetracht dieser Vorgeschichte ist «Love What Survives» ein erstaunlicher Schritt. Soundschnipsel schweben nicht länger frei im Raum, sondern werden konsequent den energisch vorpreschenden Rhythmen auf den Rücken gebunden. Nicht selten wirkt dieses Album wie ein Nachdenken über die Wurzeln der elektronischen Musik. So etwa im weitgehend auf repetitives Schlagzeug und scherbelnde Orgel reduzierten «Delta». Auch der Song «Audition» beschränkt sich auf Rhythmus und Bass, die Lücken zwischen den Schlägen mal klaffend, mal gestopft mit Bauschaum von einem Synthesizer.
Gebrochen wird mit der hypnotisierenden Motorik dann, wenn sich die GastmusikerInnen in dieses Album einmischen. «We Go Home Together» und «How We Get By» beugen sich den Kapriolen des begnadeten Sängers James Blake, «Blue Train Lines» ist genauso schnoddrig gespielt wie von King Krule gesungen. Anders der Beitrag von Sängerin und Künstlerin Micachu: «I’m looking up at you – are you looking up at me?», singt sie in «Marylin» mit einer Mischung aus Beiläufigkeit und Teilnahme. Die Zeile fügt sich perfekt in die einlullende Wirkung dieses Albums. Oben ist unten ist oben.
Mount Kimbie: Love What Survives. Warp Records. 2017