Syndicom-Krise: Umstrittene Wahl

Nr. 45 –

Die vorgesehene Wahl von Daniel Münger zum neuen Präsidenten der Gewerkschaft Syndicom am Wochenende passt nicht allen. Sie ist Ausdruck einer seit Jahren schwelenden Krise.

Urs Meyer aus Biel ist ein altgedienter Gewerkschafter. Er wird am Wochenende vor dem Kongress reden. Denn anders als versprochen präsentiert die Gewerkschaftsspitze nicht eine Auswahl von zwei bis drei Personen für den Posten des Syndicom-Präsidenten. Daniel Münger ist der Einzige, der zur Wahl steht. Er ist bei manchen GewerkschafterInnen ein höchst umstrittener Kandidat. Der ehemalige SP-Landrat von Baselland war bis im vergangenen Jahr Vizepräsident der Zentralen Arbeitsmarkt-Kontrolle (ZAK) Basel-Landschaft, die im Auftrag des Kantons Schwarzarbeitskontrollen durchführt. Kanton und Bund fordern mehrere Hunderttausend Franken zurück, weil die ZAK im Jahr 2014 viel zu wenig Kontrollen durchgeführt habe. Sie sollte daher 380 000 von den 650 000 Franken der von Bund und Kanton dafür entrichteten Subventionen zurückbezahlen. Diese Forderung ist nun faktisch vom Tisch, weil der Kanton den Jahresabschluss 2016 der Paritätischen Kommission genehmigte. Doch die von der Staatsanwaltschaft eröffnete Strafuntersuchung über den Verbleib der Gelder, die im Jahr 2014 nur zu einem kleinen Teil für Schwarzarbeitskontrollen verwendet wurden, ist nach wie vor am Laufen. Für Urs Meyer ist daher die Kandidatur Müngers unangebracht. «Ich werde ihn auffordern, seine Kandidatur zurückzuziehen, bis die Strafuntersuchung abgeschlossen ist. Schliesslich war er als Vizepräsident der ZAK in verantwortlicher Position. Erst der Abschluss dieser Untersuchung schafft Klarheit, inwieweit er seine Verantwortung wahrgenommen hat.»

«Frauenfeindliches Klima»

Im Gegensatz zu Urs Meyer, der immer noch aktiv bei Syndicom engagiert ist – und, wie er sagt, «immer hinter Syndicom als Gewerkschaft» stehen wird –, haben engagierte GewerkschafterInnen in den letzten Jahren das Handtuch geworfen. Etwa Samuel Rüegger, der sich in der Region Basel engagierte und im vergangenen Jahr seine Kritik an der Geschäftsleitung und ihrer strategischen Ausrichtung als einer von wenigen öffentlich und deutlich geäussert hat (siehe WOZ Nr. 7/2016 ). Dann hatte Rüegger genug. Er legte zunächst seine Gewerkschaftsämter nieder und trat dann aus der Syndicom aus.

Seit der Fusion der Gewerkschaften Kommunikation und Comedia zur drittstärksten Gewerkschaft der Schweiz kriselt es. Syndicom hat seit 2011 rund 8000 ihrer ursprünglich 47 000 Mitglieder verloren. Wie ein interner Bericht vom Februar 2016 feststellt, ist die Personalfluktuation überdurchschnittlich hoch. Betrug sie 2011 zehn Prozent, lag sie 2015 bei dreizehn Prozent. Der interne Bericht wurde auf Antrag der IG Pensionierte erstellt. Auslöser war die Kündigung von Bernadette Häfliger Berger, die zuvor als Nachfolgerin des inzwischen zurückgetretenen Syndicom-Präsidenten Alain Carrupt gehandelt worden war. Im Bericht ist denn auch die Rede von einem frauenfeindlichen Klima, einem aggressiven Umgangston und einem allgemein schlechten Arbeitsklima. Ausserdem werde die in den Statuten festgeschriebene Frauenquote zu wenig beachtet.

Bericht so halb unter Verschluss

In der Kritik steht vor allem die Syndicom-Zentrale und damit die Geschäftsleitung. Offenbar hat sich daran bis heute nichts geändert. Die Einerkandidatur von Geschäftsleitungsmitglied Daniel Münger sehen engagierte GewerkschafterInnen als Beleg dafür. Der interne Bericht selbst wurde zwar nicht direkt unter Verschluss gehalten, er wurde an einen kleinen Personenkreis verteilt. Allerdings nur in Papierform und nummeriert. So sollen allfällige Lecks eruiert werden können. Offenbar dürfen die rund 40 000 zahlenden einfachen Gewerkschaftsmitglieder nicht wissen, wie es um die verantwortliche Spitze steht, die ja ihren Mitgliedern rechenschaftspflichtig sein müsste.

Nachtrag vom 16. November 2017 : Syndicom wählt Münger

Die seit Jahren anhaltende Kritik an der Syndicom-Führung hatte keine direkte Auswirkung auf die Wahl von Daniel Münger zum neuen Präsidenten der Gewerkschaft. Die Delegierten haben ihn am Wochenende gewählt. Die KritikerInnen hatten das vorausgesagt: «Es wird sich nichts ändern.» Die Kritik wirkt allerdings doch: Giorgio Pardini und Daniel Münger erzielten die schlechteren Resultate als die neu in die Geschäftsleitung gewählten Personen. «Die Konflikte sind noch lange nicht ausgestanden», sagte ein Gewerkschafter nach der Wahl.

Ein interner Bericht der Syndicom-Geschäftsprüfungskommission vom Februar 2016 hatte der Geschäftsführung um Giorgio Pardini und Daniel Münger ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Gesprächs- und Konfliktkultur sei mangelhaft, der Umgangston rüde, auch von Frauenfeindlichkeit war dort die Rede.

Diesbezüglich immerhin haben die Delegierten bei den Vorstandswahlen ein Zeichen gesetzt: Zur Vizepräsidentin gewählt wurde Stephanie Vonarburg, Leiterin des Sektors Medien. Weiterhin umstritten ist die strategische Ausrichtung. Während die Geschäftsleitung die Sektoren (Branchen) stärkt, möchten andere den regionalen Sektionen mehr Gewicht geben. Denn dort finde schliesslich der Kontakt zur Basis statt. Seit der Fusion diverser Gewerkschaften zu Syndicom hat die Gewerkschaft mehrere Tausend Mitglieder verloren. Bei der Fusion im Jahr 2011 zählte sie 47 000 Mitglieder, mittlerweile sind es noch rund 35 000.

Ein immer wieder vorgebrachter Kritikpunkt der jüngeren Vergangenheit: dass Syndicom keine Antwort auf die Digitalisierung habe. Hier setzte die Gewerkschaft ein verbales Zeichen und verabschiedete ein Digitalmanifest.

Andreas Fagetti

Richtigstellung

In den WOZ-Artikeln «Umstrittene Wahl» (Nr. 45/2017) und «Syndicom wählt Münger» (Nr. 46/2017) sind uns bedauerlicherweise Fehler unterlaufen: Der heutige Syndicom-Präsident Daniel Münger wird in die Kritik genommen, indem auf einen internen Bericht verwiesen wird, der die Geschäftsleitung kritisiert. In jenem Zeitraum, den der Bericht untersucht hat, war Münger jedoch nicht Geschäftsleitungsmitglied. Des Weiteren wurde geschrieben, dass das ehemalige Gewerkschaftsmitglied Samuel Rüegger aus der Syndicom ausgetreten sei. Richtig ist, dass Rüegger ausgeschlossen wurde und dass dieser Ausschluss nicht im Zusammenhang mit dem internen Bericht steht. Weiter steht, dass die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung über den Verbleib von Geldern führe, die die Zentrale Arbeitsmarkt-Kontrolle (ZAK) von Basel-Landschaft – deren Vizepräsident Münger bis letztes Jahr war – zu wenig für Schwarzarbeitskontrollen ausgegeben habe. Die WOZ legt Wert auf die Präzisierung, dass die Untersuchung nicht gegen Münger, sondern gegen unbekannt läuft. Schliesslich hatte Münger keine Gelegenheit, im Artikel Stellung zu beziehen.