Agrarforschung: Mehr Bio, weniger Schwein

Nr. 47 –

Eine neue Studie zeigt: Biolandbau kann die Welt ernähren – aber nicht mit dem heutigen verschwenderischen Konsumverhalten.

Was ist Bio: eine lukrative Nische für die kaufkräftige Kundschaft? Oder eine Strategie, um die Welt zu ernähren?

Heute ist es klar das Erste. Hierzulande machen Bioprodukte bei den Grossverteilern 8,4 Prozent des Lebensmittelumsatzes aus, damit ist die Schweiz bereits Weltmeisterin. Als Nische tut Bio fast niemandem weh. Anders sähe es aus, wenn der Bioanteil global stark wachsen würde. Dann müssten Konzerne wie Syngenta, Monsanto oder – weniger bekannt – der grosse kanadische Düngerhersteller Agrium, die von Pestiziden, Gentechsaatgut oder Kunstdünger leben, ernsthaft um ihre Geschäfte fürchten.

Ein Argument, das ihnen in die Hände spielt, sind die Erträge, die in der biologischen Landwirtschaft generell tiefer sind als in der konventionellen. Das gilt zwar nicht überall – gerade auf den empfindlichen Böden der Tropen schneidet Bio oft sehr gut ab, wie ein Langzeitversuch des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zeigt (siehe WOZ Nr. 27/2016 ). Aber für die grossen Ackerbaugebiete in Europa und Nordamerika stimmt es. Das heisst: Um gleich viele Menschen zu ernähren, braucht Bio mehr Ackerfläche.

Bio gegen Regenwald?

Bio sei kein Modell für die Welt, sagen darum viele Fachleute. Denn ein höherer Flächenbedarf bedeutet mehr Druck auf die verbleibenden naturnahen Gebiete, insbesondere auf Wälder. Das Argument wiegt schwer: Wer will schon eine Produktionsmethode unterstützen, die womöglich zur Regenwaldabholzung beiträgt?

Doch ist es überhaupt sinnvoll, nur auf die Erträge zu schauen? Nein, meint Adrian Müller vom FiBL. «Um zu beurteilen, ob Bio für die Welternährung etwas taugt, ist es sinnvoller, das ganze Ernährungssystem in den Blick zu nehmen.» Das hat Müller zusammen mit Forschenden des FiBL und verschiedener Universitäten in einer Studie getan, die letzte Woche veröffentlicht wurde. Ihr Fazit: Ja, Bio kann die Welt ernähren, auch noch im Jahr 2050 bei über neun Milliarden Menschen – aber die Welt muss sich anders ernähren.

Die Forschenden haben dabei vorsichtig – also mit tiefen Bioerträgen – gerechnet: «Damit uns niemand vorwerfen kann, wir wollten Bio schönreden», sagt Müller. Als Ergebnis braucht eine auf hundert Prozent Bio umgestellte Landwirtschaft auch in dieser Studie mehr Fläche, als sich ökologisch vertreten lässt. Doch statt Bio als untauglich zu qualifizieren wie andere vor ihnen, fragten die AutorInnen: Wie liesse sich der Landverbrauch verringern? Sie fanden zwei wirksame Hebel: Nahrungsmittelverschwendung und Kraftfutter. Denn wenn weniger Lebensmittel auf dem Feld, im Laden oder im Kühlschrank vergammeln, muss man auch weniger anbauen, braucht also weniger Ackerfläche. Und wenn auf der Welt nicht so viele Tiere leben, die mit Getreide und Soja gefüttert werden, braucht man ebenfalls weniger.

Wichtige Grasfresser

Die Strategie, die Müller und seine MitautorInnen vorschlagen, heisst also: hundert Prozent Bio, Kampf gegen Verschwendung und viel weniger Tiere. Das Eiweiss aus dem Fleisch lässt sich leicht ersetzen, wenn Menschen mehr Hülsenfrüchte essen – die erst noch die Felder düngen, denn sie leben in Symbiose mit Bakterien, die Stickstoff aus der Luft in den Boden bringen.

Damit diese Strategie aufgeht, müssten achtzig Prozent der Hühner und neunzig Prozent der Schweine verschwinden. Wiederkäuer wie Rinder und Schafe spielen allerdings weiterhin eine wichtige Rolle: Sie nutzen «Ressourcen, die sonst für die menschliche Ernährung nicht nutzbar wären, nämlich Gras- und Weideland», wie die AutorInnen in der Fachzeitschrift «Nature Communications» schreiben.

Hundert Prozent Bio ist nur ein Modell – aber eins, das Mut macht. Die Umstellung brächte eine Vielzahl positiver Effekte: Weniger Menschen würden krank vom vielen Fleisch; niemand würde sich mehr mit synthetischen Pestiziden vergiften; die von zu viel Kunstdünger strapazierten Böden könnten sich erholen; es gäbe keine für die Artenvielfalt schädliche Stickstoffüberdüngung mehr. Auf all diese Aspekte gehen die AutorInnen nicht näher ein. Sie zeigen einfach: Agronomisch ist es möglich. Und sie betonen, dass es schon viel bringen würde, die Strategie auch nur teilweise umzusetzen.