Fussball und andere Randsportarten: Die Nati spielt auf Blocher TV
Etrit Hasler über die Folgen eines SRG-Verbots für den Sport
Anscheinend befinden wir uns ja in einer Art Ausnahmezustand. Anders kann ich es mir nicht recht erklären, dass der Abstimmungskampf um eine Initiative aus einem schummrig-verschwörungstheoretischen Milieu schon vier Monate vor dem Abstimmungstermin im Gang ist. Die Rede ist natürlich von der SRG-Verbot-Initiative, deren «richtigen» Namen ich nicht nenne, weil er ein Etikettenschwindel ist.
Dass die Initiative insbesondere den Sport betrifft, liegt in der Natur der Sache: Die Zeiten von Radioübertragungen sind endgültig vorbei – mit Ausnahme des durchgeknallten «Adrenalin»-Teams auf toxic.fm macht sich diese Mühe kaum mehr jemand –, Onlineangebote sind spärlich und qualitativ lausig. Wer sich die Mühe nicht macht, selber ins Stadion zu gehen, ist aufs Fernsehen angewiesen. Kein Wunder, wendet die SRG zwischen acht und zwölf Prozent der Sendezeit für den Sport auf. Die zehn zuschauerInnenstärksten Sendungen aller Zeiten im Schweizer Fernsehen waren Liveübertragungen der Fussballnationalmannschaft der Männer – vorneweg das langweiligste Fussballspiel aller Zeiten, die Barragepartie gegen Nordirland.
Kein Wunder auch, werfen die BefürworterInnen der Initiative gern ein, es sei nicht Teil des Service public, dem hyperkommerzialisierten Sport und seinen korrupten Funktionären für überteuerte Übertragungsrechte regelmässig Millionenbeträge in den Rachen zu werfen. So verstieg sich Nationalrat Claudio Zanetti in der parlamentarischen Debatte sogar zur Aussage, dass diese enormen Summen dazu führten, «dass in gewissen Sportkategorien enorme Transfersummen bezahlt werden können oder dass sportliche Grossveranstaltungen enorme Summen verschlingen». Eine wunderschöne Verkürzung: Die SRG ist also daran schuld, dass Paris Saint-Germain 222 Millionen Euro für den Neymar-Transfer bezahlen darf.
Man kann sich vorstellen, dass es Zanetti gut ins Bild passte, dass sich letzte Woche auch noch Swiss Olympic gegen die Initiative zu Wort meldete und insbesondere die SRG als «einen der wichtigsten Sportförderer der Schweiz» bezeichnete. Denn was ist Swiss Olympic anderes als eine Organisation, die den Wettbewerb um die Übertragungsrechte mit anheizt, die es sich in den letzten Jahrzehnten scheinbar zur Hauptaufgabe gemacht hat, aussichtslose Olympiakandidaturen zu lancieren – wenn immer möglich an allen demokratischen Hürden vorbei – und natürlich vor allem jene Sportarten zu fördern, die die Massen vor Fernsehbildschirme zerren?
Sosehr ich das Klischee der dubiosen Sportfunktionäre mag und pflege – hier ist es ausnahmsweise fehl am Platz. Denn wenn eines klar ist: Der Fifa, der Uefa und auch dem IOK ist es völlig egal, wem sie ihre Übertragungsrechte verkaufen – vor ein paar Jahren gingen zum Beispiel die Übertragungsrechte der Champions League an den – meistbietenden – Frauensender tm3. Und was wäre anders, wenn wir die Nati auf Blocher TV schauen müssten, ausser vielleicht, dass sie nur noch die «echten Eidgenossen» namentlich erwähnen würden?
Was wäre denn so falsch daran, wenn wir Giulia Steingruber im besten Fall noch bei Weltmeisterschaften verfolgen könnten, vielleicht auf dem Livestream via China, die einzige andere Nation, die sich für Kunstturnen interessiert? Was spricht schon dagegen, sich Skirennen auf ORF ansehen zu müssen – ausser den KommentatorInnen, die zwar auch nicht dümmer sind, aber halt Österreicher? Dann stellt man halt den Ton ab und hört Musik, vielleicht Death Metal, wenn sich Lara Gut todesmutig die Hügel hinunterschmeisst. Und die Fussballweltmeisterschaft der Frauen braucht man vielleicht gar nicht zu sehen – die kann man sich genauso gut vorstellen.
Dass wir uns richtig verstehen: Ich wäre froh um eine Debatte, wie viel Geld die SRG für Übertragungen von Spitzensport ausgeben soll. Nur: Darüber stimmen wir am 4. März nicht ab.
Etrit Hasler sieht sich Sport auch lieber am Fernseher als im Stadion an.