Auf allen Kanälen: Jenseitige Summen

Nr. 42 –

Der Kampf um die Übertragungsrechte im Fussball wird mit viel Geld geführt – meist öffentlichem.

2019 ist das wohl langweiligste Wahljahr seit langem. Zum Glück gibt es da noch Jacqueline Badran, die irgendwann mit einer Schnapsidee hereinplatzte. Anfang Oktober enervierte sich die Zürcher SP-Nationalrätin im «Blick» darüber, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Fussball-EM 2024 womöglich nicht mehr zeigen könnte, weil die Übertragungsrechte für SRF zu teuer sein könnten. Sie forderte kurzerhand, dass «alle Sportereignisse von Schweizer Interesse im Free-TV zu sehen sein müssen».

Kosten sind geheim

Ganz unrecht hat Badran nicht: Es war eine grosse Aufregung letzten Sommer, als bekannt wurde, dass die Schweizer Fussballliga sowie neu auch die Champions League von Teleclub, der im Besitz von Swisscom ist, übertragen werden – während dem öffentlich-rechtlichen SRF nur noch ein paar wenige Spiele bleiben. Der Grund dafür ist banal: Es war für die SRG immer schwieriger geworden, im Wettbewerb um die überteuerten Sportrechte weiter mitzuspielen, schon bevor ihr im Kontext der No-Billag-Initiative in vorauseilendem Gehorsam die Budgets gekürzt wurden.

In den letzten Jahren wendete die SRG für die Sportübertragungsrechte im Schnitt pro Jahr 48 Millionen Franken auf. Wie viel davon in den Fussball floss, ist unklar. Fakt ist, dass die Schweizer Fussballliga ihre Übertragungsrechte für insgesamt 40 Millionen Franken verkauft hat – den Löwenanteil davon wird wohl Teleclub bezahlt haben, der die meisten Spiele überträgt. Wie viel die Rechte an der Champions League zusätzlich kosten, ist geheim. Bekannt ist jedoch, dass das deutsche ZDF 54 Millionen Euro pro Saison bezahlte, um achtzehn Spiele pro Jahr zu zeigen. Seit der Saison 2018/2019 überträgt das ZDF gar keine Champions-League-Spiele mehr.

Die Summen sind jenseits, wie so manches im Spitzensport – und wie die «Handelszeitung» schon letzten Herbst schrieb, ist zu «bezweifeln, dass der ‹Verkauf› dieser bezahlten Sportevents für sich allein betrachtet rentabel ist». Vielmehr gehe es den Bezahlsendern darum, ihre Ausgaben über den Verkauf von Empfangsboxen und Programmpaketen wieder hereinzuholen – was die SRG nicht kann.

In einem funktionierenden Markt könnte das öffentlich-rechtliche Fernsehen an sich den kommerziellen Sport getrost den Privatsendern überlassen. Doch in der Schweiz gibt es keinen funktionierenden Medienmarkt. Der ehemalige Spielfilmsender Teleclub gehört längst der Swisscom, seit 2017 zu hundert Prozent, die «unabhängigen» Regionalfernsehsender Tamedia, der NZZ- und der AZ-Gruppe. Diese überleben mit wenigen Ausnahmen nur dank der Radio- und Fernsehgebühren. Der einzige private Sender, der noch in irgendeiner Form konkurrieren könnte, ist Mysports One, das von UPC – früher Cablecom – gestartete Sportfernsehen. Dieses hat dem SRF die Rechte für Eishockey abgejagt, so wie es Teleclub im Fussball getan hat. Anders formuliert: Es ist ein Markt, der mit grösstenteils staatlicher Beteiligung am Leben erhalten wird – und wenn die Player im Kampf um Sportübertragungsrechte einander überbieten, treiben sie die Preise mit öffentlichen Geldern in die Höhe.

Die «grossen Vier»

Wie es in einem «funktionierenden» Medienmarkt aussehen kann, zeigt das Beispiel England. Dort begann die Geschichte des modernen (lies: kommerziellen) Fussballs mit einem Streit um die TV-Rechte. Weil die «grossen Vier» des englischen Fussballs über die Einnahmen aus der Fernsehübertragung unzufrieden waren, drohten sie Ende der achtziger Jahre damit, eine eigene Liga zu gründen. 1992 wurde die Premier League als eigenständiges Unternehmen im Besitz der Klubs gegründet und handelte unabhängig vom britischen Fussballverband FA Übertragungsrechte aus. Mit Erfolg: Erhielten die Klubs 1988 noch knapp 600 000 Pfund im Jahr, sind es heute im Schnitt über 8 Millionen Pfund für jedes Spiel der Liga. Die öffentlich-rechtliche BBC zog sich aus dem Livefussball zurück und zeigt heute nur noch die Weltmeisterschaften. Geschadet hat es ihr kaum. Mit einem Marktanteil von 31 Prozent ist sie immer noch die grösste aller britischen Fernsehstationen – auch ohne Premier und Champions League.

Wenn Jacqueline Badran sagt, dass bei der aktuellen Entwicklung in der Schweiz ein Teil des Service public verloren gehe, hat sie natürlich recht. Doch ein Wettbewerb zwischen Sendern in staatlichem Besitz nützt niemandem – ausser natürlich den Rechteinhabern.