Spielfilm «La Belle et la Meute»: Ungebrochene Heldin

Nr. 48 –

Die junge Frau trägt ein verführerisches blaues Trägerkleid, vergnügt schäkert sie mit ihren beiden Kolleginnen. Wir sind auf einer StudentInnenparty in Tunis, bald lacht sich Mariam einen gut aussehenden Kommilitonen an. Doch der für maghrebinische Verhältnisse ungewohnt lustvolle Einstieg endet jäh nach wenigen Minuten. Völlig zerzaust und laut schreiend torkelt die offensichtlich traumatisierte Partygängerin über die Strasse: Vor dem Lokal wurde sie von zwei Polizisten in deren Dienstwagen vergewaltigt. Nun begleitet sie ihr Tanzpartner Youssef auf der Suche nach dem nächsten Spital, um ein Attest zu erhalten, damit die Vergewaltiger angezeigt werden können.

«La Belle et la Meute» basiert auf einem realen Fall, der 2012 in den tunesischen Medien breit thematisiert wurde. Regisseurin Kaouther Ben Hania, geboren 1977, geht es in ihrem zweiten Spielfilm nicht um die Inszenierung der Gewalt, sondern vielmehr um die institutionelle patriarchale Repression, die ihrer Heldin beim vergeblichen Versuch, ihre beiden uniformierten Peiniger anzuzeigen, widerfährt. Die nächtliche Odyssee führt Mariam durch medizinische und polizeiliche Räume: Im Spital bringt ihr das weibliche Personal keinerlei Empathie entgegen, die Einvernahme durch die Polizeibeamten entwickelt sich zum sadistischen Erniedrigungsritual. Der Gang durch die Institutionen wird zum klaustrophobischen Albtraum. Je sadistischer die mutige Protagonistin von ihren Peinigern verbal und moralisch in die Enge getrieben wird, desto zäher leistet sie Widerstand. Als ungebrochene Heldin beharrt Mariam bis zum Schluss auf ihrem in der Verfassung verankerten Recht.

Kaouther Ben Hania erzählt elliptisch und in langen Sequenzen. Neben der von Mariam Al Ferjani brillant gespielten Hauptfigur wirken die männlichen Protagonisten in «La Belle et la Meute» trotz ihres perfekt inszenierten sadistischen Gebarens recht blutleer – das von der Regisseurin intendierte Spiel mit dem Genre des Horrorfilms kommt deshalb nicht wirklich zum Tragen.

Neu im Kino ab 30. November 2017.

La Belle et la Meute. Regie: Kaouther Ben Hania. Tunesien 2017