Kost und Logis: Silvester mit B Yamagata
Karin Hoffsten erwischte es im verschneiten Berggebiet
Dass am Ratschlag «Gehen Sie nicht mit Grippe ins Büro!» etwas nicht stimmt, versuchen Fachleute der Bevölkerung seit Jahren klarzumachen. Wer sich noch ins Büro schleppt, hat einen grippalen Infekt, eine Erkältung mit Schnupfen, Husten und all den ekligen Symptomen, die dazugehören, und sollte tatsächlich zu Hause bleiben. Vom echten Grippevirus befallen, geht niemand mehr ins Büro. Mit einer Influenza ist man froh, wenn mans grade noch aus dem Bett schafft, um seine Notdurft zu verrichten. Der Rest ist Fieber, Übelkeit und Schmerz.
Ich lasse mich seit einiger Zeit jährlich gegen Grippe impfen, weil ich zu einer Risikogruppe gehöre. Am selben Tag, als ich in der Zeitung las, dass beim diesjährigen Impfmix der Virenstamm B Yamagata unterschätzt worden sei, der jetzt auch viele Geimpfte ergriffen habe, warf es mich aufs Lager. Es war am Stephanstag im Ferienhaus, geplant war Silvester mit FreundInnen im Schnee – ich musste absagen, und täglich wuchs mein Bedürfnis nach ärztlichem Beistand. Aber Feiertage heissen Feiertage, weil alle feiern.
Meine Hausärztin war nicht erreichbar, der nette Herr am Zürcher Ärztefon riet mir, im nächsten Hotel nachzufragen, wen man rufe, wenn Gäste krank seien. Draussen schneite und schneite es, längst türmten sich meterhohe Schneemassen ums Haus, und einmal täglich schnallte sich der Mann an meiner Seite die Schneeschuhe unter die Füsse und kämpfte sich durch Sturm Burglind zum kleinen Supermarkt, um uns zu versorgen.
Unter der ärztlichen Notfallnummer für die Region hörte man statt eines Klingelzeichens immer nur vom Tonband ohne weitere Erklärung den Satz: «Sie können diese Nummer leider nicht anrufen.» Nach dem gefühlt 75. Mal rief ich wütend den Apothekennotfall an und fragte, warum denn da niemand dran gehe. «Oje», rief eine Dame, «da ist nur eine einzige junge Ärztin, die ist eine ganz Arme, die hat ja sooooo viel zu tun, und die ist ganz allein!»
Von der Assistentin des diensthabenden Hausarztes der Region hörte ich, dass der Herr Doktor sicher keine Hausbesuche machen könne, auch ans Telefon bekam ich ihn nicht – ich solle vorbeikommen. Während ich bereits Fantasien zu entwickeln begann, man müsse mich notfalls mit dem Helikopter bergen, zeigte des Doktors nicht diensthabender Kollege Herz, sprach am Telefon mit mir und sandte der einzig offenen Apotheke im Tal ein Rezept, das mein Gefährte mittels Seilbahnfahrt einlösen konnte.
Inzwischen bin ich wieder gesund und wohl für immer gegen Attacken von B Yamagata immun. Menschen, die Zweifel haben, ob sie an einer «echten» Grippe oder an einem grippalen Effekt erkrankt sind, können sich an mich wenden: Ich kenne die Symptome. Und weil ich sie kenne, werde ich mich auch weiterhin impfen lassen, denn meistens hats ja funktioniert. Übers Thema «Impfgegnerschaft als Konfession» lass ich mich gern mal wann anders aus.
Karin Hoffsten kann nicht verhehlen, dass ihr die weitverbreitete Impfaskese bei medizinischem Personal in Spitälern unheimlich ist.