Sans-papiers: Hoffen auf die Einsicht der CVP

Nr. 6 –

In den USA sind sie in diesen Wochen ein grosses Politikum: die sogenannten «Dreamer». Präsident Barack Obama erliess während seiner Amtszeit ein Schutzprogramm für die Kinder illegalisierter EinwanderInnen. Hunderttausende bekamen das Aufenthaltsrecht gewährt. Sein Nachfolger Donald Trump droht nun aber damit, das Programm zu streichen. Die «Dreamer» sind inzwischen zum Pfand in den Verhandlungen zwischen den DemokratInnen und den RepublikanerInnen um das Haushaltsbudget geworden.

Doch man muss gar nicht in die USA blicken: In der Schweiz leben schätzungsweise 80 000 Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus, manche Erhebungen gehen gar von 200 000 aus. Und während in den USA der Trump-Ära die Regularisierungsdebatte tobt, fordert hierzulande eine Gruppe von ParlamentarierInnen weitreichende Verschärfungen gegenüber Sans-Papiers.

Die Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit (SGK) hat vergangene Woche eine entsprechende Motion eingereicht. Konkret will die Mehrheit der SGK Sans-Papiers den Rechtsanspruch auf Sozialversicherungsleistungen verwehren, im Krankheitsfall soll eine staatliche Anlaufstelle die Versorgung sicherstellen. Weiter will die SGK-Mehrheit künftig Wohnungsvermieterinnen und Arbeitgeber von Sans-Papiers härter bestrafen und Schulen dazu verpflichten, papierlose SchülerInnen den Behörden zu melden.

Die Motion zeigt, wie sehr sich der Diskurs gerade in der Migrations- und Sozialpolitik nach rechts verschoben hat. Vor allem aber ist sie ein fundamentaler Angriff auf die Grundrechte von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Schon heute schulen viele Sans-Papiers ihre Kinder aus Angst vor den Behörden nicht ein. Die neue Regelung würde es papierlosen Eltern komplett verunmöglichen, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Die Kinder und Jugendlichen verlören damit das Recht auf Bildung und würden noch mehr von der Gesellschaft isoliert. Dasselbe gilt für die vorgesehenen staatlichen Gesundheitszentren: Wie zynisch wäre es, die Gesundheitsversorgung scheinbar zu garantieren, indem man Menschen im Krankheitsfall verpflichtet, sich dem Staat zu stellen?

Dass die Anzahl von Papierlosen in der Schweiz steigt, hat plausible Gründe: Menschen werden einerseits in die Illegalität getrieben, weil sich die Asylgesetzgebung laufend verschärft. Andererseits haben MigrantInnen aus Drittländern keine Chance, hier legal Arbeit zu finden. Das hält Menschen, die in ihren Herkunftsländern keine Perspektiven haben, nicht davon ab, in der reichen Schweiz eine Zukunft zu suchen. In den Kantonen und Städten haben sich längst zahlreiche Initiativen gegründet, die dieser Realität mit Pragmatismus begegnen. Anlaufstellen für Sans-Papiers beraten diese, wie sie ihre Grundrechte einfordern können. Im Kanton Genf hat FDP-Regierungsrat Pierre Maudet mit der Operation Papyrus Hunderte «Illegaler» regularisiert. Die Stadt Zürich wiederum arbeitet an der Lancierung einer «City Card», die nach dem Vorbild von Städten wie New York oder Toronto allen BewohnerInnen soziale Teilhabe ermöglichen will.

Vorstösse, die auf nationaler Ebene die Situation der Papierlosen verbessern wollten, hatten im vergangenen Jahrzehnt keine Chance. Stattdessen kamen Verschärfungen wie zum Beispiel das von SVP-Nationalrat Toni Brunner eingebrachte Heiratsverbot. Der jetzige Angriff droht alle Bemühungen der Städte und Kantone zu torpedieren: Werden die Grundrechte tatsächlich ausgehebelt, kann auch keine Organisation mehr für deren Umsetzung einstehen. Das bedeutete eine Zäsur in der Sans-Papiers-Politik.

Die Motion der SGK wird am 7. März vom Nationalrat behandelt, der wohl seiner Kommission folgen wird. Ob später der Ständerat für eine Überweisung sorgt, hängt von der CVP-Fraktion im Ständerat ab. Wenig erbaulich, dass alleine deren Mitglieder verhindern können, dass die Schweiz alle bisherigen Fortschritte in der Sans-Papiers-Politik zunichtemacht. Bleibt nur die Hoffnung, dass sich die ChristdemokratInnen nicht blind vom Verschärfungsgeist treiben lassen, der in Bern herrscht.