Vitznau: Wohin mit dem rosa Ungetüm?

Nr. 7 –

Der österreichische Investor Peter Pühringer schenkt der Luzerner Gemeinde Vitznau Millionen und will ihr «Innovation» verordnen – ganz nach seinem Gusto. Nun wird ein schwimmender Stahlkoloss zum Symbol für die Spaltung der Gemeinde.

Nächste Station Vitznau? Die «Seerose»-Plattform im Hafen von Flüelen.

Die Plattform aus Stahl hat einen Durchmesser von 48 Metern und wiegt 450 Tonnen. Gegenwärtig ankert sie im Hafen von Flüelen im Kanton Uri. Sie heisst «Seerose», denn bei geöffnetem Dach gleicht sie dieser Wasserblume.

Die «Seerose» ist eine Eventplattform für 700 Gäste. 2015 wurde sie während eines touristischen Festivals auf dem Vierwaldstättersee herumgeschleppt. Damals erstrahlte sie in einem knalligen Pink, davon bleibt heute nur noch die Anmutung einer bleichen Lyoner Wurst.

Der Stahlkoloss gehört der Park Hotel Vitznau AG des österreichischen Investors und Vermögensverwalters Peter Pühringer. Er residiert mitsamt Family Office im Park Hotel in Vitznau. Pühringer verguckte sich in die Plattform und kaufte sie. Er hat eine Vision: Die «Seerose» soll von Flüelen nach Vitznau geschleppt und dort fix verankert werden. Auftreten sollen etwa die Wiener Sängerknaben, die Pühringer sponsert, oder junge MusikerInnen. Vorbild sind die Bregenzer Festspiele, die ebenfalls eine Seebühne bespielen.

Grosse Gesten, forsches Tempo

In Flüelen war die «Seerose» eigentlich nur vorübergehend geduldet, sie hätte Ende Oktober 2017 wieder verschwinden sollen. Weil nichts passierte, kommt es jetzt zum juristischen Streit zwischen dem Kanton Uri und der Besitzerin.

Offenbar erstand Pühringer den Stahlkoloss, ohne abzuklären, wo er verankert werden könnte. Es gibt Klärungsbedarf, doch die Interviewanfrage bleibt beim Kader hängen. «Peter Pühringer gibt keine Interviews», sagt Markus Knopf, Verwaltungsrat unter anderem der Park Hotel Vitznau AG.

Die «Seerose» ist eines vieler Projekte, mit denen Peter Pühringer die Gemeinde Vitznau nach seinem Gusto umbauen will. Der Investor ist ein Mann der grossen Gesten und des forschen Tempos. So fiel er, als er von Wien ins 1350-EinwohnerInnen-Dorf am Fuss des Rigi-Südhangs zog, gleich mit der Tür ins Haus: 2011 überwies er der Gemeinde eine Donation von fünf Millionen Franken, um eine Steuersenkung zu erwirken. Die StimmbürgerInnen nickten das ab.

Nur wenige warnten vor einer fatalen Abhängigkeit. Zu ihnen gehörte die frühere Bundesrichterin Ursula Widmer, eine Nachbarin des Park Hotel. Sie sollte recht bekommen: Im Jahr 2014 stellte das Bundesgericht eine unzulässige Verstrickung zwischen Peter Pühringer und Gemeindepräsident Noldi Küttel (CVP) sowie Bauchef Alex Waldis (FDP) fest. Es ging um das Vorhaben des Investors, ein Aparthotel und Villen zu bauen (siehe WOZ Nr. 34/2014 ).

Seither ist die Unabhängigkeit des Gemeinderats ein Dauerthema. Denn Pühringers Einfluss bleibt gross. So sitzt Kadermann Walter Maier von der Park Hotel Vitznau Immobilien AG in der Baukommission, und Pühringer selbst sowie Verwaltungsrat Markus Knopf wirken in der Arbeitsgruppe Vernetzung Vitznau (AGVV) mit, die dem Gemeinderat Inputs für die Gemeindeentwicklung liefern soll.

Gemeindeammann Alex Waldis dementiert zu viel Nähe. «Der Gemeinderat hat für alle Anliegen ein offenes Ohr, letztlich aber hält sich die Gemeindebehörde an die gesetzlichen Vorgaben.» Waldis betont aber auch, wie wichtig innovative Ideen für die Gemeindeentwicklung seien. So habe Peter Pühringer im Park Hotel über hundert Arbeitsplätze geschaffen. Weitere sollen dazukommen.

Alex Waldis denkt dabei an das Projekt mit Hotel und Villen, das zusätzlich mit einem «Innovationspark Vitznau» ergänzt werden soll. Dieser Park umfasst Forschungsinstitute etwa im Bereich Finanzen, Hörsäle, Konferenzräume, einen Konzertsaal mit 400 Plätzen, eine Markthalle, eine Bierbrauerei und eine Kaffeerösterei. Im Moment läuft das Gestaltungsplanverfahren.

Grössenwahnsinnig sei das, finden einige wenige VitznauerInnen. Doch Pühringer mag keinen Widerspruch. Wer sich trotzdem kritisch äussert, riskiert, an Versammlungen als Verhinderer abgekanzelt zu werden. Geschmeidig wie er ist, hat er seine Bauvorhaben kurzerhand in «Donatorenprojekte» umetikettiert, um GegnerInnen moralisch unter Druck zu setzen. NachbarInnen drohte er mit Entschädigungsklagen, um ihren Widerstand als EinsprecherInnen zu brechen.

Eine von ihnen, die schon erwähnte frühere Bundesrichterin Ursula Widmer, sagt dazu: «Ich nutze meine Möglichkeiten, so wie es der Rechtsstaat vorsieht.» Und das mit Erfolg: Im November hob das Kantonsgericht Luzern die Baubewilligung für ein Apart- und Personalhaus der Park Hotel Vitznau AG in der Nachbarschaft auf. Umstritten waren vor allem die Dimensionen des Neubaus. «Die Gemeinde hat alle Wünsche des Bauherrn durchgewunken. Das Kantonsgericht hat entschieden, dass das so nicht statthaft ist», sagt Michael Stalder, Anwalt mehrerer EinsprecherInnen. Der Fall liegt nun vor Bundesgericht. Verwaltungsrat Markus Knopf schreibt über die Konflikte: «Wir nehmen die Wünsche, Sorgen und Anregungen unserer Nachbarn sehr ernst und versuchen, diese in den individuellen Planungen zu berücksichtigen.»

Auf Biegen und Brechen

Stoppen aber lässt sich der 76-jährige Investor nicht. Die «Seerose» ist Pühringers nächster Streich. Er will sie unbedingt vor Vitznau in den See pflanzen. Doch bisher scheiterte die Suche nach Ankerplätzen kläglich. Es hagelte Einsprachen.

Eine kommt vom Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee (LSVV). «Wir werden uns mit allen Mitteln gegen eine Stationierung der ‹Seerose› in Vitznau wehren», sagt Präsident Urs Steiger. «Denn sie hat hier, mitten im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung, keinen Platz.» Die Eigentümerin würde die «Seerose» auf Biegen und Brechen nach Vitznau holen wollen. «Doch sie sollten einsehen, dass dies hier nicht möglich ist.»

Doch die Eigentümerin lässt nicht locker. Das zeigt das Protokoll einer Besprechung, die am 25. Januar auf der kantonalen Dienststelle für Raum und Wirtschaft in Luzern stattfand. TeilnehmerInnen waren unter anderem Markus Knopf von der Park Hotel Vitznau AG und zwei Gemeinderätinnen. Im Papier heisst es: «In der Gemeinde Vitznau soll (…) der Standort direkt neben der Hafenanlage weiter verfolgt werden.» Dazu soll die Park Hotel Vitznau AG ein Gesuch für die Erweiterung der Hafenzone ausarbeiten. Auch die Gemeinde ist mit an Bord: «Der Gemeinderat unterstützt (…) das Begehren nach wie vor.»

Die Reaktionen sind vehement. «Die ‹Seerose›-Eigentümerin und der Gemeinderat Vitznau entscheiden über die Köpfe der Leute hinweg», kritisiert Thérèse Künzli. Sie besitzt ein Haus am See und hat im Spätsommer 2017 eine Interessengemeinschaft gegen die Stationierung der «Seerose» gegründet. «Das ist eine grenzenlose Überheblichkeit.»

Bis jetzt wagten nur wenige VitznauerInnen, Peter Pühringer die Stirn zu bieten. Aber jetzt, wo er dem kleinen Dorf den Stahlkoloss vor die Nase setzen will, rumort es in der Bevölkerung. Innert weniger Wochen sind 240 VitznauerInnen der IG gegen die Stationierung der «Seerose» beigetreten.

Nachtrag vom 7. Juni 2018 : Nur noch Schrott

Der österreichische Investor Peter Pühringer will die ZentralschweizerInnen unbedingt mit einer «Perle» beglücken, die sie nicht wollen. Jetzt ist er gescheitert. Der Investor übernahm 2015 von einem Tourismusfestival eine schwimmende Eventplattform aus 450 Tonnen Stahl, ein rosa Ungetüm in Form einer Seerose. Er wollte sie vor seinem Luxushotel Park Hotel Vitznau in den See pflanzen und für ein Jugendmusikprojekt nutzen. Doch Nachbarn, Landschaftsschützerinnen und immer mehr VitznauerInnen widersetzten sich. Darum ankerte die Seerose seit Jahren in Flüelen (Uri). Aber auch da hätte sie schon längst verschwinden müssen.

Peter Pühringer liess nicht locker. Vor rund zwei Wochen erklärte er, die vor sich hin rostende Seerose solle verkleinert und als «eine Perle» neu rund um den Vierwaldstättersee andocken: Lokale Vereine und Kulturschaffende sollten sie als Plattform nutzen, begleitet von kommerziellen Events. Den Umbau wollte Pühringer in Nidwalden vornehmen, doch das Gesuch für einen Standplatz war unvollständig.

Trotz Verkleinerungsabsichten – das Grundproblem blieb: Der Vierwaldstättersee gehört zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung, was bedeutet, dass er grösstmöglich geschont werden muss. Darauf pocht der Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee: «Die geplanten Nutzungen kann man problemlos auch auf dem Land machen», sagt Präsident Urs Steiger.

Zuletzt scheiterte ein Gesuch für eine weitere Ankerbewilligung in Flüelen. Die Geduld der UrnerInnen ist zu Ende. Nun soll das rosa Ungetüm verschrottet werden. Die Seerose ist zum Symbol für die gescheiterten Visionen eines Mannes geworden, der im Alleingang seine Projekte durchziehen will, ohne die Bevölkerung miteinzubeziehen.
Robert Müller