Kommentar zur Beziehung Schweiz–Eritrea: Zynische Eritrea-Debatte
Die Forderung der SVP nach einer Botschaft in Eritrea hat nur ein Ziel: ein Rückübernahmeabkommen mit dem eritreischen Regime.
Die Motion stammt von SVP-Nationalrat Maximilian Reimann: Die Schweiz habe in Eritrea sofort eine Botschaft zu eröffnen. Der Nationalrat hat Reimanns Vorstoss im Sommer 2017 mit grosser Mehrheit angenommen. Und auch der Ständerat folgte im Winter dem SVP-Anliegen – mit der vom Bundesrat eingebrachten Einschränkung, man müsse erst einmal die diplomatische Präsenz verstärken. Das langfristige Ziel bleibt freilich das gleiche. Am Erscheinungstag dieser WOZ geht die Motion zurück in den Nationalrat. Damit führt das Parlament eine Debatte weiter, die so zynisch ist wie falsch.
EritreerInnen bilden seit Jahren eine der grössten Flüchtlingsgruppen in der Schweiz. Mit ihnen lässt sich deshalb vorzüglich Politik machen. Es war die «Weltwoche», die die Hetze eröffnete: «Eritrea ist besser als sein Ruf», betitelte das Blatt einen Bericht aus dem Jahr 2014, nachdem es zuvor die Wut auf die eritreischen «Sozialhilfeschmarotzer» geschürt hatte.
Inzwischen hat man sich schon fast daran gewöhnt: Die Frage, wie schlimm es in Eritrea tatsächlich sei, ist zum medialen Dauerbrenner geworden. Das Ziel ist klar: Flüchtlingszahlen reduzieren. Dafür wird die Untergrabung von Menschenrechten in Kauf genommen. Berichte von Menschenrechtsorganisationen oder der Uno werden in Zweifel gezogen, obwohl diese bezeugen, dass in Eritrea Menschen im Militärdienst «versklavt» werden, dass ihnen Vergewaltigungen drohen und sie gefoltert werden. Ebenso erwiesen ist, dass das Justizsystem willkürlich ist: Weder hat der Einparteienstaat ein funktionierendes Rechtssystem, noch hat dort jemals ein Parlament getagt.
Doch auch diese Fakten haben zahlreiche PolitikerInnen nicht davon abgehalten, sich in Eritrea selbst ein Bild von der Lage zu machen. Selbst Linke wie die Nationalrätin Yvonne Feri (SP) und die ehemalige Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (Grüne) liessen sich vor den Karren des Regimes (und des regierungsfreundlichen Schweizer Generalkonsuls Toni Locher) spannen, begutachteten in Eritrea staatliche Institutionen und berichteten nach ihrer Rückkehr, sie hätten ganz viel Gutes gesehen. Damit haben sie entscheidend dazu beigetragen, dass die Schweiz in den vergangenen Jahren eine Reihe an Verschärfungen beschlossen hat.
Seit der Asylgesetzrevision 2013 wird eine Militärdienstverweigerung (die meisten EritreerInnen fliehen vor dem Dienst in der Armee) nicht mehr als Asylgrund anerkannt. Weil diese Massnahme nicht den gewünschten Effekt gebracht hatte, ging das Staatssekretariat für Migration (SEM) 2016 noch einen Schritt weiter: Es beschloss, auch die vorläufige Aufnahme einzuschränken. Das SEM argumentiert, dass EritreerInnen, die noch nicht zum Militärdienst aufgeboten wurden oder diesen bereits erfüllt hätten, bei einer Rückkehr keine unmenschliche Strafe mehr fürchten müssten – eine Feststellung, der unabhängige BeobachterInnen widersprechen.
Doch die Schweiz hat ein Problem: Sie kann ihre Gesetzte zwar verschärfen, eritreische Flüchtlinge aber nicht ausschaffen – weshalb die neuen Gesetze bloss neue Sans-Papiers schaffen. Die Forderung der SVP nach einer Botschaft in Eritrea hat nur ein Ziel: die Aushandlung eines Rückübernahmeabkommens mit dem eritreischen Regime. Zwar verknüpfen PolitikerInnen links von der SVP dieses Ziel mit der Forderung nach einem Dialog über Menschenrechte. Genau das aber ist äusserst problematisch: Eritrea lässt keine Untersuchungskommissionen ins Land, es lässt keine Gefängnisbesuche zu, die Regierung hat die Informationshoheit.
Aus ebendiesen Gründen hat sich die Schweiz 2006 aus Eritrea zurückgezogen. Kehrt sie nun dorthin zurück, macht sie sich nicht nur äusserst unglaubwürdig, sondern auch erpressbar. Schliesslich kennt Eritrea den Zweck der Mission. Will die Schweiz den Menschenrechtsdialog ernsthaft fördern, sollte sie die Bemühungen von Menschenrechtsorganisationen unterstützen, die das Gespräch mit der eritreischen Regierung suchen. Stattdessen lässt sie sich von Eigeninteressen leiten, die zugleich dem Regime in die Hände spielen.