Plädoyer 2: Slam-Poetry: Performance als Botschaft

Nr. 18 –

Dank Bühnenpräsenz fesseln SlampoetInnen auch mit banalen Inhalten.

Der US-Rapper Mos Def schrieb einst: «Der perfekte Slampoet wird dir das Telefonbuch vorlesen, und du hörst zu.» Womit er schmeichelhaft festhielt, dass SlammerInnen über eine enorme Bühnenpräsenz verfügen, die ein Publikum selbst mit banalsten Inhalten zu fesseln vermag – und gleichzeitig implizierte, dass die meisten SlampoetInnen mehr auf ihre Bühnenfertigkeit als auf die Inhalte ihrer Texte fokussiert seien. Wahrscheinlich hatte er mit beidem recht.

Tatsache ist, dass die Slam-Poetry-Bewegung aus der Ablehnung des Phänomens bestand, dass Lesungen im 20. Jahrhundert meist dröge Angelegenheiten waren, bei der meist ergraute männliche Autoren bei einem Glas Wasser an einem Tisch mit Grabesstimme aus ihren Werken vortrugen – wohl weil sie davon ausgingen, dass der quasi-ätherische Inhalt so stark sei, dass er selbst dann beim Publikum ankommen würde, wenn man es bewusst einschläferte. Immer mit der Ausrede, man sei halt nicht SchauspielerIn, sondern AutorIn.

Nun, auch SlampoetInnen sind keine SchauspielerInnen – was uns aber nicht davon abhält, Texte zu gestalten. Wir sind der festen Überzeugung (und das manifestiert sich im Wettbewerb und eben nicht umgekehrt), dass es unsere Aufgabe ist, ein Publikum zu unterhalten. Was nicht das Gleiche ist, wie das Publikum zum Lachen zu bringen – obwohl das natürlich die einfachste Form ist.

SlampoetInnen leben ihre Texte. Sie werden im Moment des Auftritts zu einem Ein-Mensch-Theaterstück, bei dem Autorin und Performance eben eins sind – nicht wie beim Schauspieler, von dem wir wissen, dass er nur eine Rolle spielt. Das Primat der Popmusik: Authentizität, auf Theaterbühnen übersetzt. Das ist vielleicht auch eine Erklärung dafür, wieso es lustige Texte auf Slambühnen einfacher haben. Es ist einfacher, mit jemandem zu lachen, als «echte» Trauer zu teilen. Oder Einsamkeit. Oder Depression.

Was nicht heisst, dass SlampoetInnen nur lustig können. Das Veranstaltungsformat Slam lebt davon, an einem Abend auch immer wieder Kontrapunkte zu haben: stille, verstörende, gar abstrakte DichterInnen wie Theresa Hahl, Nora Gomringer, Christoph Simon, Michael Lentz oder Dirk Hülstrunk.

Was es auch nicht heisst: dass Texte von SlampoetInnen nur auf der Bühne funktionieren. Nur dass es halt eine ganz andere Erfahrung ist. Die beste Art, SlampoetInnen und Spoken-Word-KünstlerInnen zu erleben, ist immer noch der Liveauftritt.

Etrit Hasler (40) ist Journalist, WOZ-Kolumnist und gehört zu den PionierInnen der Schweizer Slam-Poetry.