Schlacht bei Lepanto: Mit gesalbten Schiffen gegen den Islam – und die Flüchtlinge
Ein Buch des deutschen Militärhistorikers Felix Hartlaub zur Schlacht von Lepanto wird neu herausgegeben. Die Herausgeber betreiben damit rechtspopulistische Erinnerungspolitik.
Es war eine äusserst blutige Seeschlacht: Am 7. Oktober 1571 schlug die Heilige Liga, eine Allianz katholischer Kräfte, die bis dahin als unbesiegbar geltende osmanische Flotte bei Lepanto im heutigen Griechenland. Venedig, das Papsttum und Spanien feierten den Sieg, als handle es sich um ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sie nützten den unverhofften militärischen Erfolg medial aus mit Flugschriften, Ölgemälden, Prozessionen und Dankgebeten. Lepanto, so die zeitgenössische Darstellung, hatte durch ein Gottesurteil die türkische Gefahr definitiv abgewandt. Die Schlacht wurde zum historischen Ausgangspunkt einer christlichen Erinnerungskultur, die bis in die Gegenwart weitergepflegt und in den letzten Jahren im Rahmen einer rechtspopulistischen Warnung vor der «Islamisierung» Europas wiederbelebt wurde.
Ein umstrittener Autor
Dies zeigt die im vergangenen Jahr vom Mnemosyne-Verlag neu herausgegebene Dissertation «Don Juan d’Austria und die Schlacht von Lepanto» von Felix Hartlaub aus dem Jahr 1939. Aufzeichnungen des kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs verschollenen Schriftstellers waren in den fünfziger Jahren von der Schwester aus dem Nachlass veröffentlicht worden und wurden 2007 vom Suhrkamp-Verlag bereits in dritter Auflage publiziert. Diese Texte wie auch eine 2005 erschienene Biografie vermittelten ein Bild von Hartlaub, nach dem dieser «unter der Tarnkappe» und als «innerer Emigrant» den Kriegsverbrechen der Nazis ablehnend gegenübergestanden sei, ja gar gegen diese Widerstand geleistet habe. Diese Sichtweise blieb nicht unumstritten. Denn nach der Promotion beim Militärhistoriker Walter Elze in Berlin hatte Hartlaub nach einem kurzen militärischen Einsatz als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Oberkommando der Wehrmacht gedient, ab Mai 1942 in der Abteilung Kriegstagebuch des Führerhauptquartiers, wo er bis 1945 mit der Dokumentation des Kriegsgeschehens beauftragt war. Hartlaub musste also über die Kriegsverbrechen der Nazis im Bild gewesen sein.
In seiner Dissertation von 1939 beschreibt Hartlaub Lepanto als «das mächtige Denkmal eines geschichtlichen Wendepunktes». Dabei deutet er die Seeschlacht nicht nur als ein christliches, sondern gleichsam als ein europäisches Ereignis, durch das die westliche Zivilisation zu einer kulturellen Einheit geformt worden sei. Rezensionen, auch nach dem Krieg, werteten Hartlaubs Arbeit positiv, doch die bedeutsamste Kritik stammt von Fernand Braudel, dem wohl einflussreichsten französischen Historiker des 20. Jahrhunderts. In seinem Monumentalwerk über das Mittelmeer von 1949 bezog er sich mehrfach auf Hartlaub, distanzierte sich allerdings von dessen ereignisgeschichtlicher Überhöhung Lepantos als Zeitenwende und der dramatisierenden Schilderung Don Juans, des Anführers der christlichen Flotten, als Kriegsheld. Braudel wies darauf hin, dass die Seeschlacht für das machtpolitische und militärische Kräfteverhältnis kurzfristig folgenlos geblieben sei und die Osmanen der Heiligen Liga in den darauf folgenden Jahren schwere Niederlagen zugefügt hätten. Die Feststellung Braudels war zugleich ein Vorwurf an die klassische Ereignisgeschichte, die Bedeutung der Seeschlacht rückblickend verzerrt darzustellen. Auch Forschungsarbeiten aus der jüngeren Vergangenheit haben die historische Erinnerung an Lepanto als wirkmächtiges Narrativ der Sieger dekonstruiert.
Keine Einordnung in die Aktualität
Davon erfährt man jedoch in der Neuherausgabe der Dissertation nichts. Zwar weist Herausgeber Wolfgang Schwiedrzik zu Recht die Darstellung von Hartlaub als innerer Emigrant und Widerstandskämpfer zurück und hebt stattdessen die Verstrickung in die Verbrechen des Hitler-Regimes hervor. Doch sowohl er als auch Mitherausgeber Wolfram Pyta, der das Nachwort verfasst hat, unterlassen es, Felix Hartlaubs Arbeit in den aktuellen Stand der Forschung zu Lepanto einzuordnen. Stattdessen preist Schwiedrzik die Aktualität des Buchs und zieht Parallelen von heute zu den Türkenkriegen im 16. und 17. Jahrhundert: Demnach sei die damalige Bedrohung für die christliche Welt vergleichbar mit dem gegenwärtigen «militanten Vorstoss des (politischen) Islam nach Europa». Zu den Agenten der islamischen Bedrohung Europas zählt Schwiedrzik sowohl den IS-Terror als auch die «massenhaften Flüchtlingsströme aus muslimischen Ländern». Dieser geradezu menschenverachtenden, aber zurzeit allzu verbreiteten Diffamierung der Kriegsflüchtlinge als terroristische Gefahrenquelle entspricht Schwiedrziks Darstellung des Islam als einer ungebändigten Religion, die im Unterschied zum Christentum auch mittels Aufklärung nicht zu zähmen sei. Mit solchen Bemerkungen macht sich Schwiedrzik, ein Altachtundsechziger und in den siebziger Jahren Mitglied des Vereins Sozialistischer Kulturschaffender, zum Verfechter einer historischen Erinnerungskultur, die gegenwärtig von rechtspopulistischen Kräften mit islamophober Propaganda gepflegt wird. In Polen folgten letzten Herbst Tausende KatholikInnen dem Aufruf einer Warschauer Stiftung, am Jahrestag von Lepanto an den Landesgrenzen gegen die «Islamisierung» Europas zu beten. Die Lega Nord instrumentalisierte bereits in den nuller Jahren wiederholt die Erinnerung an Lepanto, um den EU-Beitritt der Türkei zu bekämpfen.
Der bedrohte Westen
An Aktualität gewinnt die Arbeit Hartlaubs also nicht wegen der muslimischen Flüchtlinge, sondern aufgrund der rechtspopulistischen Erinnerungspolitik. Doch die Herausgeber der Neuauflage verzichten nicht nur darauf, sich kritisch mit der Instrumentalisierung von Lepanto von rechtspopulistischer Seite auseinanderzusetzen, sie hinterfragen auch Aussagen Hartlaubs nicht, die aus heutiger Sicht geradezu grotesk wirken. Etwa der Gedanke, den sich Hartlaub von Jacob Burckhardt entleiht, wonach die Ende des 15. Jahrhunderts beginnende «Unterjochung Italiens durch Spanien» Italien zumindest «vor der Barbarisierung durch die Türkenherrschaft» verschont habe. Äusserungen eines in den Macht- und Wissenschaftsapparat des Hitler-Regimes verstrickten Militärhistorikers, die nur noch zynisch klingen, wenn man an die schrecklichen Verbrechen des «Dritten Reichs» denkt. In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Italien unter Mussolini als auch Spanien unter Franco die Erinnerung an Lepanto für ideologische Zwecke instrumentalisiert haben, hätte man von den Herausgebern erwarten können, die Arbeit Hartlaubs in diese faschistische Vereinnahmung Lepantos einzuordnen. Und die Frage zu beantworten, ob sich die Lesart Hartlaubs von der faschistischen unterscheidet. All das geschieht nicht. Stattdessen stellt Schwiedrzik Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, wegen ihres religiösen Hintergrunds als Bedrohung für den Westen dar und begründet das mithilfe eines Zerrbilds europäischer Erinnerungskultur.
Felix Hartlaub, Wolfram Pyta (Hrsg.) und Wolfgang M. Schwiedrzik (Hrsg.): Don Juan d’Austria und die Schlacht bei Lepanto. Edition Mnemosyne. Wien 2017. 296 Seiten. 37 Franken