AHV-Steuer-Deal: Tauschhandel der Ernüchterten
Ein Deal sorgt derzeit für Aufsehen. Präsentiert hat ihn letzte Woche die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK). Der Inhalt ist brisant: Die WAK will die beiden wichtigsten Geschäfte der laufenden Legislatur, die AHV-Sanierung und die Steuervorlage 17, zu einem Paket verknüpfen. Hinter dem überraschenden Vorgehen stecken einmal mehr die StrategInnen der kleinen Kammer: StänderätInnen wie Christian Levrat (SP), Karin Keller-Sutter (FDP) oder Konrad Graber (CVP). Der breit abgestützte Kompromiss der «Schattenregierung» (wie die «NZZ am Sonntag» genüsslich titelte) muss noch durch die Mühlen des Parlaments. Innerhalb der Linken aber sorgt der Deal bereits jetzt für Knatsch. Die Grundfrage lautet: Soll die Linke ihre Grundprinzipien der Realpolitik opfern?
Der Vorschlag der WAK geht so: Für jeden Franken an Steuereinnahmen, der mit der Steuervorlage 17 gemäss Schätzungen entfällt, soll ein Franken als Kompensation in die AHV fliessen: insgesamt 2,1 Milliarden Franken. Der grösste Erfolg der linken Verhandlungsführer ist, dass auch die Lohnabzüge für die AHV um 0,3 Prozentpunkte heraufgesetzt würden, je zur Hälfte zulasten von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen. Die Erhöhung der Lohnprozente würde zudem das Umverteilungsprinzip stärken – ein beachtlicher Erfolg angesichts der Abbaugelüste der Rechten. Dank der Finanzspritzen wäre die Erhöhung des Frauenrentenalters wohl zumindest vorerst vom Tisch. Klar, dass sich allen voran Paul Rechsteiner über die unerwarteten Zugeständnisse freut: Der Gewerkschaftsbundpräsident war Strippenzieher des an der Urne gescheiterten AHV-Kompromisses.
Betrachtet man den Deal durch die steuerpolitische Brille, sieht die Sache anders aus. Die Linke hat nur einen Erfolg zu vermelden: Das vom damaligen Bundesrat Hans-Rudolf Merz mit der Unternehmenssteuerreform II (USR II) eingeführte Kapitaleinlageprinzip (die steuerfreie Ausschüttung von Gewinnen) soll angepasst werden. Wie weit, ist allerdings noch unklar. Gleichzeitig senkte die Kommission die Mindestbesteuerung von Dividenden auf Kantonsebene auf 50 Prozent (der Bundesrat wollte 70, die Linke 80 Prozent) und brachte die zinsbereinigte Gewinnsteuer – zumindest für Hochsteuerkantone – wieder ein. Diese erlaubt Firmen, einen fiktiven Zins auf Eigenkapitalüberschüsse von den Steuern abzuziehen. Mit dem Kompromiss setzen sich jene Kräfte innerhalb der Linken durch, die sich mit dem Status quo zufriedengeben und die Steuervorlage – sofern etwas weniger überladen als beim letzten Mal – für soziale Ausgleichsmassnahmen schlucken wollen.
Eine Umkehr in der Steuerpolitik, wie sie grosse Teile der Linken nach dem fulminanten Sieg über die USR III forderten, ist damit in weite Ferne gerückt. Nicht nur die Grünen kündigten an, die Vorlage so nicht zu unterstützen – auch Teile der SP sowie entwicklungspolitische NGOs kritisieren, dass die globale Verantwortung des Finanz- und Konzernplatzes Schweiz beim WAK-Deal unter den Tisch fällt und der internationale Steuerwettbewerb durch Bundessubventionen weiter angeheizt wird. Die WAK verknüpfte stattdessen zwei völlig sachfremde Themen. Das ist auch demokratiepolitisch heikel: VerfassungsrechtlerInnen streiten sich, ob es zulässig ist, die StimmbürgerInnen gleichzeitig zu fragen, ob die AHV gesichert und AktionärInnen weiter geschont werden sollen.
Die Linken zahlen mit dem Deal einen hohen Preis. Einen zu hohen? Das ist nicht so leicht zu beurteilen, wie die KritikerInnen meinen. Die Frage lautet schliesslich: Was war unter den gegebenen Voraussetzungen überhaupt möglich? Hätten gewisse linke Gruppierungen letzten Herbst die Abstimmung über die Altersvorsorge 2020 nicht bekämpft, stünde man verhandlungspolitisch wohl ganz anders da. Nun aber sind die Kräfteverhältnisse im Parlament erdrückend. Der WAK-Deal steht damit vor allem für die Ernüchterung der Linken in diesen zwei wichtigen politischen Fragen. Ihre VertreterInnen haben in der WAK keine geniale Lösung gezimmert. Sie haben vielmehr ultrapragmatisch abgewogen, bei welchem Geschäft mehr herauszuholen ist. Die Dumpingsteuerpolitik werde man mit anderen Mitteln bekämpfen, kündigen SP-Präsident Levrat und Co. an. An diesen Worten wird man sie messen müssen.