Service public: Dü-da-doo, Dividendenauto

Nr. 24 –

Die Wogen schlugen hoch, als das Bundesamt für Verkehr Anfang Februar bekannt gab, dass die Postauto AG über Jahre hinweg Gewinne verschleiert und dadurch ungerechtfertigte Subventionszahlungen in Millionenhöhe erschlichen hat. Der Betrug ging über Jahre hinweg, und die am Montag veröffentlichten Untersuchungsberichte offenbaren ein Versagen sämtlicher Kontrollmechanismen auf allen Ebenen. Gleichzeitig zeigen die aufgedeckten Vorgänge, dass beim Service public so einiges schiefläuft.

Betriebe in öffentlicher Hand wie die Post oder die SBB werden seit Jahren wie privatwirtschaftliche Unternehmen geführt – sie sollen Rendite liefern. Rund 420 Millionen Franken Gewinn hat die Schweizerische Post letztes Jahr erwirtschaftet. Es war weniger als erwartet, die Postauto-Affäre schlug sich bereits auf das Jahresergebnis nieder. Trotzdem hielt der Bund an der Dividendenausschüttung von über 200 Millionen Franken fest. Dies erhöht den Druck auf die Post, sie ist gezwungen, einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften.

Der Service public bleibt dabei zunehmend auf der Strecke. Schweizweit gab es Ende 2017 noch rund 1400 Poststellen, um die Jahrtausendwende waren es noch 3500 gewesen. Zwar rühmt sich die Post damit, dass ihr Angebot weiterhin einem Grossteil der Bevölkerung innerhalb von kurzer Zeit zur Verfügung steht, doch der Abbau ist unverkennbar. Darunter leiden vornehmlich die Randregionen, insbesondere in den Berggebieten, die auch ohne den Wegfall des Service public bereits stark mit der Abwanderung zu kämpfen haben, was wiederum die Zentralisierung vorantreibt. Trotzdem sind für die nächsten Jahre weitere Schliessungen geplant: Bis ins Jahr 2020 will die Post ihr Filialnetz auf 800 bis 900 Poststellen schrumpfen. Die neu geschaffenen Agenturen – etwa in Dorfläden – können diesen Kahlschlag nicht kompensieren, da ihr Angebot wesentlich eingeschränkter ist.

Während der Postkonzern also Jahr für Jahr Hunderte Millionen Gewinne einstreicht, vernachlässigt er seine eigentliche Aufgabe, die Grundversorgung der Bevölkerung in allen Landesteilen.

Mittlerweile werden Stimmen laut, die eine Herauslösung der Postauto AG aus dem Gesamtkonzern fordern. Die Postauto-Affäre könnte den Ruf nach vollständiger Privatisierung von staatsnahen Betrieben weiter verstärken. Die Folgen wären klar: Die rentablen Strecken würden sich Privatunternehmen unter den Nagel reissen, für die unrentablen Strecken könnte die Allgemeinheit aufkommen. Das würde dazu führen, dass weitere Strecken gestrichen werden.

Kommt hinzu, dass Postauto bereits heute einen Teil des Angebots ausgelagert hat. Regionale Transportunternehmen erhalten von Postauto den Auftrag für den Betrieb gewisser Strecken. Diese fahren zwar unter dem Postauto-Label, die MitarbeiterInnen fallen jedoch nur teilweise oder gar nicht unter die verhandelten Gesamtarbeitsverträge. Mit dieser Auslagerung nimmt die Post bewusst schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf, alles im Sinne der Profitmaximierung.

Welche seltsame Blüten der Kampf um höhere Gewinne im Service public treibt, zeigt sich seit einiger Zeit auch im Kampf um die Konzessionen des Bahnfernverkehrs. Hier wagt die BLS, die sich bisher auf den Regionalverkehr beschränkt hat, den Frontalangriff auf die SBB. Zwei Bahnbetriebe in öffentlicher Hand zanken sich um die gewinnbringenden Konzessionen. Am Dienstag teilte das Bundesamt für Verkehr (BAV) mit, die Strecken Bern–Biel und Bern–Burgdorf–Olten neu an die BLS zu vergeben, die gerne noch mehr Konzessionen von den SBB übernommen hätte. Der Entscheid des BAV ist beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar. Es ist gut möglich, dass sich die beiden Betriebe am Ende vor Gericht wiedersehen. Das zeigt den ganzen Irrsinn dieses Streits.

Der Bundesrat hätte die Möglichkeit, diese zweifelhafte Entwicklung im Service public zu stoppen. Er ist es, der den Betrieben in öffentlicher Hand die Gewinnziele vorgibt. Der Service public soll in erster Linie den Menschen in diesem Land dienen, auch denen in den Randregionen.