Von oben herab: Alarmstufe total

Nr. 27 –

Stefan Gärtner über Bedrohungen aus der kleinen Welt

Kleinvieh macht auch Mist, weiss der Volksmund, aber momentan ist es eher so, dass das Kleinvieh nur Mist macht: Die Bienen sterben aus, die dicken Brummer finden in mein Arbeitszimmer nur herein und nie von selbst wieder ins Freie, und in der Schweiz gibt es wetter- bedingt «so viele Zecken wie selten» (nau.ch), die nicht mehr nur Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis übertragen, sondern neuerdings auch die sog. Hasenpest (Tularämie), für die das Bakterium Francisella tularensis verantwortlich ist: «Von 2016 auf 2017 verzeichnete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gar einen sprunghaften Anstieg von 56 auf 130 Fälle im Jahr», meldet die NZZ, und als sei das alles noch nicht schlimm genug, meldet der «Schweizer Bauer», der Kanton Jura warne vor der riesenhaften Asiatischen Hornisse, die den Honigbienen gefährlich werden könne: «Die Bevölkerung wird aufgerufen, Beobachtungen zu melden.» Alarmstufe total, müssen wir leider feststellen; zumal die gewohnten Bedrohungen aus der «kleinen Welt» ja unvermindert weiterexistieren!

So ist die Gefahr durch Beatrice Egli (wissenschaftlich Trulla helvetica) «noch lange nicht vorbei», stellt das BAG in einem Rundschreiben fest. Ihr jüngstes Album mit dem zynischen Titel «Wohlfühlgarantie» kann selbst bei kurzem Kontakt zu Ausschlag, Ohrensausen und Übelkeit, mitunter sogar zu Atemnot und Herzbeschwerden führen. «Die Symptome ähneln denen einer Vergiftung mit Peter Maffay (Fiasco musicalis)», warnt das BAG und rät, einen Bogen um die bevorzugten Habitate von Egli zu machen (SRF Musikwelle, «Beatrice Egli – Die grosse Show der Träume»), die von veränderten Umweltbedingungen profitiere. «Die Sonne der Kultur steht halt immer tiefer», so eine Expertin, «das ist ideal für diese Art Plagegeister.»

Harmloser ist Xherdan Shaqiri (Bumms chuti), dessen Lebensraum viel begrenzter ist, Begegnungen lassen sich leichter vermeiden. Kommt es trotzdem dazu, müssen Betroffene damit rechnen, ausgespielt oder sogar übertölpelt zu werden; es kann aber, zumal bei Nordeuropäern, auch sein, dass der Kleine einfach keinen Stich macht. Lediglich in der Hochsaison, alle zwei Jahre im Juni und Juli, ist Shaqiri etwas schwerer auszuweichen; dann ist er sogar mit freigemachtem Oberkörper anzutreffen, eine kriegerische Geste, mit der Weibchen angezogen und konkurrierende Männchen aus dem Revier getrieben werden sollen.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: So ist etwa der in Deutschland und Russland heimische Gerhard Schröder (Asinus hartzius) nicht dauerhaft in die Schweiz vorgedrungen. Gefährlich ist der Winzling (1,57 Meter), weil er Biotope für Heuschrecken öffnet, Schutzräume vernichtet und sich mit zahllosen Weibchen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen («ewige Liebe») paart. Angst muss man auch vor Hans-Rudolf Merz (Exemplum Buendnerfleisch) nicht haben: Diesem freundlichen Erreger von Lachanfällen kann man sehr leicht ausweichen, indem man bei Youtube nicht gezielt nach ihm Ausschau hält.

Ein freundlicher Geselle ist auch Ruedi Widmer (Graphicus winterthurensis). Lässt sich der kleine Schelm bei uns nieder, steckt er uns sogleich mit seiner unwiderstehlichen Gemütsruhe an und lädt uns zu vielen schönen Stangen ein. Hören wir sein neugierig-erstauntes «Ah!», dann wissen wir, es kann uns nichts geschehen, und jemand zahlt die Rechnung. Schön!

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.