Putin und Trump in Helsinki: Gipfel der Widersprüche
Im Schatten der Posse um die mögliche Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf standen auf dem Gipfel in Helsinki auch weltpolitische Themen auf der Agenda. Eine Analyse.
Der Gipfel von Helsinki 1975 zwischen den Staats- und Regierungschefs der damals in zwei feindliche Lager gespaltenen 35 Staaten Europas endete mit konkreten Vereinbarungen. Er markierte den Beginn einer Epoche, die schliesslich zum Ende des Kalten Kriegs und zur Überwindung der Teilung des Kontinents führte.
Was bleibt vom Gipfel in Helsinki 2018 zwischen den beiden Präsidenten der USA und Russlands, Donald Trump und Wladimir Putin? Sicherlich viel Wirbel in der US-Innenpolitik, aber keine konkreten Vereinbarungen oder auch nur Fortschritte zur Überwindung der zahlreichen Konflikte zwischen Washington und Moskau.
Vertane Chancen
Der Streitpunkt Ukraine/Krim, der auch die Beziehung zwischen Russland und den europäischen Staaten am stärksten belastet, wurde nach Aussage beider Präsidenten zwar angesprochen, nach Darstellung von Wladimir Putin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump aber praktisch eingefroren. Es bleibe einfach dabei, dass man zu diesem Thema unterschiedliche Ansichten habe. Trump widersprach dieser Darstellung nicht.
Diese in Helsinki demonstrierte Haltung des US-Präsidenten steht in krassem Widerspruch zu den lautstarken und aggressiven Sprüchen, mit denen Trump noch wenige Tage zuvor beim Nato-Gipfel in Brüssel von Deutschland und anderen europäischen Nato-Partnern eine drastische Erhöhung der Militärausgaben auf bis zu vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefordert hatte. Denn begründet wird die Notwendigkeit dieser Erhöhung ja im Wesentlichen damit, dass Russland seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der anhaltenden Unterstützung von Aufständischen in der Ostukraine eine deutlich verstärkte Bedrohung für die Nato-Staaten sei.
Ein ähnlich grosser Widerspruch existiert auch zwischen den harschen Tönen, mit denen Trump noch in Brüssel das von Russland betriebene Projekt der Nord-Stream-Pipeline geisselte, und dem Verständnis, das er in Helsinki für dieses Vorhaben zeigte.
Keinerlei Annäherungen gab es in Helsinki auch mit Blick auf die atomare Rüstungskontrolle. Beide Seite bekräftigten die gegenseitigen Vorwürfe, durch die Entwicklung und Stationierung neuer Atomwaffen in Westeuropa beziehungsweise im europäischen Teil Russlands gegen die bilateralen Verträge vom Dezember 1987 zu verstossen, laut denen beide Staaten ihre atomaren Mittelstreckenraketen verschrotten müssten.
Mit Blick auf Syrien hatten russische AussenpolitikexpertInnen unter Verweis auf seit einiger Zeit laufende informelle Konsultationen zwischen den USA, Russland, Israel und dem Iran die Chancen für folgende Vereinbarung zwischen Putin und Trump gesehen: Die USA ziehen sich ganz zurück und akzeptieren den Verbleib von Baschar al-Assad als Präsident Syriens, und Russland sorgt dafür, dass von syrischem Boden keine militärische Bedrohung durch iranische Streitkräfte für Israel ausgeht.
Doch ein entsprechender Deal kam in Helsinki vor allem deshalb nicht zustande, weil die Syrienpolitik der USA in der Trump-Administration immer noch umstritten ist. Das Aussen- wie auch das Verteidigungsministerium befürworten die skizzierte Vereinbarung mit Moskau, Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton und weitere AnhängerInnen von «regime change» in der Administration sind dagegen und werden in dieser Haltung vom republikanischen Senator John McCain und anderen scharfen RusslandkritikerInnen im Kongress unterstützt.
Trumps Desaster
Für Putin war der Gipfel nach jahrelanger Isolation durch den Westen ein aussen- wie innenpolitischer Erfolg, für Trump hingegen ein Desaster. Nachdem er auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin eine Einmischung Russlands in den US-Präsidentschaftswahlkampf negiert hatte, kam Trump in den USA massiv in die Kritik. Unter diesem Druck vollzog er in dieser Frage inzwischen eine höchst unglaubwürdige Kehrtwende und sprach von einem «Versprecher».
Stärker als je zuvor seit seinem Amtsantritt im Januar 2017 steht nun in Washington die Frage im Raum, was Moskau möglicherweise gegen den US-Präsidenten in der Hand hat. Helsinki 2018 war mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht nur das erste, sondern auch das letzte Gipfeltreffen Trumps mit seinem russischen Amtskollegen.