AHV-Steuer-Deal: «Hochproblematisch»
Die SP-Spitze hat den AHV-Steuer-Deal bejubelt, Grünen-Präsidentin Regula Rytz kritisiert ihn scharf. Sie fordert eine Trennung der Vorlagen.
WOZ: Frau Rytz, die Sanierung der AHV und ein neues Steuerrecht sollen zu einem Päckchen geschnürt werden. Dieser Kompromiss sei alternativlos, sagen die Befürworter.
Regula Rytz: Zwingend ist nur die Abschaffung des kantonalen Sondersteuermodells. Bei der Ausgestaltung der Steuerreform gibt es natürlich verschiedenste Modelle. Wer hier von Alternativlosigkeit spricht, greift die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten an.
Es geht aber auch um die AHV. Die linken Befürworter des Deals sagen, man habe das Beste herausgeholt –bei beiden Vorlagen.
Genau das kritisiere ich! 2017 wurde die Unternehmenssteuerreform III an der Urne trotz damals schon immensem Druck der OECD abgelehnt. Es wurde nicht goutiert, dass die Reform zu enormen Steuerausfällen geführt und den nationalen und internationalen Wettbewerb weiter angeheizt hätte. Aus meiner Sicht verschenkt die Linke diesen Abstimmungserfolg gerade. Der Deal bringt auf der Steuerseite lediglich kleinste Anpassungen. Die vom Bundesrat gewollte Anhebung der Dividendenbesteuerung in den Kantonen wird weitgehend eliminiert. Natürlich ist die Stabilisierung der AHV zentral, aber man kann dafür doch nicht das Ziel der Steuergerechtigkeit opfern.
Sie fordern in einem Vorstoss an die nationalrätliche Wirtschaftskommission die Trennung der Vorlagen.
Ich kritisiere nicht, dass ein politischer Kompromiss gesucht wird. Man hat den Bürgerlichen das Eingeständnis abgerungen, dass es bei der AHV Stabilisierungsmassnahmen ohne Rentenaltererhöhung braucht, das ist ein Erfolg. Was mich stört, ist die Verheiratung der beiden Vorlagen zu einem Gesetz. Das verhindert, dass die Bevölkerung auf der Steuerseite Korrekturen verlangen kann. Denn mit einem Referendum würde auch die AHV-Stabilisierung in Frage gestellt.
Auch bei Ihrem Modell – einer rein politischen Verknüpfung der Vorlagen – müssten beide Gesetze angenommen werden, um in Kraft zu treten.
Ja, aber der entscheidende Unterschied wäre, dass man nach einer Abstimmung wüsste, was die Bevölkerung will. Würde die AHV-Stabilisierung angenommen, die Steuervorlage aber abgelehnt, hätte man einen klaren Auftrag.
Auch rechte Politiker wie SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi fordern eine Trennung der Vorlagen.
Aeschi will das Paket zum Absturz bringen und fordert etwa die Erhöhung des Frauenrentenalters und Änderungen beim Finanz- und Lastenausgleich zugunsten der Steuerdumping-Kantone. Doch der Deal stösst zurecht in allen Parteien auf Kritik, weil er keine unabhängige und sachbezogene Meinungsbildung zulässt. Das ist eine problematische Entwicklung in einer direkten Demokratie.
Die Grüne Fraktion ist in Bern in der krassen Minderheit. Wie politisiert es sich aus dieser Position heraus?
Es politisiert sich freier. Wir sind nicht in die Logik von machtpolitisch motivierten Deals eingebunden. Ich sehe unsere Aufgabe darin, die grundsätzlichen Fragen ins Zentrum zu rücken: Die Schweiz ist der Motor des internationalen Steuerdumpingwettbewerbs. Das ist kein Geschäftsmodell, das noch lange Bestand haben kann. Die europäischen Bemühungen laufen immer mehr in Richtung Harmonisierung, gerade auch bei den konzerninternen, grenzüberschreitenden Gewinnverschiebungen. Die Schweiz hingegen will zum Beispiel in der Patentbox weiterhin grösstmögliche Gewinnverschiebungen fördern.
Was haben Sie SP-Präsident Levrat zu sagen, der den Deal bejubelt hat?
Christian Levrat kennt meine Haltung. Es gibt keinen Grund zur Euphorie. Weder ist der Deal ein «halbes Wunder» noch ein «genialer Kompromiss», wie Fraktionschef Roger Nordmann meint. Die Linke soll ehrlich kommunizieren, was man für die AHV-Stabilisierung in Kauf nimmt: eine klare Verschlechterung der Steuervorlage 17 gegenüber dem Vorschlag des Bundesrats.