Auf allen Kanälen: Zuckerl für die Braven

Nr. 40 –

Wie sich das Innenministerium Österreichs den Umgang mit kritischen JournalistInnen vorstellt.

Herbert Kickl weiss, wie man provoziert. Er war Redenschreiber für Jörg Haider und hat als Generalsekretär und Chefstratege der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) deren Politik entscheidend geprägt. Slogans wie «Daham statt Islam» oder «Abendland in Christenhand» stammen aus seiner Feder. Er ist eloquent – und schraubt immer wieder erfolgreich daran herum, was öffentlich gesagt werden kann. Seit Ende letzten Jahres ist Kickl als Innenminister Teil der Regierungskoalition aus FPÖ und ÖVP. Seit letzter Woche sieht er sich wieder mal heftiger Kritik ausgesetzt.

Verzerrung der Realität

Grund dafür ist ein E-Mail, das eigentlich nicht hätte öffentlich werden sollen. Darin empfiehlt Christoph Pölzl, Sprecher des Innenministeriums, allen Polizeistellen des Landes, worauf sie in der Öffentlichkeitsarbeit achten sollen: Die Kommunikation mit kritischen Medien – konkret: «Der Standard», «Falter» und «Kurier» – solle «auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Mass» eingeschränkt werden. «Zuckerl» wie Exklusivbegleitungen solle es nur noch für Medien geben, die «neutral oder gar positiv» über Polizei und Innenministerium berichten. Bei Pressemitteilungen zu Straftaten solle die Staatsangehörigkeit von mutmasslichen TäterInnen genannt werden, bei «Fremden», ob es sich um Asylsuchende handle oder nicht. Schlussendlich liege der Entscheid darüber im Ermessen der zuständigen PolizistInnen. Die Forderung nach konsequenter Nennung von Herkunft und Aufenthaltsstatus lässt darauf schliessen: Es geht dem Innenministerium nicht darum, die Bevölkerung möglichst gut zu informieren, sondern darum, Ängste und Vorurteile zu schüren – was wiederum der Politik der FPÖ in die Hände spielt.

Auch zu Sexualdelikten äussert sich Pölzl: Diese sollen der Presse vor allem dann mitgeteilt werden, wenn sie im öffentlichen Raum passieren oder sich TäterInnen und Betroffene nicht kennen. Handle es sich hingegen um «eine reine familieninterne Tat», könne man «selbstverständlich» von einer Veröffentlichung absehen. Statistiken der österreichischen Frauenhäuser zeigen: Bei rund zwanzig Prozent der Sexualstraftaten kennen sich Täter und Betroffene entweder gar nicht, oder es ist eine Zufallsbekanntschaft. Alle anderen Taten passieren im Familienumfeld, im Freundes- oder im Bekanntenkreis. Das vom Innenministerium vorgeschlagene Vorgehen basiert somit auf einer groben Verzerrung der Realität.

Zuckerl also nur noch für die Braven, die schreiben, was der Polizei gefällt? Manipulation der Berichterstattung durch gezielte Selektion? Hier wird etwas gefördert, was in einer Demokratie nicht passieren sollte: Das aktive Mittun der Polizei am politischen Diskurs. Denn mit Pressemitteilungen zu Straftaten hat die Polizei einen massgeblichen Einfluss darauf, welche Informationen wie an die Öffentlichkeit gelangen. Und welche dann auch von JournalistInnen verwendet werden können.

Der Rücktritt bleibt aus

Kickl hat sich nach massiver Kritik, Vorwürfen der «Orbanisierung» (in Bezug auf den autoritären Ministerpräsidenten Ungarns) und Rücktrittsforderungen geäussert und sich für die Pressefreiheit ausgesprochen. Doch seine Distanzierung überzeugt nicht: Er schob die Verantwortung auf Ministeriumssprecher Pölzl ab – den er selbst eingestellt hatte und für den er als Vorgesetzter die Verantwortung trägt. Zur Handhabung von Sexualstraftaten und der Herkunft von TäterInnen sagte Kickl weiter nichts. Auch ist unklar, wie die Polizeistellen nun konkret mit den Vorschlägen umgehen. Es bleibt ausserdem ein Fakt, dass das Innenministerium versucht hat, die Polizei mit der gezielten Steuerung von Informationen politisch zu beeinflussen. Und auf Kickls Rücktritt muss man wohl noch eine Weile warten.

Erst diesen Sommer wurde übrigens bekannt, dass Inserate zur Rekrutierung von neuen PolizistInnen auf offen rechtsradikalen österreichischen Internetseiten wie dem «Wochenblick» und «Alles Roger» oder auf verschwörungstheoretischen wie «Der Wächter» geschaltet wurden. Ob die dort rekrutierten BeamtInnen wohl neutral und eigenständig beurteilen können, wie sie mit den sensiblen Informationen umgehen, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit zu tun haben?