Umbau im Verlagswesen: Gehen die Aufträge bald auch nach Vietnam, Madagaskar und auf die Philippinen?

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Die Korrekturabteilungen der Schweizer Medien geraten zunehmend unter Druck. Droht der Branche die grosse Umwälzung? Die Firma Tool e Byte jedenfalls wittert riesige Wachstumschancen in aller Welt.

Der NZZ-Konzern war das erste Schweizer Verlagshaus, das seine Korrekturleistungen teilweise ins Ausland verlagert hat. Gut möglich jedoch, dass es nicht das einzige bleibt. Roman Hess, Mediensprecher des Tamedia-Konzerns, des grössten privaten Medienkonzerns in der Schweiz, sagt auf Anfrage: «Das Modell der NZZ-Regionalmedien ist interessant.» Bei Tamedia, die 2018 mit der Übernahme der «Basler Zeitung» die Medienkonzentration weiter vorangetrieben hat, jagt ein Sparprogramm das nächste.

Vorläufiger Höhepunkt des Konzentrationsprozesses ist die Gründung zweier neuer Redaktionen, die seit Anfang 2018 die deutschsprachigen und französischsprachigen Medien mit Inhalten aus den Bereichen Ausland, Wirtschaft und Sport beliefern. Im Zuge dieser Reorganisation hat Tamedia auch die Bereiche Korrektorat, Layout, Fotografie, Bildredaktion und Textproduktion zu sogenannten Editorial Services zusammengelegt und dabei rund fünfzehn Stellen abgebaut. «Derzeit machen wir alle Korrekturleistungen aus einem Pool», sagt Hess. «Und wir prüfen laufend Möglichkeiten zur weiteren Entwicklung.»

«Lethargische Verlage»

Für Michael Thuleweit, den Gründer der Firma Tool e Byte, ist klar: Der Verlagsbranche steht eine ähnliche Entwicklung bevor, wie man sie aus dem Dienstleistungs- oder Informatiksektor kennt, wo in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Jobs in Billiglohnländer ausgelagert wurden. «Mein Standpunkt ist: Ich bringe die Arbeit dorthin, wo die Menschen sind», sagt er am Telefon.

Thuleweit ist gelernter Informatiker. Bevor er im Sommer 2015 Tool e Byte gründete, war er als Geschäftsführer für eine indische Informatikfirma mit Standbein in Bosnien tätig. Schwerpunkt: Dienstleistungen im Bereich Digitalisierung für Buchverlage. Die neue Firma hat denselben Fokus, doch Thuleweit merkte schnell, dass die spezifische Arbeit an der Sprache ein wichtiger Faktor zur Umsatzsteigerung sein kann. «Unsere Hauptarbeit war die digitale Aufbereitung von Büchern. Wir bekommen von Verlagen Manuskripte und machen daraus ein E-Book», sagt Thuleweit. Das Problem dabei sei, dass bei der Umwandlung von PDF-Dokumenten die Genauigkeit nur bei 99 Prozent liege. «Es entstehen also Fehler in den Texten, und die Verlage müssen sie noch einmal lesen lassen.»

Thuleweit entschied, selber KorrektorInnen anzustellen, «danach kamen Verlage auf mich zu und fragten, ob wir nicht gleich das ganze Korrektorat übernehmen könnten». Seither wachsen Thuleweits Ambitionen so schnell wie seine Firma. Das Softwareunternehmen hatte gemäss seinen Angaben seit der Gründung vor vier Jahren Dienstleistungsverträge mit achtzig Verlagen aus der Buch- und Zeitungsbranche. Derzeit arbeite das Unternehmen für rund vierzig KundInnen. Seine Firma mache in der Buchproduktion inzwischen alles von der Korrekturschleife bis zur Druckvorstufe, sagt Thuleweit. Darüber hinaus entwickelt das Unternehmen aber auch Software und bietet Dienstleistungen an wie die Betreuung von Social-Media-Kanälen oder Onlineshops, des Backoffice oder des Callcenters. Alles also, was ein Verlag eben so auslagern könne, sagt Thuleweit. «Als Softwarefirma beraten wir zudem Verlage, die von Inserateschwund betroffen sind, darin, wie sie ihren Content online besser vermarkten können.» In diesem Bereich seien viele Verlage «doch eher lethargisch».

Standorte auf allen Kontinenten

Tool e Byte ist nicht nur in Bosnien tätig. Ihre Software lässt die Firma in Spanien und Indien schreiben. Gerade in der Korrekturbranche wittert Thuleweit ein riesiges Wachstumspotenzial. Er wolle künftig nicht nur Korrekturarbeiten in Deutsch anbieten, sagt er, sondern auch in Französisch, Englisch und Spanisch. Thuleweit gründet derzeit weitere Standorte auf verschiedenen Kontinenten, um seine KundInnen in den verschiedenen Bereichen im Dreischichtbetrieb betreuen zu können. Deutschsprachige Korrekturarbeiten erledigt neben den Frauen in Bosnien auch ein deutschsprachiges Team in Peru. Dieses übernimmt den NZZ-Auftrag, sobald das Team in Banja Luka abends um acht Uhr die letzte Schicht beendet hat. «Zusätzlich bauen wir gerade deutschsprachige Teams in Indien und Vietnam auf.» Englische Texte werde man mehrheitlich in Indien korrigieren, wo sich im Übrigen auch viele französischsprachige Leute finden würden. Für die französische Kundschaft baut Thuleweit zudem Teams in Madagaskar und Kanada auf. Und für spanische Aufträge soll neben den Standorten in Spanien und Peru ein Team auf den Philippinen dazukommen.

Tool e Byte sei derzeit ein mittelständisches Unternehmen, sagt der Firmenchef. Den nächsten grösseren Auftrag könnte er an Land ziehen, wenn sich die NZZ entscheiden sollte, künftig die Regionalteile des gesamten neu gegründeten CH-Media-Verbunds in Bosnien korrigieren zu lassen. Das ist alles andere als unwahrscheinlich. Laut sagen sie das in Bosnien zwar nicht, aber man scheint optimistisch, bald noch mehr Seiten aus der Schweiz korrigieren zu können.

* Korrigendum vom 24. Januar 2019: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion war der Vorname falsch. Der Mediensprecher des Tamedia-Konzerns heisst nicht Erich, sondern Roman Hess.