Urteil im Prozess gegen die «Basel 18»: Im Zweifel für die Staatsanwaltschaft

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Das Basler Strafgericht hat fünfzehn junge Leute zu teils mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie 2016 an einer Demonstration mit Sachbeschädigung teilgenommen haben sollen. So lückenhaft die Beweisführung im Prozess war, so skandalös ist nun das Urteil.

Das Basler Strafgericht nahm sich drei Monate Zeit für die Beratung des Falls – um dann weitestgehend der Staatsanwaltschaft zu folgen. Am Freitag verurteilte es fünfzehn der achtzehn Angeklagten im Massenprozess gegen die «Basel 18».

Den jungen Leuten wird vorgeworfen, im Juni 2016 an einer Demonstration «gegen Rassismus, Repression und Gentrifizierung» in Basel teilgenommen zu haben (siehe WOZ Nr.  44/2018 ). Einige DemonstrationsteilnehmerInnen hatten Scheiben zerschlagen, Fassaden besprayt, Flaschen auf Polizeiautos und Farbe auf das Basler Strafgericht geworfen. Ein Polizist soll leicht verletzt worden sein.

Erstens: Die Strafen

Ebendieses Strafgericht, bestehend aus dem Gerichtspräsidenten und zwei Richterinnen, verhängte nun wegen Landfriedensbruch, qualifizierter Sachbeschädigung, einfacher Körperverletzung sowie mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Beamte drakonische Strafen – von 20 bis zu 27 Monaten Gefängnis. Acht der angeklagten Personen wurden auf Bewährung verurteilt, sechs erhielten teilbedingte Strafen auferlegt, sie müssen für je 9 Monate ins Gefängnis. Ein weiterer Angeklagter wurde gar zu 27 Monaten unbedingt verurteilt.

Die Beschuldigten Nummer 14, 15 und 16 – angeklagt wegen je eines SMS, das sie an einen anderen Angeklagten geschickt hatten – wurden im «Basel 18»-Fall aber freigesprochen. Hier stellte selbst Gerichtspräsident Dominik Kiener (EVP) fest, dass es gar nicht erst zu einer Anklage hätte kommen dürfen.

Zweitens: Die Mittäterschaft

Aber auch bei den fünfzehn Verurteilten bleibt die Beweislage dünn. Es lässt sich nicht rekonstruieren, wer 2016 tatsächlich und wie lange an der Demonstration teilgenommen hat – geschweige denn, wer dort etwas demoliert oder besprayt haben soll. Deshalb hat sich die Staatsanwaltschaft eines Kniffs bedient: Sie konstruierte eine kollektive Mittäterschaft. Alle sollen für alles, was an der Demonstration passiert ist, gleichermassen verantwortlich gemacht werden können. Das ist ein Novum in der Schweizer Rechtspraxis.

Das Basler Strafgericht stützte am Freitag ebendiese Kollektivstrafen. Dabei räumte Gerichtspräsident Kiener in der Urteilsbegründung sogar ein, dass man den einzelnen Beschuldigten «keine individuelle Tat» nachweisen könne. Und dass der Sachschaden mit knapp 160 000 Franken verhältnismässig gering sei. Aber der Umzug sei «für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verheerend» gewesen. Das rechtfertige die hohen Strafen.

Drittens: Mehr Fehler als Beweise

Über die zahlreichen Ungereimtheiten in der Beweisführung sieht das Strafgericht indes grosszügig hinweg: Verhaftungsorte, die nicht übereinstimmen, Aussagen von PolizistInnen, die sich widersprechen, Beweisstücke, die «verloren» gingen, andere, die plötzlich auftauchten. Dazu der Gerichtspräsident: «Letztlich muss man sich auf solche amtlichen Berichte verlassen können, sonst funktioniert die Justiz nicht mehr.»

In diesem Prozess scheint es, als müssten die Angeklagten ihre Unschuld beweisen anstatt die Justiz deren Schuld. So sind etwa die Beschuldigten Nummer 17 und 18 einzig wegen DNA-Spuren auf einer Baseballmütze und einer PET-Flasche angeklagt, die in der Nähe der Demonstrationsroute gefunden worden waren. Wie diese Alltagsgegenstände – beziehungsweise die DNA-Spuren darauf – dorthin gelangt sind, bleibt aber unklar. Dass laut Bundesgerichtsurteil eine DNA-Spur nur als Indiz, nicht aber als Beweis gewertet werden darf, berücksichtigt das Basler Strafgericht nicht. Es verurteilt die beiden Angeklagten zu je 26 Monaten Gefängnis – 9 Monate davon unbedingt.

Die Urteile des Massenprozesses sind noch nicht rechtskräftig, die Verurteilten werden wohl Berufung einlegen. Dennoch wirkt der Gerichtsentscheid ebenso beklemmend wie die vier Prozesstage im Oktober 2018: Weil die Beweislage für individuelle Tatnachweise nicht ausreichte, wurde eine kollektive Mittäterschaft konstruiert. Wo es an Beweisen mangelte, wurde die politische Weltanschauung der Beschuldigten ins Feld geführt. Ungereimtheiten in der Beweisführung wurden derweil schlicht ignoriert. Und wo sich die Angeklagten auf ihr Recht auf Aussageverweigerung beriefen, wurde dies implizit als Schuldindiz gewertet. Nun kommen die hohen Strafen dazu – wobei in einem derart politisch geführten Prozess auch ein politisches Urteil kaum mehr zu überraschen vermag.