Geheimarmee P-26: Die Pistole in der Schokoladenbox
Neue Dokumente zeigen: Die Spitzen des Geheimdiensts und des Verteidigungsdepartements unterstützten die Revisionsbemühungen um die Geheimarmee P-26 eilfertig.
Akten, die spurlos verschwunden sind, und ein Museum, zu dem nur Auserwählte Zutritt haben: Seit einem Jahr gibt die Geheimarmee P-26, die am Ende des Kalten Kriegs enttarnt wurde, erneut zu reden.
Letzte Woche hat die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) unter Präsident Claude Janiak von der SP ihre Untersuchungen präsentiert. Mit Bedauern stellte sie fest, dass die Akten zu den Auslandsbeziehungen der P-26 wohl für immer verschwunden blieben. Zum Museum im sogenannten Schweizerhof in Gstaad, dem einstigen Ausbildungszentrum der P-26, wartet sie hingegen mit neuen Informationen auf.
Das Museum, dies als Hintergrund, wird von der Vereinigung Pro Castellis von Felix Nöthiger betrieben. Der frühere Primarlehrer versucht seit Jahren, das historische Bild der Geheimarmee zu revidieren: Weg von der Erkenntnis der parlamentarischen Untersuchungskommission von 1990, dass es sich bei der P-26 um eine bewaffnete Truppe ohne gesetzliche Grundlage und demokratische Kontrolle handelte, hin zum Bild von edlen PatriotInnen, die im Fall einer Besatzung ihr Leben dem Vaterland geopfert hätten (siehe WOZ Nr. 29/2018 ).
Anhand des Jahresberichts der GPDel lässt sich nachvollziehen, wie Nöthiger das Museum aufgebaut hat. Verfolgt man die Angaben weiter, wird klar: Bei seinen Revisionismusbemühungen konnte Nöthiger wiederholt auf die Spitzen des Verteidigungsdepartements (VBS) und des Nachrichtendiensts (NDB) zählen – ausgerechnet auf die Nachfolger jener Behörden also, die einst die P-26 wissentlich gewähren liessen.
Mit gütiger Hilfe von oben
Gemäss dem GPDel-Bericht hat sich Nöthiger als Erstes historisches Material der P-26 gesichert. Dieses erhielt er 2008 vom damaligen Strategischen Nachrichtendienst (SND) ausgeliehen. «Es handelte sich um diverse Übermittlungs- und Chiffriergeräte sowie einige Waffen und funktionstüchtige Zündvorrichtungen», schreibt die GPDel. Auf Nachfrage stellte der Nachrichtendienst NDB der WOZ den Leihvertrag zu.
Die Liste der ausgeliehenen Waffen macht deutlich, dass die P-26 ihren helvetischen James-Bond-Fantasien freien Lauf lassen konnte. So finden sich darauf ein «Gewehr Typ 150» (komplette Eigenentwicklung) oder eine «Maschinenpistole Typ 100» (Schalldämpfer Eigenentwicklung). Hinzu kommen Versuchswaffen mit Namen wie «Montblanc» oder «Tödi» (Warnung: Waren nie im Einsatz!). Es gibt sogar ein Modell «Tödi getarnt»: Dabei handelt es sich um eine Pistole, die in eine Schokoladenbox eingebaut ist.
Bei der Ausleihe des Materials konnte Nöthiger auf die Unterstützung des damaligen BDP-Bundesrats Samuel Schmid zählen. Wie aus der Einleitung zum Vertrag hervorgeht, unterstützte der VBS-Chef die Ausleihe mit einem persönlichen Schreiben.
Vorgesehen war gemäss Leihvertrag, dass Nöthiger das Material im einstigen Zentrallager der P-26 im st. gallischen Benken ausstellte. Die Anlage hatte Nöthiger mit Pro Castellis im Jahr 2006 von der dortigen Ortsgemeinde im Baurecht übernommen. 2015 erhielt Nöthiger zusätzlich den «Schweizerhof» in Gstaad. Dieser war ursprünglich zum Verkauf vorgesehen. «Auf Betreiben von Pro Castellis ergab dann eine Überprüfung, dass die Anlage von nationalem historischen Wert sei», schreibt die GPDel. Nöthiger sorgte also dafür, dass die Anlage geschützt wurde, um sie vom VBS, das mittlerweile unter der Leitung von SVP-Bundesrat Ueli Maurer stand, selbst im Baurecht zu erhalten. Nun wollte er hier sein Museum realisieren.
Ein grosses Wohlwollen
Darauf kam es für einmal zu einem behördlichen Einspruch: Als Nöthiger ohne Absprache plante, das Material nach Gstaad zu verlegen, kündigte ihm der Nachrichtendienst gemäss GPDel den Leihvertrag. Der NDB wollte zudem sein historisches Material systematisch inventarisieren und für eine interne Lehrsammlung aufbereiten.
Im Kündigungsschreiben vom Mai 2016, das die WOZ ebenfalls vom NDB erhielt, zeigte sich der damalige Geheimdienstchef Markus Seiler gegenüber Nöthiger aber weiterhin wohlgesinnt: «Sie engagieren sich seit Jahren in verdankenswerter Weise für das Andenken an die ehemaligen Widerstandsorganisationen (…). Dafür danke ich Ihnen und anerkenne diese grosse Leistung.»
Als Nöthiger darauf um eine Fristerstreckung des Leihvertrags bat, um das Museum in Gstaad doch noch eröffnen zu können, gewährte sie der NDB um eineinhalb Jahre. Er transportierte das Material gleich noch kostenlos von Benken zur Inventarisierung und weiter nach Gstaad. So wurde dort das Museum am 23. November 2017 vor einem ausgewählten Publikum eröffnet. Der Hauptredner war – Ueli Maurer. Nach der Eröffnung kamen die Objekte, an denen der NDB kein Interesse hatte, in die Zentralstelle Historisches Armeematerial. Diese soll nun entscheiden, wem es in Zukunft ausgeliehen wird. Unter den Interessenten findet sich bereits wieder Pro Castellis. Ein neuer Leihvertrag soll gemäss GPDel zumindest garantieren, dass die Objekte öffentlich zugänglich ausgestellt werden.
Nöthiger selbst will sich nicht äussern. «Wir führen keinen Dialog mit der WOZ.» Zutritt zum «Schweizerhof» könne er bis auf Weiteres keinen gewähren: «2019 gibt es keine freien Besuchstermine mehr, unser Personal ist ausgelastet.»