Privatisierungen: Wasser auf die öffentliche Mühle
Nichts ist so heilig im gegenwärtigen Kapitalismus wie das Versprechen der freien Wahl: Jedes Produkt gibt sich individuell, jeder Kauf soll persönlich sein. Dass es mit der Angebotsvielfalt nicht besonders weit her ist, zeigt sich aber spätestens, wenn man wieder einmal einen Handyshop betritt. Die Werbeslogans aller Anbieter klingen zum Verwechseln ähnlich. «Bereit, wozu Sie bereit sind!», wirbt die Swisscom. «Geht auch dann, wenn nichts mehr geht», heisst es bei Sunrise. Die Unterschiede zwischen den Preisen sind so minim wie jene zwischen den Worthülsen der ständigen Erreichbarkeit: Hauptsache Auswahl.
In einer wegweisenden Abstimmung hat die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich am Wochenende nun entschieden, dass es den Versprechen des Wettbewerbs und des freien Markts nicht mehr ganz trauen will. Zumindest dann nicht, wenn es um ein lebensnotwendiges Gut wie das Trinkwasser geht. Mit 55 Prozent Nein-Stimmen wurde ein neues Wassergesetz abgelehnt. Dabei herrschte eine seltene Einigkeit zwischen den hippen Zürcher Stadtkreisen und den SVP-Gemeinden auf dem Land: Der Nein-Anteil kletterte hier wie dort bis gegen siebzig Prozent.
Bei Fragen rund um den Service public findet die Linke offenbar weit über das eigene Lager hinaus Zuspruch. Der Erfolg gibt ihr Schwung vor den Zürcher Wahlen, die die nationalen im Herbst meist mitprägen.
Sicher, die Linke agierte im Abstimmungskampf nicht eben zimperlich, warnte vor einer Privatisierung der Wasserversorgung, auch wenn nur die Teilprivatisierung einzelner Wasserwerke drohte. Doch sie warnte zu Recht: Ist die öffentliche Infrastruktur erst einmal in Wert gesetzt und an Konzerne veräussert, lässt sie sich kaum mehr zurückkaufen, schon gar nicht von finanzschwachen Gemeinden. Nach dem Abstimmungserfolg wollen SP, Grüne, Alternative und die EVP folgerichtig festschreiben, dass die Ausgliederung von Unternehmen der Wasserversorgung an Private nicht erlaubt ist.
Das Zürcher Ergebnis ist ein starkes Signal für den Service public in der ganzen Schweiz. Nie war der Ruf nach Liberalisierung der Märkte und nach der Privatisierung von staatlichen Betrieben und ihrer Infrastruktur so laut wie in den Neunzigern, als unter anderem der heutige Telekommunikationsmarkt entstand. Doch noch immer laufen die Bestrebungen weiter: Aktuell treibt der Bundesrat die Revision des Stromversorgungsgesetzes voran; erst kürzlich wurde die Vernehmlassung für das neue Gesetz beendet.
Nach den Gross- würden demnach auch die KleinkundInnen ihren Anbieter frei wählen können. Die Hälfte des Stroms in der Schweiz wird heute von GrosskundInnen bezogen, die aber weniger als ein Prozent aller KundInnen ausmachen. Die Zahlen zeigen, dass der einzelne Haushalt auf einem freien Markt praktisch über keine Marktmacht verfügen würde. Das neue Gesetz dürfte vielmehr zu einer Preissteigerung führen: Die KleinkundInnen werden die Verwaltungs- und Marketingkosten für einen Wettbewerb bezahlen, auf den sie selbst kaum Einfluss nehmen können. Mitmachen müssten trotzdem alle, weil niemand ohne Elektrizität auskommt.
Ob beim Wasser, beim Strom oder auch bei der Gesundheitsversorgung: Bei Gütern, auf die alle jederzeit angewiesen sind, würde man statt über Liberalisierungen und Privatisierungen besser über weitere Kommunalisierungen nachdenken. Insbesondere im Gesundheitswesen: Dort steigen die Kosten zwar hauptsächlich wegen der Spitzenmedizin, der Demografie und weil die Pflege nicht immer effizienter werden kann. Doch auch der Wettbewerb unter den Krankenkassen trägt dazu bei. Eine Einheitskasse würde nicht nur die Kosten senken, sie würde auch die «teuren» PatientInnen davor schützen, zwischen den Kassen hin- und hergeschoben zu werden.
Der Sinn und die Schönheit des Service public liegen darin, dass er im Besitz aller ist und von allen demokratisch verwaltet wird. Das ist mehr wert als die vermeintliche Auswahl, die man als KonsumentIn auf dem freien Markt hat. Vor allem aber ist der Service public im Zweifel immer sozialer.