Die Linke und der Service public (1): Der Positionsbezug von Peter Bodenmann: Die Schweiz AG braucht mehr Staat

Bisher sind in der schweizerischen Debatte um den Service public vereinfachend (und der Debatte zuliebe auch etwas überzeichnet) folgende Positionen der Linken in Umrissen auszumachen:

• SP-Bundesrat Moritz Leuenberger steht für eine Laisser-faire- und eine Laisser-aller-Politik. Der Bundesrat wählt in zentrale Unternehmen der öffentlichen Hand von Headhuntern ausgesuchte Verwaltungsräte (und selten auch eine Verwaltungsrätin). Diesen gibt das zuständige Departement ein mehr als allgemein gehaltenes Mandat. Der Bundesrat mischt sich nur ein, wenn eine Poststelle in Genf zugeht oder ein (zu) beweglicher Parteifreund und Generaldirektor wegen Lappalien statt administrativ verwarnt geschasst wird.
• Der Solothurner SP-Ständerat und Präsident der Eisenbahnergewerkschaft, Ernst Leuenberger, gehört zu jenen der Arbeiterschaft verbundenen Traditionalisten, die wenig vom Wachstum der Produktivität in öffentlichen Unternehmen halten. Für Aschi Leuenberger darf der laufende Um- und Abbau öffentlicher Betriebe nicht auf Kosten der Stammbelegschaften gehen.
• Die neue politische Rechte in der Sozialdemokratie (heute etwa vertreten durch die beiden Zürcher NationalrätInnen Regine Aeppli und Andreas Gross) erstarrt vor Bewunderung vor den ineffizientesten staatlichen Apparaten wie etwa der Armee. O-Ton Gross zur neusten Armeereform, die nur die Zahl der Soldaten senken, die Gesamtkosten jedoch erhöhen soll: «Auch ein Sozialdemokrat hätte es nicht besser machen können.» Arme SP militar.
• Der junge Lausanner SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard hat eine tiefe Abneigung gegen politische, organisatorische und technologische Veränderungen im öffentlichen Bereich. Er will den Strukturwandel – etwa im Bereich der Strommarktöffnung – anhalten, statt ihn zukunftsgerichtet zu gestalten.
Zu wenige vertreten die in den neunziger Jahren von der SP entwickelte Logik: den Strukturwandel vorantreiben und die Effizienzgewinne nutzen, um mehr staatliche Leistungen, mehr intelligenten Staat allen in der Gesellschaft zu Gute kommen zu lassen.

Schöne Felder

Auf dem Gebiet des Service public sind politische Erfolge in der Schweiz leichter möglich als auf vielen anderen Feldern der Politik:

• Die Randregionen der Schweiz sind auf flächendeckende Dienstleistungen der öffentlichen Hand angewiesen. Sie sind die natürlichen Verbündeten der politischen Linken.
• Schweizerinnen und Schweizer lieben ihre Bahnen, Postautos und Postbüros, ihre Bähnler und ihre Pöstlerinnen. Das Herz des Volkes schlägt für den Service public.
• Nicht nur die Haushalte, sondern auch die kleinen und mittleren Betriebe sind in vielen Bereichen auf kostengünstige öffentliche Dienstleistungen, Tarife und Kredite angewiesen. Die Poch träumte einst von antimonopolistischen Bündnissen. Das eine oder andere derartige Bündnis ist nachholend realisierbar.
• Und zu guter Letzt sind ja die beiden für den Service public wichtigsten eidgenössischen Departemente (EDI und EVED) in SP-Händen.
Das heisst: Richtig vorbereit sind politische Mehrheiten sowohl in Bern wie an der Urne möglich.

Schreckgespenst Couchepin

Die Arbeitsweise von FDP-Bundesrat Pascal Couchepin ist einfach, durchsichtig und erstaunlicherweise trotzdem effizient. Mit immer neuen verbalen Provokationen sondiert er das Terrain, testet er seine politischen GegnerInnen. Wenn der Walliser auf Widerstand stösst, zieht er sich in der Regel zurück. Ist zu wenig Widerstand auszumachen, folgt der nächste Nadelstich, so etwa die unsinnige Forderung nach einer Privatisierung der Swisscom. Der etwas phlegmatische, konzeptarme, aber instinktsichere Couchepin nützt die Konzeptlosigkeit und €ngstlichkeit der Linken aus, die nicht weiss, was sie zum Beispiel mit der Swisscom machen soll.

Zu konstruktiven Kompromissen (wie es die flankierenden Massnahmen im Rahmen der bilateralen Verhandlungen darstellen) ist Couchepin nur bereit, wenn er politisch Gefahr und Niederlagen wittert.

Dabei war Couchepin – der in Martigny als Präsident uneingeschränkt herrschte – in Sachen Service public ein lokaler Etatist gaullistischer Prägung:

• Die Stromversorgung in Martigny wird direkt vom «service industrielle» der Gemeinde besorgt. Die Strompreise für, Konsumentinnen und Konsumenten sind die tiefsten in der Schweiz. Und trotzdem macht die Gemeinde jedes Jahr noch einen Millionengewinn mit dem Verkauf von Strom.
• Die Verteilung der Fernsehprogramme besorgt zu vernünftigen Preisen ein lokaler Gemeindezweckverband.
• Couchepin wollte, dass die Gemeinden gemeinsam als regionale Provider das Telefonieren lokal kostenlos, national und international kostengünstig anbieten sollten.

Nix als Stadt Martigny samt Umfeldgemeinden, nix als Staat: Von Privaten weit und breit keine Spur. Strom, TV und Telefon - alles in öffentlicher Hand.
Übrigens: Auch die reichen Gemeinden entlang des Zürichsees behalten ihre Fernsehverteilung, weil es die Gutverdienenden so (wie der Vertreter der Alternativen Liste im Zürcher Stadtparlament, Niggi Scherr, im-mer wieder verdienstvoll nachgerechnet hat) günstiger kommt.

Unverstand

Karl Marx studierte intensiv die Entwicklung und den Stand der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse. Die Veränderungen von Kapital und Arbeit im Wechselspiel mit der technischen Entwicklung faszinierten ihn. Heute werden bei der Diskussion um den Service public oft einfachste Dinge wie Liberalisierung, Privatisierung und Stand der technischen Entwicklung nicht auseinander gehalten. Dies etwa, wenn sich Bundesrat Leuenberger darüber beklagt, die Liberalisierung des Strommarktes koste 4000 bis 5000 Arbeitsstellen.

• Liberalisierung bedeutet nicht automatisch Privatisierung aller Betriebe. Auch auf liberalisierten Märkten können effizient geführte Betriebe der öffentlichen Hand eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Gerade weil die Linke für die europäische Integration eintritt, muss sie entsprechende Konzepte für die Schweiz entwickeln. Denken wir nur an die kantonalen Feuerversicherungen, die heute effiziente Monopole sind und sich morgen in Konkurrenz zu ineffizienten privaten Versicherern durchsetzen müssen und können.
• Wir leben glücklicherweise in einer Zeit gewaltiger technologischer Um- und Durchbrüche. Wasserkraftanlagen werden automatisch überwacht, Telefonzentralen finden neu Platz in Computern, und Lokführer werden dank neuen Leitsystemen bald so überflüssig sein wie einst die Heizer auf der Elektrolok.
• Diese technologischen Fortschritte sind nicht das Resultat der Liberalisierung. Die Preise der Telefonie sinken nicht wegen der Liberalisierung, sondern wegen des technischen Fortschritts. Die Arbeitsplätze im Strombereich verschwinden nicht – wie Bundesrat Leuenberger dies landesweit verbreitet – wegen der Strommarktöffnung, sondern eben wegen des technischen Fortschritts und weil die Infrastrukturen im Strombereich weitgehend erstellt sind.
• Es gibt keinen Grund, warum ein Unternehmen der öffentlichen Hand bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen nicht gleich effizient arbeiten soll wie ein privates Unternehmen. Im Gegenteil: Liberalisierung kombiniert mit Privatisierungen führt mittelfristig (wie immer mehr Beispiele zeigen) zu ineffizienten privaten, marktbeherrschenden Unternehmen und faktischen Kartellen, die für mehr Geld weniger Leistungen anbieten, da sie die renditehungrigen Shareholder durchfüttern müssen.
• Effiziente öffentliche Betriebe, die den Markt beherrschen, müssen kein Geld in überflüssige Werbekampagnen und doppelte Infrastrukturen stecken. Diese Vorteile können und müssen sie nutzen, um Arbeitsplätze in Zukunftssektoren zu schaffen, was wiederum zu einer Steigerung der Lebensqualität von SteuerzahlerInnen und KonsumentInnen führt.
• Dabei entstehen neue Berufsbilder. Anstatt schwergewichtig Strom zu verkaufen, kann die Elektrizitätswirtschaft breit in jenes «Contracting» einsteigen, das dank Investitionen den Energieverbrauch senkt. Anstatt schwergewichtig Strom und Gas zu verkaufen, müssen die Elektrizitätswerke lernen, den Verkauf von Energie durch eigene Investitionen in Gebäudeversicherung und Haustechnik zu senken und dieses arbeitswirksame Paket im Rahmen eines Contracting als Dienstleistung an die Hauseigentümer zu verkaufen. Neue und anspruchsvollere Berufsbilder werden die Zukunft der Bähnlerinnen und Bähnler prägen.

Ein Einspruch ist berechtigt: Ohne die unsichtbare Hand des Marktes bewegen sich unbewegliche Staatsbetriebe in der Regel nicht. Und gerade deshalb muss, wer einen starken und leistungsfähigen staatlichen Bereich will, die Steigerung der Produktivität und Effizienz zu einem zentralen Thema machen.
Die Linke muss alte Strukturen aufbrechen, Sparpotenziale realisieren und neue Felder sinnvoller staatlicher Tätigkeit schaffen. Denn die politische Rechte hat letztlich kein vitales Interesse an effizienten staatlichen Betrieben, da man diese nicht so leicht privatisieren oder totsparen kann.

Armee halbieren

Die Schweiz gibt pro Kopf für die Armee doppelt so viel aus wie die Deutschen und vier Mal so viel wie Österreich.

Braucht die Schweiz eine Armee? Bei Tageslicht besehen ginge es vermutlich ebenso sicher und erst noch billiger auch ohne. Gibt es in der Schweiz absehbar eine Mehrheit für die Abschaffung der Armee? Sicher nicht.

Die SP präsentierte 1995 das Konzept des Militärexperten Lutz Unterseher. Sein Fazit: Zum halben Preis ist eine effiziente, defensive Armee machbar. Anstatt dieses Reformprojekt voranzutreiben, wurde das Konzept sorgsam schubladisiert.

Heute fordert SVP-Verteidigungsminister Adolf Ogi für mehr Geld eine Armee mit halb so vielen Soldaten, aber mit mehr Kriegsgerät, das auch Interventionen im Ausland zulässt. Selbst der freisinnige Couchepin meldet Widerspruch an.

Von Aeppli bis Gross loben neu moderate Linke die grösste ogiastische Kapitalvernichtungsmaschinerie der öffentlichen Hand, und dies nur deshalb, weil sie neu für Interventionen im Ausland gerüstet wird. Beim nächsten völkerrechtswidrigen Krieg sollen wir schliesslich mitrollen, unter amerikanischem Kommando.

Der Einsatz der Partei für die hinterlegte Volksinitiative zur Halbierung der Armeekosten war bisher nur hinter dem Komma auszuloten. Das sollte sich, wenn möglich vor der Abstimmung, ändern.

Vielleicht könnte man auch mit einem neuen (vorab für die Freisinnigen attraktiven) Ansatz etwas Bewegung in die Sache bringen:

• Die Solidaritätsstiftung, die in der heutigen Form nie zum Tragen kommt, wird neu mit jährlich 700 Millionen Franken aus den Mitteln des VBS finanziert, was allein mit Mehrheiten im Bundesrat und im Parlament realisierbar ist.
• Der Bestand der Armee wird auf 110000 Mann reduziert. Die Wirtschaft und die Lohnabhängigen werden über eine massive Senkung der Diensttage mitentlastet, um den Werkplatz zu stärken.
• Der Ertrag aus dem Gold und dem Geld der Nationalbank wird zur Hälfte benutzt, um einerseits die Leistungen der AHV zu verbessern und andererseits eine breite Bildungsoffensive zu starten.

Der SVP kämen auf einen Schlag praktisch alle Themen abhanden. Die Schweiz bekäme ohne Erhöhung der Staatsquote mehr sozialen, solidarischen und innovativen Staat. SP-Fraktionschef Franco Cavalli machte im «Blick» kürzlich einen kleinen Eintagesausflug in diese Richtung, wurde aber von der SP militar umgehend zurückgepfiffen.

10 000 Bauernbetriebe sind genug

Die Schweiz kennt im Bereich des ruralen Service public zu viele ineffiziente Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtner.
Würde die Schweiz die landwirtschaftlichen Produkte auf dem Weltmarkt einkaufen, könnten wir sechs bis sieben Milliarden Franken einsparen. Wären wir in der EU, käme uns die Landwirtschaft immer noch drei Milliarden günstiger zu stehen als heute.

Jeder Schweizer Haushalt bezahlt (verglichen mit dem in Sachen multifunktionaler Landschaftspflege und biologischer Landbau vorbildlicheren EU-Land Österreich) im Jahr 1000 Franken zu viel. Und dies, weil hochineffiziente Strukturen durch hocheffiziente Bauernlobbys geschützt werden.
Wir brauchen mittelfristig nicht 50000 Vollerwerbsbetriebe, sondern 10000 Betriebe, die ökologisch und ökonomisch halbwegs effizient durchschnittlich 100 Hektaren bewirtschaften.

Dieser Umbau hat sozial-, regional- und bauernverträglich zu erfolgen. Die zu stark verschuldeten Bauernbetriebe bedürfen der Sanierung. Der stark überaterte Bauernstand muss Anspruch auf Frühpensionierung haben. Umgekehrt muss die öffentliche Hand Anspruch auf die noch nicht eingezonten Baulandreserven zum landwirtschaftlichen Bodenpreis erhalten.

Mit dem so erworbenen Bauland in der Hinterhand könnten die Gemeinden kostengünstigen Wohnraum erstellen, vermieten oder verkaufen, was die Lebenskosten der Lohnabhängigen senken und deren Kaufkraft stärken würde.

SBB: Dreimal so viel transportieren

Die Bahnen müssen, wenn sie den Wettlauf der Verkehrssysteme überleben wollen, in zwanzig Jahren mit gleich viel Personal doppelt so viele Passagiere und viermal so viele Waren wie heute transportieren.

Die SBB brauchen dazu einen Effizienzschub:

• Die absolute Priorität gehört der Leittechnik. Die Züge der Zukunft müssen dank eines zu Ende entwickelten ETCS (European Train Control System) ohne Lokführer durch die Schweiz summen.
• Die Geschwindigkeiten im schweizerischen Schienennetz müssen, wo dies möglich ist, zwischen 140 und 160 Stundenkilometern harmonisiert werden, sonst fressen Züge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten die teuer gebauten Kapazitäten.
<• Ein voll automatisiertes Eisenbahnnetz mit harmonisierten Geschwindigkeiten lässt die Schaffung von schnellen und somit attraktiven Punkt-zu-Punkt-Verbindungen im Personenverkehr zu. Dank der Stadtbahn SBB kann die Schweiz zu einer attraktiven, europäischen 7-Millionen-City werden.
• Neue Technik und neue Organisation erfordern neues, leichteres, Energie sparendes und lärmarmes Rollmaterial mit einheitlichen Plattformen samt Antrieb derselben auf der Achse oder im Rad.

Statt vierzigjährigem Rollmaterial brauchen wir High Tech und High Brain. Statt die Rollmaterialindustrie zu liquidieren, braucht es eine Industriepolitik im Interesse des Werkplatzes Schweiz. Da sich die Bahnherstellerin Adtranz auflöst, wären die Chancen dafür gar nicht so schlecht. Vorausgesetzt die SBB nutzen ihre Nachfragemacht, und der Bund betreibt ansatzweise eine Industriepolitik für diesen bedrohten Sektor.

Swisscom

Die Telekommunikation ist ein Markt der Zukunft. Verschiedene Technologien, verschiedene Infrastrukturen, verschiedene Anbieter stehen im Wettbewerb miteinander.

Daten können über das Telefonnetz, das Stromnetz, die TV-Kabel oder per Funk übermittelt werden. Welche Technologien und welche AnbieterInnen sich durchsetzen, ist offen.

Die Swisscom hat zwei Trümpfe: Sie ist mit ihren Glasfaser- und Kupferleitungen in allen Haushalten und Unternehmen der Schweiz zu Hause. Und sie hat mehr Natel-AbonnentInnen als alle anderen MarktteilnehmerInnen zusammen.

Unverständlicherweise hat die Swisscom ihren Anteil an der Cablecom verscherbelt, statt Hauslieferant Siemens seinen Drittel abzukaufen.
Der Schweiz drohen heute zu viele Investitionen in zu viele Telekommunikations-Infrastrukturen. Sie schaden der Swisscom und gehen auf Kosten der Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Haushalte und Unternehmen ihrerseits wollen zu günstigen Preisen telefonieren, schnell über das Internet kommunizieren und möglichst viele Fernsehprogramme schauen. Wenn nicht alle Berichte täuschen, kann man diese Bedürfnisse mittels der so genannten ADSL-Technik neu auch über das Kupfernetz realisieren.

Die Technologie gibt Moritz Leuenberger also eine zweite Chance. Anstatt Swisscom-Aktien zu verkaufen, muss der Bund als Mehrheitsaktionär verlangen, dass die Swisscom so schnell wie möglich das ganze Land, alle Haushaltungen und Betriebe mit jener ADSL-Technik ausrüstet. Sie ermöglicht es, bis zu acht Millionen Bits pro Sekunde über Kupferleitungen zu jagen.

Ein solcher Investitionsschub lässt den Strom unsinniger Investitionen in andere, doppelte und dreifache Infrastrukturen sofort gerinnen. Die Lebensqualität von Surferinnen und Surfern sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz würden sprunghaft ansteigen.

Für Moritz Leuenberger ist die Swisscom ein finanzielles «Klumpenrisiko». Wahr ist: Das Klumpenrisiko der Swisscom ist vielmehr der Mehrheitsaktionär Bund, weil er keine Strategie hat.

Die Post

Poststellen sind lokale Kommunikationszentren. Wie viele es davon in der Schweiz braucht, ist nicht unwichtig, aber dennoch nicht zentral.
Die Banken bereichern sich mit ihren Superrenditen auf Kosten der realen Wirtschaft und der Haushalte.

Wichtig ist deshalb die Frage, ob die Post im Interessen der Haushalte und der kleinen und mittleren Betriebe eine Bank schaffen kann:

• Aus der Postcard muss eine veritable Kreditkarte werden, die mit kostengünstigen Transaktionen allen dient, die Waren und Dienstleistungen kaufen und verkaufen.
• Die Postbank muss mit günstigen Hypotheken den sozialen Wohnungsbau fördern.
• Mit neuen Kreditinstrumenten muss die Postbank in jene Lücke springen, die die Grossbanken bei den kleinen und mittleren Unternehmen hinterlassen haben.

Die Grosskonzerne haben ihre eigenen Bankabteilungen. Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer, die Mehrheit der Unternehmen in der Schweiz brauchen eine effiziente Postbank in ihrem Interesse.

Der Strommarkt

Im Bereich des Strommarktes ist die Linke gespalten. Die einen wollen ihn schnell, die anderen vorerst nur für die Grossen öffnen.
Das vom Nationalrat verabschiedete Paket an Energievorlagen wird (Opec sei Dank) angesichts stark gestiegener Preise für Benzin und Heizöl geringere Chancen haben.

Der Ständerat will das Gesetz zur Öffnung des Strommarktes erst nach den Volksabstimmungen über diese Energievorlagen weiterberaten.
Um diese Beratungen (unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung) positiv beeinflussen zu können, wäre es sinnvoll, eine zukunftsgerichtete Volksinitiative zu starten, die zugleich mehr Staat, mehr Markt und mehr Effizienz einfordert. Sie könnte zum Beispiel folgende Stossrichtung haben:
«Der Schweizer Strommarkt wird für alle, die in der Schweiz elektrische Energie produzieren, transportieren oder konsumieren, umgehend und gleichzeitig geöffnet.

Eine staatliche und nicht gewinnorientierte Netzgesellschaft betreibt flächendeckend und effizient das Hochspannungsnetz für Elektrizität sowie dessen Regulierung. Diese nationale Netzgesellschaft ist Eigentümerin des Hochspannungsnetzes.

Die Preise für die Durchleitung der Energie auf den verschiedenen Spannungsebenen wird durch den Preisüberwacher nach einheitlichen Grundsätzen festgelegt. Dies unter Berücksichtigung der Tatsache, ob eingespeiste Energie das Netz belastet oder entlastet.

Im Mittel- und Niederspannungsbereich tragen die Tarife den unterschiedlichen regionalen Kosten Rechnung. Die Kantone können festlegen, welche Stromverteiler welche Spannungsebenen und welche Versorgungsgebiete innerhalb des Kantonsgebietes gemeinsam und zu einheitlichen Tarifen zu versorgen haben.

Anlagen, die Strom aus Sonnenenergie produzieren, können alle Netze während der ersten zwanzig Jahren ihrer Betriebsdauer kostenlos nutzen. Anlagen, welche Energie umweltfreundlich und dezentral produzieren, während der ersten zehn Jahre ihrer Betriebsdauer.

Produzenten, deren Werke oder Beteiligungen zu teuren Strom produzieren, können ihre Werke oder Beteiligungen verpfänden und erhalten von der Nationalbank im Gegenzug günstige Kredite, die die Verzinsung und die Amortisation der getätigten Investitionen sowie die Bezahlung der Wasserzinse ermöglichen. Die Eigentümer der vorübergehend verpfändeten Anlagen müssen die gewährten Zinsvergünstigungen zurückzahlen, wenn die Entwicklung der Strommarktpreise dies erlaubt.

Schweizerische Atomkraftwerke, deren Eigentümer günstige Kredite beanspruchen, sind spätestens nach dreissig Betriebsjahren stillzulegen.
Übergangsbestimmung: Innerhalb eines Jahres nach der Annahme dieser Initiative – und bis zum Inkrafttreten des Strommarktöffnungsgesetzes - setzt der Bundesrat die Öffnung des Strommarktes für alle mittels einfachem Bundesbeschluss um.»

Planung und Globalbudgets

Es gibt kein schweizerisches Gesundheitswesen. Es gibt 26 kantonale Gesundheits-Versorgungs-Systeme. Die Kosten der Gesundheitssysteme in Genf und Basel sind 2,5-mal so hoch wie jene in Zug, ohne dass es den geringsten Hinweis auf eine medizinische Unterversorgung im Kanton Zug gäbe. Das heisst: Die Politik hat riesige Spielräume, die es zu nutzen gilt.

Gesundheitsministerin Ruth Dreifuss hat – bei allen Verdiensten, die ihre beharrliche gewerkschaftlich geprägte Arbeitsweise der kleinen Schritte auch hat – zwei wesentliche politische Fehler mitbegangen:

• Im Rahmen der Studien der «Interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherungen» (IDA-FiSO I und II) wurde einerseits das künftig mögliche wirtschaftliche Wachstum systematisch unterschätzt. Andererseits gingen die AutorInnen auf die grossen Sparpotenziale im Gesundheitswesen gar nicht ein.
• Das Departement des Innern hat es verpasst, einen Think-Tank aufzubauen, der sich unter anderem kompetent mit der Ökonomie des Gesundheitswesens auseinander gesetzt hätte.
Auf wenigen Gebieten ist intelligente Planung kombiniert mit Kontrollen und Anreizen wirksamer als im Gesundheitswesen:
• 2,5 Spitalbetten auf 1000 EinwohnerInnen sind genug. Sinnvoll sind öffentliche Spitäler mit einer Kapazität zwischen 300 und 500 Betten. Private Rosinenpicker müssen sanft narkotisiert und aus dem Markt gedrängt werden.
• 400 ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte pro 100000 EinwohnerInnen sind genug. Mehr Doctores produzieren mehr Fälle, aber nicht mehr Qualität. Kantone und Krankenkassen müssten mit der Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte, die gute Arbeit leisten, grosse regionale oder kantonale Gesundheitskassen zimmern.
• Heute werden zu viele und zu teure Medikamente konsumiert. In Genf doppelt so viele wie in St.Gallen. Und in der Schweiz doppelt so teure wie in Italien. Korrekturen sind auch hier möglich.

Die so erzielten Effizienzgewinne könnten der Verbesserung der Leistungen im Bereich der Grundversicherung dienen. Die Kosten des so reorganisierten Gesundheitswesens dürfen – da das Gesundheitswesen ein Wachstumssektor ist, der Arbeitsplätze schafft – parallel zum realen Wachstum der Wirtschaft steigen. Eine soziale Finanzierung der Kassen muss die Kaufkraft von Familien und Menschen mit kleinen sowie mittleren Einkommen stärken.

Perspektiven

Die Schweiz hat eine bescheidene Staatsquote. Wir können dank neuen Technologien bereits mit dieser Staatsquote bedeutend mehr Leistungen für alle Menschen in der Schweiz erbringen. Schneller Strukturwandel kann, aber muss nicht weniger Staat bedeuten. Wer auf Dauer richtigerweise mehr Staat will, muss schnellen Strukturwandel regional- und sozialverträglich vorantreiben.

Die modernistischen Rechten in der SP trauen dem Staat und seinen Betrieben die Kraft zum Strukturwandel ohne Privatisierung nicht zu. Die traditionellen Linken innerhalb der SP leiden an der gleichen Fusskrankheit. Auch sie haben letztlich kein Vertrauen in dynamische öffentliche Unternehmungen. Deshalb kämpfen sie für deren Mumifizierung.

Je mehr sich weltweit die Multis dank Marktmacht, dank faktischen Monopolen und stillschweigenden Kartellen auf Kosten der kleinen und mittleren Unternehmen, der kleinen und mittleren Einkommen bereichern, desto attraktiver werden staatliche Unternehmen, die auch zur Motivierung ihrer Lohnabhängigen gute Arbeitsbedingungen und demokratische Mitbestimmung brauchen.

Nur eine gewerkschaftliche und politische Linke, die effiziente staatliche Betriebe durchsetzt, kann mit Aussicht auf Erfolg die wesentlichen Bestandteile des Beamtenstatus verteidigen.

Noch nie gab es so viele gute Gründe für mehr Staat, für mehr effizienten Staat. Linke und Gewerkschaften müssten weniger die bisherigen Errungenschaften verteidigen als Errungenschaften, die sich zu verteidigen lohnen, neu schaffen.