Auf allen Kanälen: Honorar? Geschenkt!

Nr. 10 –

Eine neue Erhebung unter Freien zeigt: Ohne festen Job kann man sich Journalismus fast nur noch als Hobby leisten.

Wenn irgendwo die grassierende «Gratismentalität» beklagt wird, dann ist das meist aufs Publikum gemünzt: auf die LeserInnen also, die angeblich immer weniger bereit sind, für Inhalte zu zahlen, weil sie sich längst daran gewöhnt haben, dass im Netz vieles gratis zu finden ist, auch Journalismus. Wobei die grossen Verlage das ihrerseits kräftig befördert haben, seit sie anfingen, ihren Content für die People im Netz zu verschenken.

Jetzt ist offenbar eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die «Gratismentalität» erstreckt sich nun auch darauf, wie die Verlage journalistische Arbeit vergüten. Oder eben nicht, wie der Journalist Reto Hunziker in einem Beitrag publik gemacht hat, der in der «Medienwoche» gratis im Netz steht. Für ein Interview mit einem populären deutschen Astrophysiker hatte er vergeblich einen Abnehmer gesucht. Nach zehn Absagen, darunter auch von der WOZ, sah er schliesslich keine andere Möglichkeit, als das Interview zu verschenken. Er trat es gratis an den «Tages-Anzeiger» ab – weil dort zwar Interesse da war, aber eben, wie bei manchen anderen Redaktionen auch, kein Geld für Texte von Freien.

Honoraransätze liegen im Keller

Nun kann man sich fragen: Wieso soll ich als LeserIn für journalistische Arbeit bezahlen, wenn diese offenbar schon dem Verlag, der sie publiziert, nichts wert ist? Hunziker indes hat ja den «unmoralischen Deal», wie er das selber nennt, von sich aus angeboten. Und sein Erfahrungsbericht liest sich auch wie eine Beichte. Ein Journalist versucht hier, sich vom obszönen Akt zu reinigen, dass er den ohnehin schwindenden Wert journalistischer Arbeit eigenhändig bis auf den Nullpunkt herabgesetzt hat.

Die Episode wirkt wie die angemessen zynische Pointe zu einer Übersicht, die der Verein Junge Journalisten Schweiz sechs Tage zuvor veröffentlicht hatte. Über Monate hinweg hatte der Verein erhoben, wie freie JournalistInnen in der Schweiz bezahlt werden. Entstanden ist eine offene Datenbank mit bislang rund 150 Fallbeispielen von 47 Schweizer Medientiteln. Die meisten Angaben beruhen auf konkreten Erfahrungswerten – auf die offizielle Anfrage haben nur gerade acht Medien mit genauen Auskünften zu Honoraren und anderen Konditionen reagiert.

Der Befund ist ernüchternd, wenn auch nicht überraschend: Die meisten Titel zahlen ihren Freien nicht annähernd die von den Berufsverbänden empfohlenen Tagesansätze (auch die WOZ nicht, wobei hier auch der Lohn der Festangestellten weit unter dem empfohlenen Minimum liegt). Ohne einen Redaktionsjob, so muss man bilanzieren, kann man sich Journalismus eigentlich höchstens noch als Hobby leisten.

Aufträge versiegen

Wer wie gut zahlt, ist allerdings auch nur die eine Seite. Eine andere, vorgelagerte Frage wäre, wie sich die Medienkonzentration auf die Auftragslage bei den Freien auswirkt. Man merkt es zum Beispiel beim Lesen des «Tages-Anzeigers». Die Zusammenlegung der Redaktionen und der Pauschalvertrag für die Lizenz, beliebig viele Artikel aus der «Süddeutschen Zeitung» zu übernehmen, haben dort dazu geführt, dass in überregionalen Mantelressorts wie dem Kulturteil kaum mehr Texte von Freien erscheinen. Gibt es überhaupt noch ein Budget für Honorare für Freie? Natürlich, sagt Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser auf Anfrage, wobei er namentlich auf die Kolumnen im Kulturteil verweist. «Wenn wir zusätzlich freie Mitarbeiter beschäftigen, braucht es einen Mehrwert, den wir selber nicht leisten können, oder einen personellen Engpass.»

Bloss, ein solcher Engpass ist wohl schwer zu begründen in einer Redaktion, die seit der Zusammenlegung notorisch überbelegt ist. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Titel mit den Artikeln der Festangestellten in Bern, München oder Winterthur bestückt werden, umso weniger Aufträge bleiben für Freie. Und wenn es keine Aufträge mehr gibt, wird irgendwann auch die Honorarfrage hinfällig.

Für seinen Erfahrungsbericht in der «Medienwoche» erhält Hunziker übrigens ein Honorar von 500 Franken. Vielleicht ist auch das symptomatisch: Ein Journalist steht offenbar höher im Kurs, wenn er am eigenen Beispiel den Niedergang der Branche vorführt, als wenn er einfach den Job macht, für den er eigentlich bezahlt gehörte.

Die Erhebung zu den Honoraren für Freie ist zu finden auf www.jungejournalisten.ch.