Auf allen Kanälen: «Hurra Frauentag!»
Am 8. März war Weltfrauentag. Eine kleine Pressekritik zwischen Backlash, Kulturkampf und Mutterkult.
Pflichtübung oder Chance? Die Berichterstattung zum Weltfrauentag zeigt prägnant, was den Redaktionen zum Thema Frauen einfällt. Viele schreiben über Lohnungleichheit und Frauenmangel in Männerdomänen oder über Ausnahmefrauen in selbigen Männerdomänen, wozu Wirtschaft, Wissenschaft, das Sport- und auch das Musikbusiness gezählt werden. Zu lesen gibt es Porträts, Analysen und viele Interviews, in denen meist mehrere Frauen zusammen diskutieren, während man Männer in der Regel zum Einzelinterview bittet.
Schlechte Laune
Auf tagesanzeiger.ch treten Michèle Binswanger und Bettina Weber an, um – «Hurra Frauentag!» – mit dem Feminismus «aufzuräumen». Sie wollen die Debatte «beschleunigen», aber auch «versachlichen» und stellen fest: «It’s a men’s world» (sic), und das mache «schlechte Laune». Gut, wenns nur das machte, denkt man, und merkt dann, dass die versprochene Beschleunigung vor allem im Rückwärtsgang Fahrt aufnimmt. Vielleicht hätten ja «die meisten Männer gar keine Lust auf Hausarbeit und Kinderbetreuung» oder die Frauen auf Karriere, wird spekuliert. Und das «ist doch okay».
Nicht okay sind gemäss Binswanger und Weber der «Papi-Tag» und die Reduktion der Frau auf den Uterus. Ausserdem solle man nicht ständig auf den alten weissen Männern herumhacken, wenn die «nicht ganz so weissen Männer» doch viel mehr Probleme machten. Nach einer schwindelerregenden Definition – «Feminismus bedeutet, als Frau über die eigenen Geschlechtsorgane verfügen und sich dafür einsetzen zu wollen» –, die den feministischen «Zickenkrieg» klären soll, biegen wir, von der schiefen Logik etwas gebeutelt, in die Schlussfolgerung ein: Frauen «sind gleichberechtigt. Deal with it.»
In der NZZ führt derweil die 28-jährige Angelika Hardegger vor, was Versachlichung wirklich bedeutet. Frauen müssten halt die Ärmel hochkrempeln und andere Stammtischsprüche, die auch bei Binswanger und Weber fallen, werden auf ihren Realitätsgehalt abgeklopft. Wer weibliche Fachkräfte in der Wirtschaft halten wolle, schreibt Hardegger, müsse politisch auch die Voraussetzungen dafür schaffen. Stattdessen lägen laut der absurden Logik des männerdominierten Parlaments diskriminierende Frauenlöhne weiterhin «im wirtschaftlichen Interesse der Schweiz» – trotz Gleichstellungsauftrag in der Verfassung. Flankiert ist diese präzise Analyse im Blatt von einem Interview mit «drei Karrierefrauen und Müttern» und einem Artikel über Pionierinnen in der Naturwissenschaft.
Dass der Kulturkampf in der NZZ noch nicht zugunsten der progressiven Köpfe entschieden ist, macht einen Tag vor dem 8. März der Feuilletonaufmacher klar. Der «Führungsexperte» Reinhard K. Sprenger erklärt in fünf Punkten, warum Frauenquoten paternalistische «Frauenverniedlichung» seien. Sprengers Ausgangsthese: «Frauen sind schon lange keine Opfer einer männlich definierten Welt mehr.»
Und der Boulevard ausserhalb des NZZ-Feuilletons? Der «Blick» feiert sechzig Jahre Barbiepuppe, aber daneben auch die kämpferische Schriftstellerin Federica de Cesco (in einem Doppelinterview). Ein Riesenfortschritt, verglichen mit der «Blick»-Ausgabe vom 8. Februar 1971, als sich eine nackte Frau ganzseitig für «die Rosen» (gemeint war das Frauenstimmrecht) bedanken durfte.
Häkeln und stricken
Weiterhin tief in den fünfziger Jahren steckt dagegen der «Bild»-Briefkolumnist Franz Josef Wagner. Unter dem Titel «Lieber Frauentag» sehnt er sich nach «den Frauen meines Lebens», aber vor allem nach seiner Mutter. Diese konnte häkeln und stricken und hat dem Herrn Wagner einst die Brust mit Kräutern eingeschmiert. In Erwartung «Ihres Shitstorms» zieht er unerschrocken sein Fazit: «Eine Frau ist für mich eine Mutter.» Die Verwechslung mit dem Muttertag unterläuft auch dem Magazin der «Süddeutschen», das zum 8. März sieben Frauen einen Brief an ihre Mutter schreiben lässt.
Ganz freigemacht von allem Weiblichen hat sich die «Basler Zeitung». Wenn diese Redaktion «Frauentag» hört, denkt sie: Arthur Cohn! Und gibt dem 92-jährigen Basler Filmproduzenten ohne Grund und Aufhänger die ersten drei Seiten der Zeitung als Spielwiese für viel Belangloses. Mittendrin in diesem zweitabgedruckten Interview posiert Cohn mit seinen sechs Oscar-Männchen. Journalismus zum Weltdinosauriertag?