Muslimische Mode: Hinter dem Schleier der Empörung
Mipsterz im Museum: Die Ausstellung «Contemporary Muslim Fashions» in Frankfurt zeigt Kleider für stilbewusste Musliminnen – und erhitzt in Deutschland die Gemüter von links bis ganz rechts.
Die Welt ist ein einziges Durcheinander, mit all dem globalen Kommerz, dem grenzüberschreitenden Pop und dem Internet, das in Echtzeit noch in den entlegensten Winkel funkt. Die Unordnung schafft Neues und Vielschichtiges, provoziert aber auch Ablehnung: Nicht umsonst hat heute ein Freund-Feind-Denken Konjunktur, das eine brachiale Komplexitätsreduktion propagiert.
Diese explosive Gemengelage unserer Gegenwart lässt sich momentan ausgerechnet im Museum hautnah erfahren – in der Modeausstellung «Contemporary Muslim Fashions» im hessischen Frankfurt. «Hautnah» ist dabei buchstäblich zu verstehen: Wer die Schau besuchen will, die einen Überblick über Trends in Sachen muslimische Kleidung bietet und seit ein paar Tagen im Museum Angewandte Kunst am Mainufer zu sehen ist, muss sich erst mal abtasten lassen. Im Eingangsbereich des Hauses begrüsst einen Sicherheitspersonal, das die Hosen- und Jackentaschen filzt. Dann gehts durch einen Metalldetektor wie am Flughafen, ehe man schliesslich seinen um potenzielle Terrorutensilien erleichterten Fjällräven-Unisexrucksack wieder in Empfang nehmen darf.
Vorwürfe schon im Vorfeld
Grund für die ungewöhnlichen Sicherheitsprozeduren sind Hassnachrichten aus dem rechten Milieu, die das Museum nach eigenen Angaben vor der Ausstellungseröffnung erhalten hat: Der Durchschnittsnazi macht eben keine Luftsprünge, wenn sich eine Kulturinstitution der Dokumentation nichtgermanischer Textilien widmen möchte; er schickt lieber Morddrohungen.
Angriffe auf das Team um den Museumsdirektor Matthias Wagner K gab es aber auch aus anderer Richtung. So äusserten sich einige Feministinnen empört über die Schau: Die von Alice Schwarzer herausgegebene Zeitschrift «Emma» skandalisierte diese als «Werbeausstellung fürs Kopftuch», ähnlich sah es Naila Chikhi von der Frauenrechtsorganisation Terre des femmes, die dem Museum vorwarf, sich vor den Karren der Ultrareligiösen spannen zu lassen. Auch jener Teil der deutschen Linken, der beim Thema Islam besonders allergisch ist, witterte postkolonialen Hokuspokus und einen Kniefall vor einer barbarischen Ideologie.
Die Problematik verdichtet sich dabei schon in der Frage, wie das, was da im Museum zu sehen ist, auf Deutsch genau zu benennen ist. Die Ausstellung war zuerst in San Francisco zu sehen, wo sie dem Vernehmen nach einhellig bejubelt wurde, ehe sie in die deutsche Bankenmetropole weiterzog. In Kalifornien wurden die gezeigten Kleidungsstücke unter dem Label «modest fashion» geführt, was hier nun mit «dezenter Mode» übersetzt ist, und eben nicht mit «sittsam» oder gar «züchtig», was auch denkbar gewesen wäre. Das kann den Verdacht nähren, dass hier nicht nur Schleier präsentiert werden, sondern dass zudem deren repressiver Charakter kaschiert werden soll.
Tatsächlich ist die Schau grundsätzlich affirmativ: Man will hier selbstbewusst Mode für Musliminnen zeigen, die zwar durchaus figurbetont ist, dabei aber möglichst wenig Haut offenbart, um so auch konservativen Wertvorstellungen zu entsprechen. Beim Rundgang stellt sich jedenfalls nicht der Eindruck ein, dass man hier mit übergrosser pädagogischer Distanz und einem erhobenen Zeigefinger zur Sache ginge.
Mit Hidschab auf dem Skateboard
Vielleicht aber führt «Contemporary Muslim Fashions» gerade deshalb eindrücklich vor Augen, wie gewaltig der globale Markt für muslimische Mode ist; jährlich werden auf diesem 44 Milliarden Dollar umgesetzt. Eine derart grosse Nachfrage schafft nicht nur Raum für die erwartbar prachtvoll-orientalischen Gewänder mit Luxuskleidern von Chanel und Dior, sondern auch Nischen für Exzentrisches: ein Ensemble des malaysischen Stardesigners Bernard Chandran zum Beispiel, bestehend aus silberner Hose und einem mit glitzernden Swarovski-Steinen verzierten Jackett; oder auch ein fast schon futuristisch anmutender Entwurf der britischen Modeschöpferin Rebecca Kellett.
Sehenswert sind zudem die Aufnahmen des US-Fotografen und Musikers Langston Hues, der durch die Metropolen des Globus getingelt ist, um den «modest street style» festzuhalten. Das Ergebnis sind Porträts junger Frauen, die lange Ärmel und Hidschab mit Sneakers und Baseballcap kombinieren – modische Mash-ups aus konservativer Tradition und urbanem Stilbewusstsein. Das sieht cool und eher nach Selbstermächtigung denn nach unterdrückter Frau aus, wobei damit natürlich nicht gesagt ist, dass mit solcher Mode gleich das Patriarchat aufgehoben wäre.
Fürstin im Werbevideo
Dasselbe gilt für das Phänomen der «Mipsterz», das in Frankfurt anhand eines kurzen Videos vorgeführt wird. Die Wortschöpfung bezeichnet besonders hippe MuslimInnen, wie sie im Clip zur Musik des US-Rappers Jay Z zu sehen sind: Frauen mit Hidschab, die sich entweder auf High Heels oder dem Skateboard den städtischen Raum aneignen. Dazu passende Outfits liefert die in Österreich geborene Designerin Imen Bousnina, in deren Entwürfen zur «modest fashion» etwa Kapuzenpullover Verwendung finden.
Nicht weit davon entfernt steht man schliesslich vor dem von der libanesischen Modeschöpferin Aheda Zanetti kreierten Burkini. Der Begriff ist ein Kofferwort aus Burka – eine richtige Burka kommt in der Schau nicht vor – und Bikini, wobei das entsprechende Badekleid mit Letzterem nicht mehr viel zu tun hat: Es handelt sich um einen den Körper weitgehend bedeckenden Anzug aus Polyester und Elastan. 2016 sorgte der Burkini in Frankreich und darüber hinaus für hitzige Diskussionen, einige Gemeinden verboten sogar das Tragen dieser Badetracht an ihren Stränden, weil sie die laizistische Bekenntnisfreiheit der Bürgerin mit dem Zwang zu Assimilation an die französische Leitkultur verwechselten.
In Frankfurt erinnert ein Bildschirm mit CNN-Berichten von damals in Dauerschlaufe an die Kontroverse – was wieder ins Bewusstsein ruft, wie politisch all das ist, was hier ausgestellt ist. Die Bekleidungszwänge in islamischen Ländern werden zwar durchaus problematisiert, allerdings weitaus beiläufiger als in dem Ankündigungstext auf der Museumswebsite, wo gleich im zweiten Absatz auf weibliche Kämpfe gegen das Verschleierungsgebot verwiesen wird. In der Ausstellung selbst sind die Fotos von den iranischen Frauendemos aus den Jahren 1979 und 2017 nur sehr am Rand platziert.
Irritierend ist zudem, wie einem die Figur der Musa bint Nassar al-Missned nahegebracht wird, eine der drei Gattinnen des Emirs von Katar. Die Fürstin hat den KuratorInnen einige ihrer Luxusroben (eine davon entworfen vom kürzlich verstorbenen Karl Lagerfeld) zur Verfügung gestellt, weswegen sie wohl nun in einem mit kitschiger Klaviermusik untermalten Film zu sehen ist, wie sie in humanitärer und repräsentativer Mission international unterwegs ist. Diese Geste der Unterwürfigkeit findet auf einer Wandtafel daneben ihre Fortsetzung, auf der die Adlige penetrant als «Ihre Hoheit» tituliert wird.
Der Mann als Leerstelle
Zum Skandal macht aber auch das die Ausstellung nicht. Vielmehr demonstriert der Rundgang, wie facettenreich auch dezidiert muslimische Frauenmode sein kann. Eine adäquate Diskussion um deren politische Dimensionen wird dadurch überhaupt erst ermöglicht – immerhin bietet es sich ja an, erst einmal zu klären, worüber man sich genau streiten möchte, ehe man sich ins Handgemenge stürzt. So schärft diese Schau den Blick aufs vermeintlich Andere, das sich oft als gar nicht so anders erweist. Wobei sie auch eine grosse Leerstelle hinterlässt: Was ist eigentlich mit den Männern? Herrenmode spielt in ihr nämlich leider gar keine Rolle.
«Contemporary Muslim Fashions», Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main, bis 15. September 2019.