Kommentar: Die Freunde des Iran

Nr. 25 –

Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran eskaliert weiter. China und Russland treiben derweil ihre eigene Strategie voran.

Sicherheitsberater John Bolton und Aussenminister Mike Pompeo machten sofort klar, dass es iranische Revolutionsgarden gewesen sein mussten, die vergangene Woche zwei und vergangenen Monat vier Transportschiffe in der Strasse von Hormus sabotierten. Beweise für die brisante Behauptung der US-Regierung? Zuerst überhaupt keine. Dann ein verwackeltes Video, dann ein paar Fotos, die bisher noch keine unabhängige Instanz auf Echtheit und Evidenz prüfen konnte.

Das alles hat eine ähnlich zweifelhafte Qualität wie die legendäre Präsentation vom Februar 2003, mit der der damalige US-Aussenminister Colin Powell die Mitglieder des Uno-Sicherheitsrats überzeugte, dass das irakische Regime Massenvernichtungswaffen besitze. Die Informationen waren falsch, teils willentlich fingiert.

So sind sich mittlerweile selbst treue westliche Alliierte der USA bewusst, dass Vorsicht geboten ist, wenn nach einer politisch motivierten Vorverurteilung angebliche Beweise folgen. Dass Europa (ausser Grossbritannien) derzeit cool bleibt, hat natürlich auch direkt mit Donald Trump zu tun. Der US-Präsident, der Lügen und Foulplay zu seiner politischen Philosophie erhoben hat, schadete damit auch immer wieder Europa. Dies insbesondere, als er den Atomdeal mit dem Iran aufkündigte – ein historisch einmaliges Abkommen, das die traditionellen europäischen US-Alliierten nicht nur mit ausgehandelt hatten, sondern auch als eines ihrer zentralen sicherheitspolitischen Interessen betrachten.

Es ist möglich, dass tatsächlich iranische Revolutionsgarden für die Sabotage an den Öltankern verantwortlich sind. Es gibt weder Beweise dafür noch dagegen. Eine solch krude Provokation erscheint zwar für die iranische Regierung eine irrationale strategische Option zu sein, denn sie weiss um ihre militärische Unterlegenheit und versucht, die Länder Europas in Sachen Atomdeal auf ihre Seite zu ziehen. Doch die Revolutionsgarden sind nicht der Regierung unterstellt, sondern direkt dem deutlich aggressiveren Staatschef. Und dieser «oberste Führer», Ali Chamenei, hat kürzlich den Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden ausgewechselt. Der Neue, Hussein Salami, übertrumpft seinen Vorgänger haushoch, was den Antiamerikanismus und Antisemitismus, aber vor allem auch die militärische Risikobereitschaft angeht.

So oder so, einen weiteren Krieg in der Region kann niemand wollen – selbst die Falken in den Regierungen der USA und deren verlässlichen nahöstlichen Verbündeten Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Israel müssten eigentlich Lehren aus dem Irakkrieg von 2003 gezogen haben. Mit dessen rundum katastrophalen Folgen (zu denen auch der Syrienkrieg zählt) sind nicht nur die Menschen in der Region bis heute konfrontiert – sofern sie nicht zu den Hunderttausenden gehören, die bereits ihr Leben verloren haben. Auch die damaligen Aggressoren haben viel verloren. Profitiert haben hingegen die internationalen islamistischen Terrornetzwerke – und US-Antagonisten wie Russland und der Iran, die nun, zusammen mit dem alten Machthaber Baschar al-Assad, Syrien kontrollieren.

Ein Krieg mit dem Iran würde noch deutlich weitere geopolitische Kreise ziehen. Das grosse Land des Nahen Ostens ist auch Dreh- und Angelpunkt einer eurasischen Integrationsstrategie. Sie wird von China und Russland vorangetrieben – und zwar mittels einer im Westen kaum bekannten, in Asien jedoch überaus einflussreichen Institution: der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Diese hielt ausgerechnet Ende vergangener Woche ihr 19. Gipfeltreffen ab. Dabei trafen Chinas Präsident Xi Jinping und dessen russischer Amtskollege unter anderem auf die Regierungschefs Indiens, Pakistans – und auch des Iran.

Russland trug entscheidend zum Ausgang des faktisch entschiedenen Syrienkriegs bei. China könnte eine ähnlich entscheidende Rolle einnehmen, sollte der Verbündete Iran noch weiter politisch, ökonomisch oder gar militärisch angegriffen werden. Xi sagte jedenfalls am Gipfeltreffen, die chinesische Regierung werde die Beziehungen mit dem Iran vertiefen, «egal wie sich die Situation verändert».