Durch den Monat mit Matthias Maurer (Teil 1): Wollten Sie schon immer Astronaut werden?
Seit Jahren bereitet sich Matthias Maurer im Europäischen Astronautenzentrum in Köln darauf vor, ins All zu fliegen. Dafür hat er Weltraumspaziergänge trainiert, Gesteine studiert und Chinesisch gelernt. Spätestens in drei Jahren soll es so weit sein.
WOZ: Herr Maurer, Sie haben 2018 Ihre Ausbildung zum Astronauten abgeschlossen. Wie lebt es sich als Astronaut auf Erden?
Matthias Maurer: (Lacht.) Ich denke, das können Sie genauso gut beantworten. Ich wurde ja nicht als Astronaut geboren, sondern als normaler Mensch. Da ich noch nicht im Weltraum war, kenne ich auch nichts anderes. Aber in meinem Kopf bereite ich mich schon mal auf die Momente vor, wenn ich diese schöne Erde – hoffentlich nur temporär – verlassen darf.
Wie viele aktive Astronautinnen und Astronauten gibt es überhaupt?
Über den Daumen gepeilt zwischen 130 und 140: etwa 60 US-Amerikaner, 30 Russen, 20 Chinesen, 10 Japaner, 7 Europäer und 5 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch die Inder sind dran, eine Flotte aufzubauen.
Wollten Sie schon immer Astronaut werden?
Als Kind wollte ich Pilot werden. Astronaut ist eher mein Erwachsenentraum.
Was war während der Ausbildung die grösste Herausforderung?
Am anstrengendsten war das Überlebenstraining in Schweden. Da musste ich mich mit zwei Kollegen zwei Tage ohne Essen und Trinken, ohne Zelt und Schlafsack bei minus neun Grad durchschlagen. Wir hatten nur ein Messer und eine Axt dabei. Das war knüppelhart. Auch das Weltraumspaziertraining ist sehr anstrengend. Da ist man sechs Stunden in diesem Weltraumanzug drin und fühlt sich wie ein Michelin-Männchen.
Bevor wir über das All sprechen: Wie gut kennen Sie die Erde?
Nächste Woche etwa gehts nach Norwegen auf die Lofoten, recht weit im Norden. Dort lernen wir eine für Mondhochlandbereiche typische Geologie kennen. Auf dem Mond gibt es hauptsächlich zwei Bereiche: Für das Apollo-11-Landegebiet vulkanischen Ursprungs üben wir auf Lanzarote; das Landegebiet der Apollo 16 dagegen befindet sich im Mondhochland – mit ähnlichen Gesteinszusammensetzungen, wie wir sie in Norwegen vorfinden werden.
Was werden Sie da trainieren?
Ich mache dort ziemlich genau das, was ein Geologiestudent macht: Ich gehe mit dem Professor in das Gebiet rein, und der erklärt mir dann, wie es entstanden ist, welche Gesteine typisch sind, welche Probe ich nehmen soll – und wie ich das Ganze interpretieren kann.
Haben Sie Geologie studiert?
Ich habe ein europäisches Studium in Werkstoffwissenschaften, einer Mischung aus Physik, Chemie und Ingenieurwesen, gemacht; zuerst an der Uni Saarbrücken, dann ein Jahr in Leeds, eineinhalb Jahre in Nancy und ein halbes Jahr in Barcelona – und zum Schluss wieder in Deutschland. Dazu kommen Praktika in Argentinien und in Südkorea.
Das klingt, als wäre die Erde für Sie ein riesiger Trainingsplatz für die Reise ins Universum.
Das hat mit der internationalen Kooperation in der Raumfahrt zu tun: Alle Astronauten müssen überall dort trainieren, wo die Ursprünge der Raumstationen sind. Amerikaner, Russen, Japaner, Kanadier und neu die Kollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten müssen auch nach Köln kommen. Und umgekehrt musste ich nach Kanada, in die USA, nach Russland und nach Japan fliegen.
Was steht auf Ihrem Weltallführerschein?
Ich bin zertifiziert für Langzeitmissionen. Wir Europäer haben einen Flug pro Jahr zugute. Der Flug in diesem Jahr geht an meinen italienischen und der 2020 an meinen französischen Kollegen. Ich hoffe, dass ich den Flug 2021 bekomme …
Wohin soll es gehen: zur Internationalen Raumstation, auf den Mond oder zum Mars?
Die ISS ist am wahrscheinlichsten. Wir haben aber zwei weitere Projekte: den Aufbau einer Station, die um den Mond fliegt, und die Zusammenarbeit mit der chinesischen Raumfahrt. Dafür habe ich auch Chinesisch gelernt – wir hoffen, dass es 2023 eine Möglichkeit gibt, zur chinesischen Raumstation CSS im Erdorbit zu fliegen, falls sie bis dann hochgeschickt worden sein sollte. Langfristiges Ziel ist es, eine kleine Station im Mondorbit aufzubauen, um den Sprung zum Mond vorzubereiten. Eine ähnliche Station wäre später auch für den Mars geplant, um von dort aus ferngesteuerte Experimente auf dem Mars durchzuführen.
Könnte das nicht ein Roboter übernehmen?
Missionen zum Mars bleiben in mittelfristiger Zukunft definitiv etwas für die Menschen: Ein Mensch könnte auf dem Mars in drei Wochen gleich viel leisten, wie es der Curiosity-Rover in zehn Jahren geschafft hat. Jedes Signal von der Erde zum Mars braucht rund zwanzig Minuten. Deshalb lässt man den Rover immer nur ein paar Meter fahren. Alles, was darüber hinausgeht, etwa Einwegmissionen, ist dann was für die Roboter.
So braucht es Sie auch noch in zwanzig Jahren?
Den Matrosenberuf gibt es ja auch noch, und der Astronaut ist nichts anderes als ein Matrose. Heute auf der ISS sind wir Laboranten und Versuchskarnickel für die verschiedenen Experimente.
Matthias Maurer (49) wurde im Juli 2015 von der Europäischen Weltraumorganisation ESA in die Astronautenklasse aufgenommen. Um für die internationale Zusammenarbeit in der Raumfahrt vorbereitet zu sein, hat er neben Chinesisch auch Russisch gelernt.