Durch den Monat mit Matthias Maurer (Teil 2): Was treibt Sie auf den Mond?

Nr. 28 –

Der Astronaut Matthias Maurer träumt davon, in den Tiefen eines Riesenkraters auf dem Mond auf einen Schatz zu stossen, um den sich die WissenschaftlerInnen auf Erden prügeln würden: eine Antwort auf den Ursprung des Lebens.

Matthias Maurer: «Der Mond ist wichtig dafür, dass die Erdachse stabil gehalten wird – sonst wäre die Klimaveränderung bei uns katastrophaler.»

WOZ: Vor fünfzig Jahren landeten mit «Apollo 11» erstmals Menschen auf dem Mond. Wie viele Male haben Sie sich diese Szenen angesehen?
Matthias Maurer: Uff, ich kann das gar nicht mehr zählen. Aber es ist immer wieder spannend, sich diesen Moment zu vergegenwärtigen. Jedes Mal kriege ich eine Gänsehaut. Und Hochachtung vor der Leistung der Astronauten, die als allererste diese Reise angetreten haben.

Und was treibt Sie auf den Mond?
Es sind Fragen, die sich wohl jeder Mensch schon einmal gestellt hat, wenn er in der Nacht in den Himmel hochschaute: Wie ist das Universum entstanden? Wie das Leben auf die Erde gekommen? Gibt es weiteres Leben irgendwo da draussen? Vielleicht sogar intelligente Lebewesen wie bei uns auf der Erde?

Wie wollen Sie das auf dem Mond herausfinden?
Man weiss, dass noch ein Radiowellensignal aus der Frühphase des Universums, bevor die allerersten Sonnen zu leuchten begannen, existiert. Allerdings mit einem Peak bei ungefähr dreissig Megahertz, sodass wir das Signal auf der Erde nicht empfangen können, weil die Erdatmosphäre es schluckt. Die Radioastronomen wollen nun, dass man auf dem Mond – idealerweise auf der erdabgelegenen Seite, die komplett frei von Funklärm und -störungen ist, die von der Erde kommen – ein Radioteleskop aufbaut, um dort diese Frequenz zu empfangen. Das würde eine riesige Wissenslücke über die Entstehung unseres Universums füllen.

Was weiss man heute schon über den Ursprung des Lebens?
Es gibt die Theorie, wonach die ersten organischen Verbindungen mittels Kometen auf die Erde kamen. Diese Spuren sind aber komplett verschwunden – im Lauf ihres etwa viereinhalb Milliarden Jahre langen Bestehens hat sich die Erdoberfläche immer wieder verändert. Auf der Erde haben wir verschiedene Wetter, Klimaveränderungen, Plattentektonik und Vulkanismus. Der Mond hingegen, der fast genauso alt ist, ist an der Oberfläche unbelebt und hat sich in über vier Milliarden Jahren kaum verändert. Nach dieser Theorie müssten also Reste von Kometen, die die Erde getroffen haben, auch in den tiefen Kratern im Polarbereich des Mondes zu finden sein. Wenn es mir jetzt gelänge, in diese Krater runterzukraxeln und dort eine Probe zu nehmen, hätte ich einen Schatz, um den sich die Wissenschaftler prügeln würden, weil dort der Ursprung des Lebens noch festgefroren ist.

Und wie steht es um die Frage, ob es irgendwo im All weitere intelligente Lebewesen gibt?
Wir bauen zwar immer bessere Satelliten und Teleskope, mit denen wir Planeten anderer Sonnensysteme oder Sonnen erkennen können. Doch um wirklich untersuchen zu können, ob dort Leben existiert, sind die Distanzen viel zu gross. Und wir können auch nicht einfach mal hinfliegen und gucken, ob auf diesem oder jenem Planeten eine zweite Menschheit existiert. Um herauszufinden, welche extrasolaren Planeten für ein Leben ähnlich wie auf der Erde infrage kommen könnten, ist es am besten, unser eigenes Sonnensystem besser zu verstehen.

Was weiss man dazu heute?
Wir wissen zum Beispiel, dass der Jupiter vor rund 3,9 Milliarden Jahren seine Bahn geändert und seine jetzige Bahn eingenommen hat. Und weil der Jupiter sehr schwer ist und eine grosse Anziehungskraft hat, hat sich das auch auf die anderen Körper in unserem Sonnensystem ausgewirkt. Man muss sich das wie ein Billardspiel vorstellen, in dem Kugeln zusammenprallen – und dann all diese herumfliegenden Asteroiden, Meteoriten und Kometen in Richtung Erde, Mars, Venus und weiterer Planeten geschleudert werden. In der Wissenschaft wird diese Phase vor 3,9 Milliarden Jahren als «late heavy bombardment» bezeichnet.

Was hat das mit intelligenten Lebewesen zu tun?
Interessanterweise findet man auch erste Hinweise auf Leben auf der Erde ab etwa 3,9 Milliarden Jahren. Entweder gab es also schon Leben vor der letzten «Bombardierungsphase» – oder es war gerade dieses «bombardment», mit dem das Leben auf die Erde gekommen ist.

Was für eine Rolle spielte dabei der Mond?
Zum einen ist er wichtig dafür, dass die Erdachse stabil gehalten wird – sonst wäre die Klimaveränderung bei uns katastrophaler. Der Mond stabilisiert unser System und erzeugt auch Gezeiten: Dadurch wurde der Übergang von Wasser zum Land und die Entwicklung von erstem Leben vielleicht erst möglich. Ausserdem hat sich die Erdrotation durch die Nähe des Mondes verlangsamt: Früher hat ein Tag mal 8 Stunden gedauert, heute sind es 24. Einige Wissenschaftler denken, dass das Leben, so wie es bei uns existiert, nur in Kooperation mit dem Mond möglich ist. Auf der Suche nach intelligenten Lebewesen müssten wir also auch nach einem zweiten Mond suchen, um davon ausgehen zu können, dass die Erde daneben ähnlich günstige Voraussetzungen aufweist.

Matthias Maurer (49) arbeitet derzeit bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Köln. Gegenwärtig übt er auf den Lofoten (Norwegen) eine künftige Weltraummission.