Amazonas: Im Wilden Westen der Gegenwart

Nr. 33 –

Stammeskultur gegen Mozzarellaproduzenten: Wo die Mura- Indigenen noch vor kurzer Zeit Gürteltiere jagten, zertrampeln jetzt Büffel die einstigen Urwaldböden. Die Landkonflikte vor Ort spitzen sich unter dem neuen brasilianischen Präsidenten drastisch zu.

Die Büffel brachten sogar die Fische zum Verschwinden: Francisco Oliveira da Silva in seinen ehemaligen Jagdgründen.

Die Reise in das neue Amazonien beginnt östlich von Manaus an einem Fährhafen, dem Porto da Ceasa. Alle fünfzehn Minuten laufen Schnellboote und Autofähren aus, überqueren den Amazonas, dessen andere Uferseite noch hinter morgendlichem Dunst verborgen liegt. Bei der Fahrt über den Fluss sieht man Bohrschiffe des brasilianischen Ölkonzerns Petrobras. Immer wieder kommen auch Containerfrachter in Sicht, die auf dem Weg zur Freihandelszone von Manaus sind – oder schon wieder Richtung Atlantik ausfahren, um Motorräder, Computer und andere Elektrogeräte zu ihren Bestimmungsorten zu bringen.

Am anderen Ufer wird man von einem Marktplatz empfangen. Fressbuden reihen sich aneinander, es gibt Grillfleisch, Würstchen und Bier, gefälschte Markenschuhe und Plastikramsch aus China. Untermalt wird die Szenerie von der brasilianischen Countrymusik Sertanejo. Das alles hat nichts mit dem unberührten Paradies zu tun, das sich mancher immer noch unter dem Amazonas vorstellt. Vielmehr liegt hier ein Brückenkopf der vermeintlichen Zivilisation, die immer schneller und aggressiver in den Dschungel vordringt.

Hinter dem Markt beginnt die Überlandstrasse BR 319, die 885 Kilometer durch den Dschungel führt, entlang von Rinderweiden, Feldern und Holzfällersiedlungen. Eine halbe Stunde fährt man über die BR 319, biegt auf die Landstrasse AM 254 ab, stoppt nach einer Stunde an einem Anleger. Nun geht es in einem Motorboot weiter, das eine unüberschaubare Wasserlandschaft durchpflügt. Die Flüsse im Amazonasbecken sind um diese Jahreszeit um bis zu achtzehn Meter angestiegen, nur vereinzelt ragen Bäume aus den Fluten auf.

Neue Mode im Dschungel

Irgendwann fährt das Boot in einen kleineren Fluss, an dessen Ufer Holzhäuser auf Stelzen stehen. Eins davon gehört Francisco Oliveira da Silva. Er ist der Kazike (eine Art Ortsvorsteher) einer Gruppe von rund 500 Mura-Indios in der Gemeinde Taquara. Der 43-Jährige, ein hagerer, klein gewachsener Mann mit besorgten Augen, trägt Jeans, ein grünes T-Shirt und Flipflops. «Ich habe wieder eine Morddrohung erhalten», sagt er. «Sie kreisen uns ein.»

Oliveira meint die BüffelzüchterInnen. Sie sind ein relativ neues Phänomen im Amazonas, machen sich besonders rund um das Städtchen Autazes breit, zu dessen Gemarkung Taquara zählt. Für die ViehhalterInnen haben die Büffel einen grossen Vorteil: Im Gegensatz zu den in Brasilien weitverbreiteten Zeburindern macht es ihnen nichts aus, im Wasser zu stehen. Ausserdem ist ihre Milch ergiebiger, sie enthält weniger Wasser und ist fetthaltiger. Unter den ZüchterInnen von Autazes sind die Büffel deshalb zur neusten Mode geworden – zum weiteren Leid der Umwelt und der UreinwohnerInnen.

Oliveira erzählt, dass es in der Gegend früher dichten Wald gegeben habe, in dem die Mura jagten: Affen, Gürteltiere, Schweine. Aber dann seien Anfang der nuller Jahre die Büffel gekommen, und seitdem werde immer mehr Dschungel niedergebrannt, um Weideflächen zu schaffen. «Die Waldtiere sind weg», sagt der Kazike. Und mindestens genauso schlimm: Die Büffel urinieren und koten in die Flüsse und wühlen den Untergrund auf. «Die Fische verschwinden», so Oliveira. «Unsere Kinder lassen wir nicht mehr ins Wasser, sonst werden sie krank.»

Wie die meisten Mura besitzt Oliveira einige kleine Felder, auf denen er Subsistenzwirtschaft betreibt. Er und seine Familie – er ist siebenfacher Vater – bauen Bananen, Maniok, Jamswurzel und die Amazonasfrucht Cupuaçu an. Aber immer wieder seien Büffel in die Pflanzungen eingedrungen und hätten alles niedergetrampelt, erzählt er. Die Viehhalter würden dann sagen, er solle einen Zaun ziehen, aber das sei ja nicht seine Pflicht. Die Büffel seien ausserdem so stark, dass sie alles umrissen. Das Einzige, was helfe, seien Elektrozäune, aber die seien teuer.

Dieses Jahr hat Oliveira die Konsequenzen gezogen und nichts mehr angepflanzt. Er lebt nun von Bolsa Família, einem Regierungsprogramm, das armen Familien umgerechnet zehn Euro pro Kind zugesteht. Wegen der Situation hat sich der Kazike im Namen der Mura bei der Staatsanwaltschaft in Manaus über die BüffelhalterInnen beschwert.

Diese reagierten auf ihre Art. «Der benachbarte Züchter hat meinem Bruder gesagt, dass er Killer auf mich ansetzen werde», berichtet Oliveira. «Und vor einigen Tagen kam das hier!» Er zeigt eine Vorladung zur Polizei in Autazes, ein Grund ist nicht angegeben. Aber jemand hat ihn informiert, dass auf der Wache mehrere BüffelzüchterInnen warteten und Vorwürfe gegen ihn fabriziert würden. «Alle stecken unter einer Decke», sagt Oliveira. Der Bürgermeister gehöre zu einer Familie von Viehbauern. «Ich gehe da nicht hin!»

Stattdessen will Oliveira nun mit einer Vertreterin des Indigenen Missionsrats der katholischen Kirche (Cimi) nach Manaus fahren. Sie will seine Aufnahme in ein Schutzprogramm für MenschenrechtlerInnen beantragen. «Die Öffentlichkeit ist meine beste Verteidigung», sagt der Kazike.

Schleichende Landnahme

Rot: Verschwundene Waldfläche (2000 bis 2018, Grosse Ansicht der Karte). KARTE: WOZ, QUELLE: «GLOBAL FOREST CHANGE», UNIVERSITY OF MARYLAND

Oliveira und seine Mura haben nicht mehr viel gemein mit dem Klischee vom fern der Zivilisation lebenden Amazonasureinwohner. Sie leben in ständigem Kontakt mit den Weissen, kleiden sich wie sie, benutzen Handys, fahren in Kanus mit Aussenbordern, nehmen Aspirin, trinken Cola und essen Hühnchen mit Reis und Bohnen. Und obwohl viele Mura ihre Sprache noch sprechen, beherrscht Kazike Oliveira sie nicht mehr. In seinem Haus gibt es einen Fernseher und eine Waschmaschine, beide sind zurzeit kaputt.

Es sind andere Dinge, die für Oliveira die Identität als UreinwohnerInnen ausmachen. «Unsere Feste», sagt er, «unsere Gemeinschaft, unsere Art, mit dem Wald zu leben und zu wirtschaften. Wir sind nicht angestachelt vom Gedanken, immer mehr anhäufen zu müssen.» Wie Oliveira betreiben die meisten Mura in Taquara kleinbäuerliche Landwirtschaft, sie gehen jagen und fischen. Doch je weiter ihre Territorien schrumpfen und der Wald vernichtet wird, umso weniger geht das noch. Der Kampf der Mura gegen die Büffel ist somit nicht nur ein Kampf gegen die Umweltzerstörung, sondern auch um ihr kulturelles Überleben.

Dabei gibt es ein grosses Problem: Taquara gilt zwar als traditionelles Mura-Territorium, ist aber vom Staat nicht als Terra Indígena (indigenes Land) ausgewiesen. Sonst hätten die Mura laut brasilianischer Verfassung eine Art Autonomie, und die BüffelzüchterInnen müssten verschwinden. So aber haben die Mura keine rechtliche Handhabe gegen die schleichende Landnahme.

Francisco Oliveira steigt in ein kleines Motorboot und fährt stromaufwärts. Immer wieder reichen Büffelweiden bis ans Wasser heran. Das ist illegal, denn das brasilianische Waldgesetz besagt, dass Flussufer in Amazonien nicht entwaldet werden dürfen. Je nach Breite des Stroms muss ein Streifen von mindestens dreissig Metern Vegetation stehen bleiben. Es scheint, als ob hier, fernab der Hauptstadt Brasília, ganz eigene Gesetze gälten.

Nach fünfzehnminütiger Fahrt hält Oliveira, steigt einen Hang hinauf, der von Klauen durchfurcht ist. Oben breitet sich eine Graslandschaft aus, Tausende verkohlte Baumstümpfe ragen auf, dazwischen grasen einige Büffel. Nach wenigen Minuten taucht am anderen Ende der Weide eine grosse Herde der mächtigen Tiere auf, vielleicht 150 Stück Vieh. Sie werden von mehreren Hirten auf Pferden getrieben. Oliveira duckt sich, er möchte nicht gesehen werden. «Sie könnten sonst behaupten, ich wäre illegal eingedrungen», sagt er. «Aber ich habe hier früher Tapire gejagt. Die Invasoren sind sie.»

Das Aufeinanderprallen von Mura und BüffelhalterInnen ist einer von Tausenden Konflikten, die sich an allen Ecken und Enden der brasilianischen Amazonasregion abspielen. Von überall her rücken Goldsucher, Minenkonzerne, Holzfällerinnen, Rinderzüchter und Agrarbetriebe in den Wald vor. Mit ihnen kommen Strassen, Landepisten und Siedlungen, die mit der Zeit zu Kleinstädten werden.

Gesetze für die Galerie

Man kann die Situation mit der im Wilden Westen des 19. Jahrhunderts vergleichen. Der Amazonas ist Brasiliens «Frontier», die Stück für Stück vom weissen Mann erschlossen wird. Dabei dient sie auch als Ventil für die sozialen Probleme des Landes. Dies begann schon in den sechziger Jahren, als die Militärdiktatur die arme Landbevölkerung aus dem Süden ermutigte, im Norden neu anzufangen.

Sie verkaufte ihnen Land zu Spottpreisen – unter dem Motto: «Land ohne Menschen für Menschen ohne Land.» Der Spruch findet bis heute ein Echo bei KleinbäuerInnen und Landlosen aus dem trockenen Nordosten. Der scheinbar unendliche Wald ist für sie eine Ressource, die es auszubeuten gilt. Dabei stören die Indigenen und der Umweltschutz natürlich.

Es gibt in Brasilien eigentlich strenge Gesetze zum Schutz der Natur und der UreinwohnerInnen. Aber die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Bei dieser Aufgabe hat der Staat ein ganz simples, logistisches Problem: die schiere Grösse der Amazonasregion. Der Staat kann nicht überall sein, und so ist er schon in Taquara, das nur zweieinhalb Reisestunden südlich von Manaus liegt, abwesend. Das nutzen die BüffelzüchterInnen seit Jahren aus und schaffen Fakten.

Sie besetzen Land, roden Bäume, lassen Vieh grasen, schaffen Infrastruktur und Arbeitsplätze. Sie bringen das, was man gemeinhin unter wirtschaftlichem Fortschritt versteht. So spalten sie auch die Indigenen. Einige von ihnen verpachten ihr Land an ViehhalterInnen oder arbeiten für sie. Ein Bruder von Francisco Oliveira ist Büffelhirte. Er sagt, er verdiene so mehr als mit Jagen und Fischen. Wovon solle er denn das Benzin für seinen Aussenborder bezahlen, seine Handyrechnung und die Kleidung für die Kinder?

Die Lokalpolitik wiederum wird wie in Autazes meist von den Grossbauern bestimmt, die kein Interesse an einer Einmischung des Bundes mit seiner Umweltbehörde Ibama haben. Sie kontrollieren auch die örtliche Polizei und häufig die Medien.

All das war auch schon unter den linken Regierungen von Lula da Silva und Dilma Rousseff so. Trotzdem nahm die Entwaldung der Amazonasregion zwischen 2004 und 2012 signifikant ab: von 27 000 gerodeten Quadratkilometern auf 4500. Dafür waren soziale Faktoren, aber auch die Satellitenüberwachung verantwortlich, mit der man schnell neue Rodungen erkennen und stoppen konnte.

Das änderte sich in Rousseffs zweiter Amtszeit, als Brasilien in die Rezession abrutschte – und verschlechterte sich rapide unter Präsident Michel Temer. Mit der Wahl des rechtsextremen Jair Bolsonaro droht nun eine Katastrophe. Er will das Projekt der Militärs vollenden und sagt ganz offen: «Wir werden den Amazonas ausbeuten. Er gehört uns.» Was er von den Reservaten der UreinwohnerInnen hält, hat er getwittert: «Mehr als fünfzehn Prozent des nationalen Territoriums sind als indigenes Land oder als Land der Nachkommen von Sklaven ausgewiesen. Weniger als eine Million Personen leben an diesen isolierten Orten, weit entfernt vom richtigen Brasilien und manipuliert und ausgebeutet von NGOs.»

Gegen die «Ökoschiiten»

Das totalitäre Denken Bolsonaros wird deutlich, wenn er vom «richtigen Brasilien» spricht. Es sind für ihn die Holzfäller, Goldsucherinnen und Bauern. Die UreinwohnerInnen mit ihrem Streben nach Nachhaltigkeit lebten demnach im falschen Brasilien. Bolsonaro hat sie bereits mit «Zootieren» und «prähistorischen Menschen» verglichen, deren Reservate den Fortschritt aufhielten.

Konsequenterweise hat der Präsident bei seinem Amtsantritt am 1. Januar alle Anerkennungsprozesse für neue Indigenenreservate stoppen lassen. Mehrfach hat er versucht, die Verantwortung für die Reservate von der Indiobehörde Funai auf das Agrarministerium zu übertragen – der Kongress hat das jedoch abgelehnt. Nichtsdestotrotz hat Bolsonaro mit Marcelo Xavier da Silva einen erklärten Feind der Indigenen zum neuen Chef der Behörde gemacht. Er ist Polizist und hat enge Verbindungen zur Agrarindustrie.

Ebenso hat Bolsonaro die ihm verhassten Umweltbehörden Ibama und ICMBio entmachtet und Führungspositionen mit Militärs besetzt. Strafaktionen von Ibama gegen illegale HolzfällerInnen hat er abbrechen lassen und in einem Fall sogar seinen Umweltminister Ricardo Salles zu den Holzfällern geschickt, um sich zu entschuldigen. Salles nannte die Holzfäller, die Bäume in einem Indigenenreservat schlugen, «gute Bürger, die produzieren». Im Juni verkleinerte die Regierung dann rund siebzig Waldschutzgebiete, damit neue Strassen gebaut werden können.

Internationale Kritik tut Bolsonaro als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens ab. Den EuropäerInnen wirft er vor, dass sie ihre Umwelt dezimiert hätten und nun Brasilien diktieren wollten, wie es mit seinen natürlichen Ressourcen umzugehen habe. Er sei zweimal über Europa geflogen und habe dabei keinen Quadratkilometer Wald mehr gesehen, sagte er. Als «Ökoschiiten» beschimpft Bolsonaro UmweltaktivistInnen gerne. Die Klimaerwärmung hält er für eine Erfindung seiner Erzfeinde, der Linken.

«Wir haben Angst», sagt Kazike Francisco Oliveira. «Bolsonaro will mit den Indios Schluss machen. Die Viehzüchter glauben jetzt, sie könnten alles machen.»

Tatsächlich fühlen sich viele der «guten Bürger» offenbar von Bolsonaro ermutigt. Das Forschungsinstitut Inpe stellte alleine für Juni eine Zunahme der Rodungen im Amazonas um 88 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat fest. Bolsonaro nannte die Zahlen «Lügen» und behauptete, der Inpe-Direktor arbeite im Auftrag irgendeiner NGO.

In den Jahren 2017 und 2018 wurden rund zwölf Millionen Hektaren abgeholzt, dreissig Fussballfelder pro Minute – so viel wie seit 2008 nicht mehr. Dieser Wert dürfte dieses Jahr noch übertroffen werden. Die Alarmsignale sind nicht zu übersehen: Mitte Juli meldete «Mongabay», eine gut informierte Seite für Umweltnachrichten, dass rund 20 000 illegale GoldgräberInnen in den Yanomami-Park eingedrungen seien, eines der grössten indigenen Reservate Brasiliens. Die GoldsucherInnen seien gut ausgerüstet, heisst es, sie hätten Bagger und Kleinflugzeuge und finanzstarke Hintermänner. Tatsache ist aber auch, dass diese Entwicklung nicht erst mit Bolsonaro begann, er beschleunigt sie jedoch.

Auf dem Weg nach Hause sagt Oliveira, dass er den Wald und die Tiere vermisse. Er hat das Angebot eines Viehzüchters abgelehnt, ihm seine achtzig Hektaren Land abzukaufen. Es ist jener Viehzüchter, der ihn mit dem Tod bedroht hat. «Wir wollen in Frieden leben», sagt er. «Auf unsere Art.»

Ein Leben in Angst

«Das sind doch gar keine Indios», behauptet Manoel Maia und blickt ernst drein. Er ist der Präsident von Cooplam, der MilchproduzentInnenkooperative der Region Autazes. Sie hat ihren Sitz im Städtchen Vila do Novo Céu rund dreissig Kilometer nördlich von Taquara. Vor fünf Jahren eröffnete die Kooperative hier eine Käsefabrik, in der Büffel- und Kuhmilch verarbeitet werden. «Wir verkaufen unsere Produkte auf Märkten in Manaus», sagt Maia, der 39 Viehbauern vertritt und betont, dass er nicht für alle ViehzüchterInnen der Region sprechen könne.

Der Sechzigjährige ist ein rundlicher Typ mit schlohweissem Haar, er kommt gerade von der Weide, seine Füsse stecken noch in Gummistiefeln. Er führt durch die Versammlungshalle der Kooperative, in der Spruchtafeln von der Decke hängen: «Der Sieg ist mit den Beharrlichen!»

In seinem Büro liegen auf dem Schreibtisch die verschiedenen Käsesorten aus, die die Kooperative herstellt, darunter Büffelmozzarella. Er selbst habe 190 Stück Vieh, sagt Maia, 120 Rinder und 60 Büffel. Sie grasten auf Weiden, für die seine Familie hundert Jahre alte Landtitel besitze. Er sei das jüngste von 21 Kindern eines portugiesischen Immigranten und einer armen Brasilianerin aus dem Nordosten. «Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben», sagt er.

Wenn es um den Landkonflikt mit den Mura geht, ist Maia kategorisch: Für ihn existiert er nicht. «Kein Landwirt aus unserer Kooperative ist auf Mura-Land. Wir sind für ein gutes Miteinander.» Das sehen die Mura freilich anders. So liegt die Cooplam-Käsefabrik auf Land, von dem die Mura aus dem benachbarten Dorf Murutinga sagen, dass es zu ihrem traditionellen Territorium gehöre. Rund 2000 Indigene leben in Murutinga. Schon seit Jahren wehren sie sich gegen die immer weitere Ausdehnung der Büffelweiden und fordern die Ausweisung einer Terra Indígena. Aber der Prozess kommt nicht voran.

Maia kommt zu einem anderen Punkt. «Viele von denen sind keine richtigen Indios, sie wurden von NGOs geschickt, um Ärger zu machen.» Man hört diese Behauptung neuerdings immer öfter in Brasilien, auch Vizepräsident General Hamilton Mourão hat sie schon geäussert. Dahinter steckt ein einfacher Gedanke: Wenn es keine Indigenen gibt, gibt es auch keine Ansprüche auf Reservate mehr. Denn vor nichts fürchten sich viele Bauern mehr als vor der Ausweisung eines Schutzgebiets. Sie verlieren dann entschädigungslos alle Ansprüche auf ihr Land. Diese Sorge hat die Bolsonaro-Regierung ihnen nun vorerst genommen. Für Brasiliens UreinwohnerInnen bedeutet die neue Politik hingegen vor allem eins: Unsicherheit und Angst. «Ich fürchte, dass es bald keinen Wald mehr in Taquara gibt», sagt Kazike Oliveira. «Und ohne Wald gibt es auch keine Mura mehr.» Vor wenigen Wochen wurde er in das Schutzprogramm für MenschenrechtlerInnen aufgenommen.

Die Recherche wurde durch Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, ermöglicht.