Auf allen Kanälen: Aus dem Dunkel der ÖVP-Buchhaltung
Der linke «Falter» sägt mit seinen Recherchen weiter am angeknacksten Image von Exkanzler Sebastian Kurz – ÖVP und rechte «Kronen Zeitung» wollen die Zeitung mundtot machen. Doch der «Falter» wehrt sich.
Österreichs Konservative wandeln auf den Spuren von Donald Trump, der unangenehme Wahrheiten gerne als Fake News zurückweist. Die ÖVP trägt derzeit einen Konflikt rund um Enthüllungen der Wochenzeitung «Falter» nicht nur über die Medien, sondern auch vor Gericht aus. Anlass sind Aufzeichnungen, Buchhaltungsunterlagen und Daten aus der Parteizentrale, die dem «Falter» von anonymer Seite zugespielt wurden. Da geht es einerseits um die hohen Beträge, die Exkanzler Sebastian Kurz in seine Imagepflege investierte: Seine gegelte Haarpracht musste er regelmässig durch «Hair Grooming» für stolze 600 Euro bändigen lassen. Und die Gehälter seiner engsten Berater überstiegen das Salär des Bundespräsidenten.
Andererseits geht es um kalkulierten Gesetzesbruch. Die Unterlagen zeigen, dass 2017 die Überschreitung der gesetzlich mit sieben Millionen Euro gedeckelten Wahlkampfausgaben – um immerhin sechs Millionen – nicht im Lauf des Wahlkampfs «passiert» ist, wie die ÖVP gerne glaubhaft machen wollte, sondern von Anfang an geplant war. Sogar die Strafzahlung von 890 000 Euro war bereits im Budget vorgesehen.
Vorwärtsverteidigen als Taktik
Die ÖVP reagierte auffällig unsouverän. Zu einer als «Hintergrundgespräch» etikettierten Pressekonferenz, bei der die «falschen» Behauptungen richtiggestellt werden sollten, wurde der «Falter» nicht eingeladen. Seine Reporterin, die trotzdem hinging, wies man an der Tür ab. Der Zentralcomputer der Partei sei gehackt und enorme Mengen an Daten abgesaugt worden, war die Botschaft. Generalsekretär Karl Nehammer, als Reserveoffizier mit der Taktik der Vorwärtsverteidigung vertraut, liess wissen, die Eindringlinge hätten möglicherweise auch Daten manipuliert. Konkrete Angaben dazu konnte er keine machen.
Auch hat man dem «Falter» keine bewussten Fehlinformationen nachweisen können. Dennoch klagte die ÖVP auf Unterlassung. Der «Falter» veröffentlichte darauf letzte Woche weitere Zahlen aus dem wohlgehüteten Dunkel der ÖVP-Buchhaltung. Chefredaktor Florian Klenk begründet das mit dem journalistischen Auftrag, den Widerspruch zwischen öffentlicher Selbstdarstellung und tatsächlichem Handeln aufzuzeigen. Schliesslich bekommt die ÖVP jährlich rund fünfzig Millionen Euro Steuergeld als Parteienförderung.
Wider das «Bolschewistenblattl»
Der «Falter» ist nicht irgendein Blatt: Ende der siebziger Jahre als alternative Wiener Programmzeitung aus der Taufe gehoben, hat er sich in den letzten Jahren zu einem ernst zu nehmenden Qualitätsmedium entwickelt. Als viele Medien unter der rechten ÖVP-FPÖ-Regierung dem Charme von Sebastian Kurz erlagen, blieb der «Falter» kritisch und wurde mit einem Boom an Neuabos belohnt.
Chefredaktor Klenk, selbst studierter Jurist, hat sich als Aufdecker von Skandalen im Justiz- und Asylwesen einen Namen gemacht. Kein Wunder, wurde der «Falter» auch in die internationale Rechercheplattform einbezogen, die vor einigen Jahren die Panama Papers durchleuchtete. Als einziger österreichischer Journalist bekam Klenk auch das inzwischen berühmte Ibiza-Video in voller Länge zu sehen, bevor der «Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung» Ausschnitte davon vergangenen Mai online stellten und die österreichische Rechtsregierung damit zu Fall brachten.
Für die auflagenstarke «Kronen Zeitung», Platzhirsch auf dem Boulevard und einst Förderin von Rechtspopulisten wie Jörg Haider und Heinz-Christian Strache, blieb die akribisch recherchierende Zeitung hingegen ein «Bolschewistenblattl». Michael Jeannée, rechtslastiger Kolumnist der «Kronen Zeitung», der Sebastian Kurz für einen Messias hält, kann dem «Falter» nicht verzeihen, dass er dessen Heiligenschein demontiert. In Klenk sieht er einen «gefährlichen Diffamierer» und einen «Schmutzkübel- und Anpatzchef». Von «anpatzen», also schlechtmachen, und «Schmutzkübelwahlkampf» spricht Kurz gerne, wenn unangenehme Dinge zur Sprache kommen, die sein Image schädigen.
Jetzt zieht Florian Klenk vor Gericht. Er fordert von Jeannée und der «Kronen Zeitung» für die Rufschädigung eine Entschädigung von 100 000 Euro.