Krieg in Afghanistan: Die Todesschwadronen der CIA
Der US-amerikanische Geheimdienst unterstützt paramilitärische Einheiten, die wahllos ZivilistInnen hinrichten, wie ein neuer Bericht zeigt. Derweil bauen die USA die Rolle der CIA in Afghanistan aus.
Es war mitten in der Nacht, als im Dezember 2018 Mitglieder der Khost Protection Force (KPF) ein Haus in der ostafghanischen Provinz Paktia stürmten und sechs Menschen kaltblütig ermordeten. Unter den Opfern befanden sich Naim Faruki, ein Stammesältester und Mitglied des lokalen Friedensrats, sowie sein Neffe, ein Student. Beide wurden von der paramilitärischen Einheit per Kopfschuss hingerichtet.
Es handelt sich hierbei um keinen Einzelfall. Denn die KPF ist vor allem in den Provinzen Chost, Paktia und Paktika aktiv – und geht regelmässig auf Menschenjagd. Unterstützt wird sie dabei vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA. Getötet werden in vielen Fällen keine vermeintlichen TerroristInnen, sondern ZivilistInnen.
Der aktuelle «War on Terror»
Auf diesen Umstand macht nun ein neuer, ausführlicher Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) aufmerksam. Der Bericht behandelt insgesamt vierzehn solche Fälle, die sich alle in den letzten zwei Jahren ereignet haben. Neben der KPF gibt es noch andere paramilitärische Einheiten, die von der CIA im Zuge des «War on Terror» in den letzten Jahren landesweit ins Leben gerufen wurden.
Das Szenario ist in vielen Fällen dasselbe: Die Milizen stürmen ein Haus und töten wahllos Menschen. Im Anschluss werden Spuren verwischt oder allfällige verbliebene Familienmitglieder eingeschüchtert. Der Bericht ist wichtig und kommt zum richtigen Zeitpunkt. Immerhin baut die Trump-Regierung die Rolle der CIA in Afghanistan weiterhin aus – und die Frage, was mit dem Geheimdienst und seinen Todesschwadronen nach einem möglichen Friedensdeal passiert, wurde bisher in der Öffentlichkeit kaum diskutiert.
Journalistinnen und Menschenrechtsbeobachter, die sich mit der Thematik befassen, wissen bereits seit langem, dass die CIA-Milizen keine Aufständischen töten – sondern meistens womöglich neue schaffen. Sowohl die KPF als auch die berühmt-berüchtigten 01- und 02-Einheiten, die vor allem in der Provinz Nangarhar agieren, haben mittlerweile ihre eigenen Schreckensregimes errichtet und wissen, dass sie nach ihren Verbrechen stets ungeschoren davonkommen. «Niemand kann diesen Männern etwas anhaben, auch nicht die Kabuler Regierung. Sie unterstehen nur den Amerikanern.» Diesen Satz hat der WOZ-Autor mehrfach in Chost gehört, als er zu den Machenschaften der KPF recherchierte. Wegen ebenjener Miliz war er in der Provinz undercover unterwegs. Denn die KPF geht auch gegen JournalistInnen vor. Entführungen, Mord und Folter gehören zum Alltag.
Nicht weniger Morde als der IS
«In jedem der vierzehn Fälle haben diese Einheiten einfach Menschen, die sich in ihrem Gewahrsam befanden, erschossen. Ganze Gemeinden waren dem Terror nächtlicher Razzien und wahlloser Luftangriffe ausgeliefert», schreibt Patricia Gossman, die Autorin des HRW-Berichts. Auch die Uno ist vor kurzem abermals zum Schluss gekommen, dass die regierungstreuen Kräfte, zu denen die Milizen gehören, in Afghanistan nicht weniger töten als die Taliban oder der IS. Mindestens 484 ZivilistInnen wurden zwischen Januar und September 2019 von ihnen getötet. Immer wieder ist zu betonen, dass es sich hierbei um Mindestzahlen handeln. Die Vereinten Nationen verfolgen bei ihren Berichten eine sehr konservative Methodik. Für die Bestätigung jedes zivilen Opfers sind demnach drei verschiedene unabhängige Quellen zu nennen. In vielen Fällen ist das unmöglich, etwa wenn abgelegene Dörfer, die kaum von JournalistInnen besucht werden, angegriffen werden. Milizen wie die KPF profitieren von diesem Umstand.
Obwohl die US-Regierung nun stark in der Kritik steht, sollte nicht vergessen werden, dass die CIA-Milizen schon seit langem in Afghanistan aktiv sind und ZivilistInnen töten. Ein Beispiel hierfür ist eine Razzia, die sich 2012 im Dorf Kala Schaich in Nangarhar abspielte. Damals stürmten US-Eliteeinheiten gemeinsam mit afghanischen Soldaten das Haus von Abdul Hadi Mohmand, der Kontakte zur Regierung pflegte und für die lokale Wahlbeschwerdekommission arbeitete. Im Lauf der Nacht wurden Mohmands Bruder Abdul Wakil und sein Neffe Gul Hadi getötet. Noor ul-Hadi, Mohmands Sohn, kann sich noch gut daran erinnern: «Sie schossen einfach um sich und zeigten keinerlei Rücksicht. Es war ihnen vollkommen egal, wen sie töteten. Als wir eine Untersuchung verlangten, hat man uns abgewimmelt. Irgendwann haben wir die Hoffnung dann aufgegeben.»