Polizeirepression: Der Graue Block

Nr. 48 –

Hausdurchsuchungen, Anzeigen, Verhaftungen: Die Basler Polizei geht immer repressiver gegen die ausserparlamentarische Linke vor. Nun wehren sich ältere AktivistInnen.

«Hallo, wir waren auch an der unbewilligten Demo!»: Der Graue Block begehrt am vergangenen Freitag Einlass in die Basler Clarawache.

Der Polizeiposten am Basler Claraplatz ist geschlossen, die grauen Rollläden sind unten. Natürlich, denn es ist Freitag, 17 Uhr, Feierabend. Einige Augenblicke später wird jedoch klar: Der Posten ist gar nicht zu, man bereitet sich bei der Polizei viel eher vor. Worauf? Auf den Grauen Block, der gerade beim Messeplatz losgelaufen ist. Der Graue Block ist ein Kollektiv aus älteren AktivistInnen, viele sind über sechzig. Sie machen gegen die zunehmende Repression in Basel mobil und kritisieren, dass immer mehr vor allem junge Leute strafrechtlich verfolgt werden.

Letzten Freitag war es ein Jahr her, dass in Basel auf dem Messeplatz eine Demonstration unter dem Namen #BaselNazifrei stattfand, an der über 2000 Menschen teilnahmen. Es war die Gegendemonstration zu einer Veranstaltung der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Die Pnos-Demo wurde vom Justiz- und Sicherheitsdepartement der Stadt bewilligt, #BaselNazifrei hingegen nicht. Eine bewilligte Gegendemonstration fand auf der etwa zwei Kilometer entfernten Dreirosenanlage statt. Bei #BaselNazifrei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei, die Gummischrot einsetzte.

In der Folge kam es zu Hausdurchsuchungen bei linken AktivistInnen, die Basler Staatsanwaltschaft eröffnete um die sechzig Verfahren gegen Menschen, die an #BaselNazifrei teilgenommen hatten. Die vorgeworfenen Delikte: Landfriedensbruch, Körperverletzung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Sachbeschädigung, Störung des öffentlichen Verkehrs. Auch gegen die Pnos wurde ermittelt: wegen Rassendiskriminierung.

«Weil wir alt sind»

Der Graue Block steht nun vor dem Polizeiposten. Drei Beamte diskutieren mit den DemonstrantInnen. Auf die Frage, warum denn der Rollladen unten sei, sagt eine Polizistin: «Wir wussten ja nicht, wie viele Leute kommen und wie ihr auftreten würdet.» «Gibts drinnen Kaffee?», fragt ein Demonstrant in Richtung Polizei. Die PolizistInnen werden mit Fragen und Vorwürfen überhäuft. «Es kann doch nicht sein, dass Leute, die gegen Nazis protestieren, in unserer rot-grün regierten Stadt kriminalisiert werden», sagt einer. Die AktivistInnen reden sich in Rage – bewahren jedoch stets ihren Humor. So zieht sich der Mann, der eben nach Kaffee gefragt hat, wieder zurück in die hinteren Reihen, um denen, die um ihn herumstehen, zu erzählen, wie er einst als junger Aktivist auf ebendiesem Polizeiposten sass.

Die Frage nach Kaffee war ein Witz, doch den Polizeiposten betreten wollen die DemonstrantInnen wirklich. Sie wollen ihre Personalien aufnehmen lassen. «Wir wollen dort hineingehen, um mitzuteilen, dass auch wir an der nicht bewilligten Demo teilgenommen haben, dass es keine Straftat ist, gegen Nazis auf die Strasse zu gehen», sagt eine Aktivistin.

Ja, viele Menschen, die vor dem Posten stehen, waren bei #BaselNazifrei dabei – und werden nicht strafrechtlich verfolgt. «Weil wir alt sind», sagt ein Aktivist. Die Justiz wolle durch die repressiven Massnahmen gezielt junge Leute aus der ausserparlamentarischen Linken einschüchtern. «Die Jungen müssen vor Repression Angst haben, sie können ihre Lehrstelle oder ihren Job verlieren.»

Gezielte Einschüchterung

«Am 1. April ist es passiert», sagt eine Mutter, die das Vorgehen gegen ihren Sohn miterlebt hat. Wie die anderen DemonstrantInnen will sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, unter anderem aus Angst, ihrem Sohn damit zu schaden. Frühmorgens um 5.20 Uhr habe die Klingel der Wohnung geläutet, in der sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt, der damals siebzehn Jahre alt war – und an #BaselNazifrei teilgenommen hatte. Durch die Freisprechanlage meldete sich die Kriminalpolizei. «Gleich habe ich an meinen Sohn gedacht und gehofft, dass ihm nichts zugestossen ist», sagt die Mutter. Doch der Sohn lag im Bett und schlief. Sie sei im Pyjama zur Eingangstür des Wohnblocks gegangen und habe sie geöffnet.

Vier PolizistInnen betraten das Treppenhaus. «Dann gingen sie in unsere Wohnung, verhafteten meinen Sohn und führten ihn ab.» Zwei PolizistInnen seien noch dageblieben und hätten eine gute Stunde das Zimmer des Sohnes durchsucht. «Sie machten Fotos von Stickern mit linken Motiven – und von Büchern. Sie haben eine schwarze Jacke meines Sohnes gesucht. Als sie sie gefunden haben, sind sie abgezogen.» Und der Sohn? Ihm wurden Landfriedensbruch und Beamtenbeleidigung vorgeworfen. «Er wurde um 13 Uhr am selben Tag wieder entlassen.» Das diene nur der Einschüchterung, sagt die Mutter und fügt an: «Schreiben Sie noch, dass ich stolz darauf bin, dass er politisch aktiv ist.»

Beim Polizeiposten am Claraplatz sind die Rollläden wieder oben. Nach und nach betreten die AktivistInnen in kleinen Gruppen den Posten, um ihre Personalien anzugeben. Die meisten, die wieder rauskommen, lächeln. Und ein Polizist verteilt kleine Schokoladentafeln mit Polizeiwerbung darauf.