Klimaprozesse: Eine Bewegung vor Gericht

Nr. 3 –

Am Freitag endet in Basel das Verfahren gegen fünf AktivistInnen, die im Sommer 2019 den UBS-Hauptsitz blockierten. Auch andernorts wird die Klimabewegung juristisch verfolgt.

Ist das Landfriedensbruch? Aktion vor der UBS am Basler Aeschenplatz im Juli 2019. Foto: Georgios Kefalas, Keystone

«Es war angenehm, wir hatten zum Teil sehr interessante Diskussionen»: So beschreibt ein Polizist die Stimmung vor dem Basler UBS-Hauptsitz bei seiner Befragung vor Gericht. Mehr als hundert Leute blockierten im Sommer 2019 das Gebäude am Aeschenplatz. Sie hatten sich in den frühen Morgenstunden versammelt, Äste und Holzkohle vor den Eingängen abgeladen, mit Kohlestücken Parolen an die Wände gemalt, sich auf den Boden gesetzt.

Mit der Blockade forderten die AktivistInnen den Ausstieg der Grossbank aus der Finanzierung klimaschädlicher fossiler Energien. Am Nachmittag griff die Polizei auf Antrag der Bank durch: Wer den Platz nicht umgehend räumte, wurde kontrolliert, wer sich nicht ausweisen konnte, wurde verhaftet.

Nicht nur das Vorgehen der BeamtInnen, auch die Anklagepunkte der Strafbefehle muten angesichts der friedlichen und gewaltfreien Natur des Protests unverhältnismässig an: Nötigung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung «mit grossem Schaden». 56 der Betroffenen erhoben Einsprache gegen die Strafbefehle, seit dem 5. Januar werden die ersten fünf am Basler Strafgericht verhandelt.

Grosses Medieninteresse

Der Prozess in Basel ist eines von mehreren Verfahren gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung, die derzeit die Schweizer Justiz beschäftigen. Auch in Zürich steht bald ein Bankenprozess an. Zeitgleich zur Aktion in Basel blockierten AktivistInnen das Credit-Suisse-Hauptquartier am Paradeplatz. Die Anklagepunkte ähneln sich nur teilweise, so fehlen etwa Vorwürfe wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch. Auch die geforderten Strafen seien tiefer angesetzt worden als in Basel, sodass in Zürich kein kollektiver Einspruch eingelegt worden sei, sagt Frida Kohlmann vom Collective Climate Justice (CCJ), das die Proteste in Basel und Zürich mitorganisiert hat.

Ähnlich klingt es bei den BesetzerInnen des Bundesplatzes, die im Dezember Strafbefehle erhielten. Zwar hatte das Rechtsteam von Rise Up For Change den AktivistInnen im Vorfeld empfohlen, Einsprache zu erheben. Da die meisten lediglich wegen «Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung» belangt wurden und niedrige Bussen erhielten, wird auch hier kein Prozess angestrebt.

Die öffentlichen Verfahren gegen die Klimabewegung, der nach wie vor ein positives Image anhaftet, erregen jeweils grosses Medieninteresse, das die AktivistInnen für sich zu nutzen wissen: Bemerkenswert ist etwa der Fall von zwölf Personen, die im Januar 2020 wegen eines inszenierten Tennisspiels in einer CS-Filiale in Lausanne in erster Instanz freigesprochen wurden. Die Begründung: rechtfertigender Notstand. Nachdem der Entscheid in zweiter Instanz rückgängig gemacht wurde, haben die Beteiligten das Urteil nun ans Bundesgericht weitergezogen.

Für die AktivistInnen des CCJ sind Gerichtsprozesse nicht Teil einer Strategie, wie Frida Kohlmann klarstellt. «Aber wenn es zu einem Prozess kommt, dann nutzen wir diesen natürlich so öffentlichkeitswirksam wie möglich», so die Sprecherin des Kollektivs.

Eine andere Taktik verfolgt die in Grossbritannien gegründete Extinction Rebellion (XR), die mittlerweile in verschiedenen Ländern vertreten ist. Die Bewegung machte in den vergangenen Jahren nicht nur mit ihren Aktionen Schlagzeilen, sondern auch mit der Praxis, Verhaftungen bewusst in Kauf zu nehmen. Nun stehen in England die umfangreichsten Verfahren an, die das Land je gesehen hat. Von insgesamt 1700 strafrechtlich Belangten haben rund 800 Einspruch eingelegt und müssen sich vor Gericht für die Teilnahme an drei grossen Massenprotesten in den Jahren 2019 und 2020, von ihnen «Rebellionen» genannt, verantworten.

Zoë Blackler, die die Prozesse für XR verfolgt, bestätigt, dass die Verhaftungen und Prozesse das Medieninteresse an den Protesten erhöht hätten. «Sie sind aber kein Selbstzweck, sondern integraler Bestandteil des Konzepts von XR», so die Aktivistin. Tatsächlich sei die Möglichkeit, vor Gericht erneut öffentlich auf den Klimanotstand aufmerksam zu machen, für viele der Hauptgrund gewesen, einen Prozess anzustreben. Denn Anklagepunkte und Strafmass seien in den meisten Fällen milde ausgefallen. Und auch die RichterInnen hätten in vielen Fällen Verständnis für die AktivistInnen gezeigt, sagt Blackler.

Auch in Italien stehen derzeit mehr als hundert AktivistInnen vor Gericht, darunter auch einige, die sich zu XR bekennen. In einem sogenannten Mammutprozess werden mutmassliche Vergehen aus verschiedenen Protestaktionen in den Jahren 2017 und 2018 verhandelt. Am 9. Januar begann die Anhörung von 25 Personen, die friedlich gegen den Bau der Transadriatischen Gaspipeline (TAP) protestiert hatten.

Harte Staatsanwaltschaft

Die 2011 entstandene BürgerInneninitiative No TAP kritisierte in der Vergangenheit immer wieder die Auswirkungen des geplanten Baus auf Menschen und Umwelt und verwies auf die Tatsache, dass die Förderung von Erdgas den Zielen des Pariser Klimaabkommens zuwiderläuft. Den nun vor Gericht stehenden AktivistInnen werden die Teilnahme an unbewilligten Demonstrationen und Strassenblockaden sowie Beamtenbeleidigung vorgeworfen. Lorena Cotza von der Coalition for Human Rights in Development beobachtet das derzeitige politische Klima in Italien mit Besorgnis: «In den letzten Jahren haben wir eine Tendenz hin zur Kriminalisierung von Aktivismus festgestellt.» Das betreffe nicht nur, aber auch Menschen, die sich für Klimagerechtigkeit und Ökothemen einsetzten.

Das Urteil im ersten Basler Bankenprozess wird am Freitag verkündet. Anwalt Andreas Noll, der eine der Personen vor Gericht vertritt, rechnet mit einem Freispruch. Gleichzeitig kritisiert er die Härte, mit der die Basler Staatsanwaltschaft in jüngster Zeit AktivistInnen verfolgte, etwa im Rahmen der parallel stattfindenden «Basel Nazifrei»-Prozesse.

Insbesondere den Anklagepunkt des Landfriedensbruchs findet der Jurist problematisch. Dieser komme in Basel momentan überaus häufig zur Anwendung und sei angesichts der völlig gewaltfreien und passiven Natur des Protests vor der UBS «geradezu absurd». «Das kommt einer Kriminalisierung der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit gleich.» Damit in Zusammenhang stehen die verhältnismässig hohen geforderten Strafmasse von bis zu fünf Monaten bedingter Freiheitsstrafe.

Sollten die fünf AktivistInnen freigesprochen werden, könnte das Urteil auf die anderen 51 ausgedehnt werden. Auch im Fall eines vollständigen Freispruchs werden sich die Schweizer Justizbehörden in den kommenden Monaten weiterhin mit der Klimabewegung beschäftigen müssen. Nach Einschätzung des CCJ wird die Zürcher Staatsanwaltschaft im Frühling die Verhandlungstermine für die an der CS-Blockade beteiligten Personen bekannt geben, die gegen ihren Strafbefehl Einsprache eingelegt haben.