Stefanie Sargnagel: «Die Politiker nehmen mir momentan den Job weg»
Die Autorin und Satirikerin Stefanie Sargnagel ist in Österreich eines der beliebtesten Feindbilder der Rechten. Ein Gespräch über die Enthemmung im Netz und in der Bourgeoisie – und über die bizarre Mechanik medialer Skandale.
WOZ: Stefanie Sargnagel, wie lebt es sich zurzeit als Satirikerin in Österreich?
Stefanie Sargnagel: Schwer zu sagen. Momentan sind die Verhältnisse so chaotisch, dass sie mir die Arbeit schwermachen. Ich mache aktuell auch weniger politische Witze. Da gibts einfach gar nicht so viel Stoff, weil alles so verworren und verwirrt war in letzter Zeit – und weil mich die FPÖ jüngst gar nicht mehr angegriffen hat. Insofern ist es zurzeit eigentlich relativ relaxed, so als Feindbild.
Ist das ein gutes Zeichen?
Nicht wirklich.
Mit Heinz-Christian Strache und seinem Ibiza-Video hätte es dieses Jahr aber durchaus Material für politische Satire gegeben, oder?
Ich fand das echt schwer zu parodieren. Mir sind dazu keine Witze eingefallen, das war ja Realsatire, weil es in echt schon so lustig war! Also eigentlich nehmen mir die Politiker in Österreich momentan den Job weg.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sprachen Sie von Zeichen einer «autoritären Zeit», in der Satire nicht mehr toleriert oder gar absichtlich missverstanden werde.
Ja gut, Sebastian Kurz ist autoritär und hat kein Problem damit, Nazis in die Regierung zu holen, aber der würde Künstlerinnen nie derart angreifen, wie das die FPÖ tut. Die mobilisieren ja wirklich ganz konkret rechte Trolle, die Leute wochenlang in die Psychiatrie mobben.
Sie sind immer wieder Zielscheibe rechter Shitstorms. Wie gehen Sie damit um?
Bei meinem ersten Shitstorm war ich wirklich komplett schockiert, was die Leute für arge Sachen schreiben. Aber irgendwann gewöhnt man sich daran und wird toleranter. Ansonsten habe ich ein sehr starkes Netzwerk, auch durch die Burschenschaft Hysteria. Man fühlt sich schon sehr stark, wenn achtzig im Fechtkampf ausgebildete Frauen hinter einem stehen. Und diese Shitstorms, das ist ja alles nur virtuell. Ich würde gar nicht damit klarkommen, wenn die Leute mich auf der Strasse beleidigen würden, und das passiert zum Glück auch nicht. Und den Computer kannst du ja ausschalten.
Aber der Hass ist ja trotzdem da, wenn auch nur im Internet. Lesen Sie zum Beispiel die Kommentare unter Artikeln über Sie?
Ja, ich bin schon jemand, der immer alles liest. Mich interessiert auch der Hass: Was löse ich bei den Leuten aus, warum ist das so? Und mich erdet das Wissen, dass das oft so extrem ist, dass ich das alles gar nicht persönlich nehmen kann. Was mich eher verletzt, ist, dass es die Leute überhaupt machen. Dass es so viel Boshaftigkeit zu geben scheint, dass Leute ernsthaft die Zeit aufwenden, andere zu schikanieren. Und das betrifft ja nicht nur mich, das ist tatsächlich so ein strategisches Ding von Rechten. Dann teilt der Strache oder der Hofer irgendwas, und plötzlich wirst du wochenlang attackiert. Sehr amoralisch, das alles.
Hilft Ihnen Ihr Auftreten als Kunstfigur, um solche rechten Hasskampagnen nicht an sich herankommen zu lassen?
Es war ja eher so, dass ich in das alles reingewachsen bin. Früher haben nur meine Freundinnen gelesen, was ich schreibe, dann irgendwelche Szeneleute und dann eine immer breitere Öffentlichkeit. Je mehr Leute meine Sachen gelesen haben, desto mehr wurde ich zur Kunstfigur. Aber eh, man muss schon ziemlich angstfrei sein, um sich so in die Öffentlichkeit zu stellen, wie ich es tue.
Sie sind in einer Familie aufgewachsen, die nicht superlinks ist, manche wählen die FPÖ. Sprechen Sie mit Ihrer Familie über Politik?
Das ist nicht unbedingt ein Thema, das man am Familientisch anpackt. Aber wenn, dann mache ich einfach Witze drüber und verarsche die Leute. Man kann die Menschen ja nicht ändern – höchstens diejenigen, die nur ein bisschen nach rechts tendieren. Aber wer seit Jahren FPÖ wählt, bei dem hast du keine Chance auf eine Diskussion. Interessanterweise werden aber die Frauen in meiner Familie immer linker.
Ach ja?
Ja. Zwar wirkt sich die Fremden- und sogar die Frauenfeindlichkeit der FPÖ jetzt nicht so stark auf ihr Leben aus, aber dass ich als ihre Tochter oder Nichte immer derart angegriffen werde, ist natürlich eine sehr persönliche Art, mit Politik konfrontiert zu werden. Und jetzt gehen meine fünfzigjährigen Tanten plötzlich auf linke Demos, was total lustig ist, weil ich das halt mit fünfzehn schon gemacht habe. Diese Angriffe auf mich haben manche aus meiner Familie auf jeden Fall politisiert.
Sie sprechen immer wieder öffentlich über Depression und mentale Gesundheit. Sind Sie eigentlich noch in Therapie?
Voll, ich kann das nur empfehlen. Ich mache das jetzt seit über zwei Jahren und hätte schon viel früher damit anfangen sollen. Echt viele Menschen in meinem Umfeld sind in Therapie – gerade, wenn man dreissig wird, scheint das ein Ding zu sein. Dann merkt man: Okay, das ist nicht mehr die Spätpubertät, das bin jetzt wirklich ich, und wenn ich noch was ändern will, sollte ich daran arbeiten.
Im Frühling dieses Jahres haben Sie Anzeige gegen einen Mann erstattet, der Sie im Zug sexuell belästigt hat. Wie ist die Geschichte ausgegangen?
Ach, das wurde nicht weiterverfolgt. Allerdings muss ich sagen, dass ich gar nicht wollte, dass da so ein grosses Ding draus wird. Ich hätte wohl nicht mal eine Anzeige gemacht, wenn mich der Schaffner nicht gefragt hätte. Aber weil es mir halt ur unangenehm war und ich das teilen wollte, habe ich darüber getweetet. Und der Boulevard ist da direkt drauf aufgesprungen und hat ein Riesending draus gemacht.
Passiert Ihnen das ab und zu, dass Sie auf Social Media etwas teilen, das viel grössere Kreise zieht als gedacht?
Total, ja. Manchmal schreibe ich harte, provokative Witze, die ich einfach sehr lustig finde, und dann passiert gar nichts. Etwa als ich in Marokko war und schrieb, dass ich hier ja gar nicht belästigt werde und der Kölner Hauptbahnhof wohl zu viel versprochen habe. Aber dann poste ich irgendwas absolut Belangloses, und plötzlich greift das irgendwer auf, und dann gehts total ab. Im Rahmen des Eurovision Song Contest dieses Jahr habe ich zum Beispiel getweetet: «Österreich du dummes Huankind, ich kill dich.» Das hat dann wieder der Boulevard aufgenommen, es wurde riesengross, und dann wurde mein Twitter-Konto kurzzeitig gesperrt. Man könnte ja denken, ich berechne diese Skandale, aber das kann ich gar nicht – weils tatsächlich so bizarr willkürlich geschieht.
Nächstes Jahr gibts auch etwas Neues von Ihnen: Am Münchner Volkstheater kommt «Am Wiesnrand» auf die Bühne, ein Stück über das Oktoberfest. Wie kamen Sie darauf?
Das ist genau ein Ort, der mir gefällt. Da ist die Bourgeoisie so dermassen enthemmt, schön angezogene Pärchen tragen ihre Streite vor dir aus, alle kotzen und weinen und schlagen sich, die ganze Verletzlichkeit der Menschen wird ausgebreitet. Ich weiss nicht, ob Sie schon mal dort waren, aber das ist viel ärger als alles Alkoholtechnische, wo ich je unterwegs war. Das ist für mich sehr dankbar für Beobachtungen, und ich bin jetzt selber gespannt, wie das als Stück funktioniert.
Haben Sie eigentlich die Debatte um den US-Komiker Louis C.K. mitverfolgt, der verschiedentlich vor Kolleginnen masturbiert hat? Auf seiner Comebacktour spielte er kürzlich zwei Shows in der Schweiz – eine davon ausverkauft, die andere fast.
Ich habs natürlich mitgekriegt. Ich fand Louis C.K. eigentlich immer gut, weil er dieses Bild des notgeilen Losers so kultiviert hat. Aber seit ich weiss, dass es halt stimmt, find ich das nicht mehr lustig, sondern einfach nur ekelhaft.
Inwiefern muss man Künstler und Werk voneinander trennen?
Ich habe da keine abschliessende Meinung, mir fällts schwer, mich da zu positionieren. Es gibt so viele Leute, die ich privat beispielsweise richtig dumm finde, die aber grossartige Kunst machen.
Stefanie Sargnagel
Die 33-jährige Wienerin, eigentlich Stefanie Sprengnagel, studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, verbrachte aber mehr Zeit in ihrem Brotjob im Callcenter. Sie ist Obfrau der Burschenschaft Hysteria, einer feministischen Persiflage der studentischen Burschenschaften. Zuletzt ist bei Rowohlt ihr Buch «Statusmeldungen» (2018) erschienen.