Neues aus der Wissenschaft: Rollen gegen die Angst

Nr. 15 –

Zürich, Samstagnachmittag, vor dem Quartier-Coop: Eine alte Frau macht sich auf den Heimweg, die Einkaufstasche leer und schlaff, dafür in jeder Hand ein Achtzehnerpack Toilettenpapier. Ja, die Hamsterkäufe, sie dauern an – den Beteuerungen der Branche zum Trotz, der Nachschub an Hygieneartikeln sei gesichert. Und auch wenn stets neue Symptome auftauchen, die das Coronavirus verursachen soll: Durchfall gehört kaum je dazu.

Nachdem viele PsychologInnen das Phänomen schon zu deuten versuchten, hat jetzt ein Forschungsteam der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Köln den direkten Weg gewählt und 250 zufällig ausgewählte Personen online zu ihrem Hamsterkaufverhalten befragt. Immerhin versorgen sich die Deutschen aktuell mit mehr als dreimal so viel Toilettenpapier als sonst üblich.

Das Resultat ist natürlich nicht repräsentativ, dafür umso aufschlussreicher. Vor allem, wenn vier von fünf Befragten bestreiten, überhaupt mehr WC-Papier zu kaufen. André Marchand, der Leiter der Studie, kann sich das nur damit erklären, dass Hamsterkäufe als unsolidarisch gelten, weshalb «Scham eine ehrliche Antwort verhindert» haben könnte. Zum Glück haben SozialwissenschaftlerInnen für solche Fälle ein paar Fragetricks auf Lager. Und diese offenbaren, dass mehr als die Hälfte aller Befragten in den letzten Wochen gehamstert haben. Aus Angst, wie eine Mehrheit von ihnen gesteht. Angst, dass das Toilettenpapier im Supermarkt ausgeht. Angst, dass auch noch die Supermärkte geschlossen werden.

Eine Sorge, die sich Marchands Team nur mit den in den sozialen Medien herumgereichten Fotos leer geräumter Regale erklären kann. «Wenn die Menschen im Supermarkt nach den einprägsamen Bildern auf Social Media dann selbst vor leeren Regalen stehen, ist das aufgrund der Fläche, die Toilettenpapier einnimmt, besonders auffallend», so Marchand. Ja, Angst ist ansteckend. Und offenbar sind es auch Hamsterkäufe.

Die Befragten selbst rationalisieren diese Angst – respektive das Bunkern von Toilettenpapier zu Hause – mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle angesichts einer tief empfundenen Machtlosigkeit in der aktuellen Situation. Und manche, nun, die führen ganz banale Gründe an: WC-Papier ist schliesslich lange haltbar.

Vergessen wir all jene nicht, die plötzlich auf kreative Ideen verfallen: Auf Youtube boomt gerade eine WC-Rollen-Challenge.