Zürcher Räumung: Wer andern eine Grube gräbt

Nr. 18 –

Die Besetzung des Juch-Areals in Zürich Altstetten, wo seit Oktober ein vielfältiger Kultur- und Lebensraum entstand, soll ausgerechnet während des aktuellen Ausnahmezustands beendet werden. Die Stadtregierung hat auf Antrag von Sozialvorsteher Raphael Golta (SP) entschieden, dass es einem Abstellplatz für die Baustelle des neuen Stadions der ZSC Lions weichen soll.

Die seltsame Geschichte um das Ende der Besetzung begann am Montag, 20. April. Die BesetzerInnen erhielten vom Sozialdepartement ein Ultimatum gestellt: Sie sollten das Areal unter Androhung einer Räumung binnen vier Tagen verlassen. Später erfuhren die BesetzerInnen, dass seit dem 2. April eine Rückbaubewilligung vorgelegen hatte.

Manuela Schiller, die Anwältin der BesetzerInnen, teilte darauf der Stadt mit, diese würden sich gegen die Räumung wehren. Ihr Argument: Der geduldeten Besetzung liege ein impliziter Gebrauchsleihvertrag zugrunde, weshalb für eine Räumung ein zivilrichterlicher Beschluss nötig sei.

Am Freitag dann die Kehrtwende: Die Stadt verlängerte die Frist bis zum 22. Mai, weil bei der Räumung die Coronaregeln nicht eingehalten werden könnten. Bei dieser Gelegenheit gab sie auch die zukünftige Mieterin bekannt: die Frauenfelder Immobilienfirma HRS Real Estate, die neben dem Polizei- und Justizzentrum Zürich in den nächsten zweieinhalb Jahren auch das Eishockeystadion baut.

Auf Anfrage teilt das Sozialdepartement mit, die Gespräche mit der HRS liefen bereits seit Ende November, und eine längerfristige Besetzung des Areals sei wegen Schäden an Gebäuden und Kanalisation nicht möglich gewesen. Lief also alles nach Plan, unabhängig von Corona? Einiges bleibt faul an der Sache. Wieso wurden die BesetzerInnen so kurzfristig informiert, wenn die Rückbaubewilligung für die Baracken schon seit Anfang Monat vorlag? Hat man tatsächlich erst an jenem Freitag realisiert, dass eine Räumung derzeit problematisch ist? War der geplante Zeitpunkt zufällig gewählt?

Wahrscheinlicher ist: Die Stadt sah gerade jetzt eine gute Gelegenheit, die BesetzerInnen loszuwerden. Mit Widerstand und einer öffentlichen Diskussion hatte sie wohl nicht gerechnet. Zu früh gefreut.