Ein Traum der Welt: Labyrinth der Finanzhilfen
Annette Hug wähnt sich in einem Maisfeld
Wer im Sommer nicht weit reisen kann oder will, findet in Delémont seit zehn Jahren ein Labyrinth im Maisfeld. Dazu eine Festbeiz und einen Spielplatz für die ganze Familie. Eine bunte Spielanleitung und Plakate leiten durch weitverzweigte Pfade zwischen immer gleich aussehenden Maisstängeln.
Einmal stand das «Swiss Labyrinthe» im Zeichen von Zeus und Olympia. Es galt, ein Gymnasium und ein Stadion zu finden. An sechs Orten waren sieben Buchstaben für ein Lösungswort zu sammeln, das ging nicht auf, ausserdem war ein zweiter Parcours in die olympische Landschaft hineingelegt: Popeye auf einem Schiff. Der Held zeigte sich auf Paneelen mit Anweisungen: «Steuerbord!», «Noch sieben Kreuzungen bis zum Ende des Sturms!». Mitten im Meer aus Mais wiesen Plakate auch noch auf seltsame Weltrekorde hin. Shi Liliang, ein Shaolin-Mönch, soll auf 200 kleinen schwimmenden Holzbrettern 125 Meter über Wasser gelaufen sein.
Ordnungssysteme können sich leicht in eine Unordnung höherer Ordnung verwandeln. Es lohnt sich dann, von allen Paneelen abzusehen, stur auf den Boden zu blicken und den Pfaden zu folgen, die am stärksten ausgetrampelt sind. Vielleicht bewährt sich das auch im Ersuchen um die Finanzhilfe, die vom Bund und den Kantonen gesprochen wurde, um Kulturschaffende zu entschädigen.
Natürlich bin ich froh, dass ich vielleicht etwas Geld bekomme, bevor die SVP Gelegenheit hat, diesen Teil der Coronamassnahmen abzuschiessen. Im Wissen, dass es vielen Branchen dreckig geht, suche ich geduldig meinen Weg durch die Gesuchsportale der SVA und des kantonalen Kulturamts. Es sind Portale, die sich laufend verändern, schliesslich mussten die Finanzhilfen über Nacht erfunden werden, da konnte nicht alles von Anfang an perfekt sein. Im März ergab sich ein unglücklicher Loop, der ein Gesuch an B nur erlaubte, wenn A eine Bestätigung ausstellte, A wollte aber zuerst wissen, was B und so weiter.
Das hat sich gelöst, nun sind wir gehalten, unseren Einkommensausfall in unterschiedliche Währungen zu übersetzen. Erstens in Taggelder, eine Art Sold für den Dienst an der Volksgesundheit. Zweitens in eine Ausfallsumme, die der Kanton teilweise entschädigt, weil er uns das Geschäft verboten hat.
Drittens in einen Aufschrei: Wer seine Miete nicht mehr bezahlen kann, kriegt Nothilfe über Suisseculture Sociale. So weit bin ich zum Glück noch nicht. Ich ziele auf Taggeld und Ausfallentschädigung und stelle Unterlagen zusammen, lasse mich durchleuchten, versuche den Subtext der Formularfragen nicht an mich herankommen zu lassen. (Sind Sie wirklich künstlerisch tätig? Tun Sie nicht nur so? Könnten Sie nicht von Ihrem Ehemann leben? Haben Sie jeden einzelnen Veranstalter breitgeklopft, bevor Sie ihm glaubten, dass er kein Ausfallhonorar zahlt?)
Das ist sportlich zu nehmen. Oder als Vorbereitung auf das sommerliche Labyrinth in Delémont. Wenn alles gut geht, werden die Pflanzen am 20. Juli wieder hoch genug stehen. Für soziale Distanz ist zwischen den Pfaden im Maisfeld gesorgt. Angekündigt sind drei neue Themen: Geburt des Kinos, ein Kriminalfall und Superhelden.
Annette Hug ist Autorin im Limbo. Für klare Anleitungen zu den Finanzhilfen für Kulturschaffende empfiehlt sie folgende Websites: www.a-d-s.ch und www.sonart.swiss.