Kommentar: Berner Polizeigesetz gestutzt

Nr. 19 –

Man nehme «erfreut Kenntnis vom heutigen Urteil des Bundesgerichts», heisst es in einer Medienmitteilung des Berner Regierungsrats. Das Gericht habe die Beschwerde gegen das kantonale Polizeigesetz «weitgehend und in den zentralen Punkten abgewiesen». Der Regierungsrat irrt sich. Die 21 beschwerdeführenden Personen und Organisationen hatten vier Regelungen angegriffen und erhielten in drei Punkten recht.

Gleich zwei Punkte betreffen die Wegweisungen und damit den Dauerbrenner der polizeirechtlichen Debatten der letzten 25 Jahre: Betroffene, die wieder im Perimeter auftauchten, aus dem die Polizei sie verbannt hatte, wurden auch bisher schon häufig mit einem Strafverfahren wegen «Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung» überzogen. Nach dem revidierten Berner Polizeigesetz hätten Wegweisungen nun immer und automatisch mit einer Strafandrohung einhergehen sollen. Diesen Automatismus hob das Bundesgericht auf.

Mit drei zu zwei Stimmen aufgehoben hat das Gericht ferner eine Regelung, die sich ausschliesslich gegen Fahrende richtete. Danach sollte die Polizei Personen, die auf einem öffentlichen oder privaten Gelände ohne Erlaubnis der BesitzerIn oder der Gemeinde campieren, wegweisen und den Platz nach 24 Stunden gewaltsam räumen können, «sofern ein Transitplatz zur Verfügung steht». Dass Fahrende nur im Gesetz auftauchten, wenn es um ihre Wegweisung gehe, sei «schlechte Gesetzgebung», musste selbst SVP-Bundesrichter Thomas Müller anerkennen, der vergebens versucht hatte, diese Gesetzgebung wenigstens teilweise zu erhalten.

Versenkt haben die fünf Bundesrichter – einstimmig – die Befugnis zum Standort-Tracking mit GPS-Peilgeräten. Zur «Erkennung und Verhinderung von Verbrechen und Vergehen» aller Art hätte die Berner Polizei solche Geräte einsetzen dürfen – und zwar bis zu einem Monat aus eigener Machtvollkommenheit. Die Richter lehnten solche präventiven Überwachungen zwar nicht grundsätzlich ab, verlangten aber eine Begrenzung auf schwere Delikte und eine vorhergehende richterliche Entscheidung.

Nichts einzuwenden hatten die Richter allerdings gegen eine massive Bedrohung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Bei Demos, bei denen es zu Gewalt kommt, sollen die Gemeinden künftig die Kosten des Polizeieinsatzes abwälzen können – auf VeranstalterInnen und auf TeilnehmerInnen. Mit bis zu 10 000, in schweren Fällen bis zu 30 000 Franken, können künftig auch Demonstrierende zur Kasse gebeten werden, die zwar selbst keine Gewalt ausübten, sich aber nicht schnell genug entfernten. Die Vorstellung, dass eine solche finanzielle Waffe verhältnismässig eingesetzt werden könnte, ist schlicht lebensfremd. Bereits die ersten Anwendungen der Regelung dürften zu langwierigen Klagen führen. Bis dahin werden diese Artikel den Einschüchterungseffekt bewirken, für den sie gedacht sind.